In zwei Wochen beginnt Netanjahus Korruptionsprozess. Dennoch hat der 70-Jährige laut Prognosen bei der dritten Wahl binnen eines Jahres mit seinem Likud die Nase vorn. Unklar ist aber, ob sein rechts-religiöses Lager eine Mehrheit sichern kann.
Die konservative Likud-Partei des Regierungschefs
Der Wahlerfolg des Likud kam nur zwei Wochen vor Beginn eines Korruptionsprozesses gegen den 70-jährigen Netanjahu.
Das rechte Lager besteht aus Netanjahus konservativem Likud, dem Jamina-Parteienblock von Verteidigungsminister Naftali Bennett und den strengreligiösen Parteien. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent.
Zum Mitte-Links-Lager wird neben Gantz' Bündnis Blau-Weiss, der linksliberalen Liste von Arbeitspartei, Merez und Gescher auch die Vereinigte Arabische Liste gezählt. Allerdings gelten die arabischen Parteien nicht als potenzielle Koalitionspartner.
Das Zünglein an der Waage
Der ultrarechte Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman wurde auch bei dieser Wahl als Königsmacher gesehen. Seine Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhielt den Prognosen zufolge sechs bis acht Mandate. Lieberman hatte Netanjahu nach einer Wahl im April vergangenen Jahres seine Unterstützung entzogen. Hintergrund ist ein Streit mit Netanjahus strengreligiösen Bündnispartnern über die Wehrpflicht auch für ultra-orthodoxe Männer.
Es war bereits die dritte Wahl binnen eines Jahres. Nach Wahlen im April und September 2019 war aufgrund einer Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager keine Regierungbildung geglückt. Blau-Weiss war aus der letzten Wahl zwar mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft hervorgegangen. Der Likud kam auf 32 Mandate. Netanjahu erhielt allerdings 55 Empfehlungen von Abgeordneten für das Amt des Ministerpräsidenten, Gantz eine Stimme weniger. Beide konnten jedoch keine Koalition schmieden.
Hohe Wahlbeteiligung
Trotz der Sorge vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus war die Wahlbeteiligung bis zum Abend relativ hoch. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Wahlbeteiligung am Montag um 20.00 Uhr (19.00 Uhr deutscher Zeit) bei 65,5 Prozent, fast zwei Prozentpunkte mehr als zur selben Zeit bei der vorherigen Wahl im September. Dies ist die höchste Wahlbeteiligung seit 21 Jahren zu diesem Zeitpunkt.
Am Vormittag hatten die beiden Spitzenkandidaten die Bürger zu einer regen Beteiligung aufgefordert. "Dies ist ein wichtiges demokratisches Recht, auf das wir stolz sein müssen", sagte Netanjahu bei der Stimmabgabe in Jerusalem.
Hohe Sicherheitsmassnahmen
In mehreren Städten wurden besonders geschützte "Wahlzelte" für Israelis aufgestellt, die sich wegen des neuartigen Coronavirus in häuslicher Quarantäne befinden. In der Stadt Cholon bei Tel Aviv musste am Morgen die Polizei anrücken, weil Anwohner die Eröffnung eines solchen Zeltes blockiert hatten. Das israelische Gesundheitsministerium teilte mit, insgesamt seien mittlerweile zwölf Personen im Land mit dem Coronavirus infiziert. Mehr als 5600 Israelis befinden sich nach offiziellen Angaben in häuslicher Quarantäne. Todesfälle gab es bisher nicht.
Das amtliche Endergebnis wird voraussichtlich in rund einer Woche vorliegen. Präsident Reuven Rivlin hat danach eine Woche Zeit zu entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Er hat dazu bis zu sechs Wochen Zeit. Mit der Bildung einer neuen Regierung wird daher frühestens im kommenden Monat gerechnet.
GroKo möglich
Rechnerisch möglich ist eine grosse Koalition von Likud und Blau-Weiss. Allerdings hatte Netanjahu im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an. Gantz ist dagegen wegen der Korruptionsanklage nur zu einer grossen Koalition ohne Netanjahu als Regierungschef bereit.
Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Es geht dabei um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Netanjahu will Siedlungspolitik vorantreiben
Netanjahu strebt die Annexion der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland sowie des Jordantals an. Diesen Schritt zeigt der am 28. Januar veröffentlichte Plan des US-Präsidenten Donald Trump auf. Der Plan sieht einen Palästinenserstaat vor, der allerdings mit harten Auflagen verbunden wäre. Von palästinensischer Seite ist das Vorhaben kategorisch zurückgewiesen worden. Gantz hat erklärt, er werde sich nach der Wahl für eine Umsetzung des Trump-Plans "in Zusammenarbeit mit anderen Ländern in unserer Region" einsetzen. (mss/dpa)
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