Der Streit um die EU-Asylreform dauert nun schon Jahre an. Die Bereitschaft zum Kompromiss ist in vielen Länder nicht besonders ausgeprägt. Nun hat die EU-Kommission neue Vorschläge vorgelegt, die die Blockade lösen sollen.

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Nach jahrelangem Streit der EU-Staaten hat die EU-Kommission einen neuen Anlauf für eine Reform der Asyl- und Migrationspolitik unternommen. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson machte sich am Mittwoch jedoch keine Illusionen: "Niemand wird glücklich mit allem sein." Kann der Neustart dennoch gelingen?

Worum geht es bei dem Streit?

Kern der Debatte ist die Frage, ob Schutzsuchende in Krisensituationen per Quotenregelung über die Mitgliedstaaten verteilt werden sollten. Vor allem Länder an den Aussengrenzen wie Griechenland und Italien fühlen sich durch das aktuelle System überlastet und fordern eine solche Regelung. Staaten wie Tschechien, Ungarn und Polen lehnen eine verpflichtende Umverteilung von Migranten auf alle EU-Länder jedoch kategorisch ab.

Wie sind die tiefen Gräben zwischen den EU-Staaten entstanden?

Zu Beginn der Flüchtlingsbewegung 2015 herrschte noch weitgehende Einsicht, dass den Ländern an den EU-Aussengrenzen geholfen werden muss. Mit zwei Mehrheitsentscheidungen wurde damals entschieden, bis zu 160.000 Schutzsuchende aus Italien und Griechenland umzuverteilen. Ungarn, Polen und Tschechien stemmten sich jedoch beharrlich dagegen. Die Risse wurden immer tiefer. Und die Reformvorschläge der damaligen EU-Kommission scheiterten krachend.

Was schlägt die jetzige EU-Kommission vor?

Der Fokus der neuen Vorschläge liegt auf der rigorosen und schnellen Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Bei Menschen mit geringer Bleibeperspektive soll etwa das Asylgesuch innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. Herkunftsländer, die ihre eigenen Staatsbürger nicht zurücknehmen, könnten sanktioniert werden - zum Beispiel durch eine Einschränkung der Visa-Vergabe für normale Reisen oder den Stopp von Verhandlungen über Handelserleichterungen. Jene Menschen, die kein Recht hätten zu bleiben, müssten zurück in ihre Heimat, sagt Johansson.

Hat der Vorschlag Erfolgsaussichten?

Die EU-Kommission versucht, allen entgegenzukommen - und dürfte zugleich alle enttäuschen. So dürften Länder wie Ungarn, Polen und Ungarn sich freuen, dass sie die Aufnahme von Migranten künftig umgehen könnten, indem sie die Verantwortung für abgelehnte Asylbewerber in anderen Ländern übernehmen. Zugleich soll die Zahl der länger in der EU bleibenden Asylbewerber gesenkt werden - etwa durch die schnellen Verfahren direkt an den Grenzen.

An den derzeit gültigen Dublin-Regeln hält die EU-Kommission grundsätzlich fest - passt sie aber an. Heute ist meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass andere Kriterien ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Wer in einem anderen Staat etwa Geschwister hat, dort früher schon mal studiert oder gearbeitet hat, soll dorthin kommen. Gleiches gilt, wenn ein Asylbewerber zuvor legal mit einem Visum in ein EU-Land gereist ist.

Und auch gegen die sogenannte Sekundärmigration, also das Weiterziehen in andere EU-Staaten, soll etwas unternommen werden. Dafür hatte sich Deutschland eingesetzt.

Würden durch den Vorschlag mehr oder weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen?

Das lässt sich schwer schätzen. Denn auf der einen Seite würden mehr Schutzsuchende direkt aus dem Ankunftsland zurückgeschickt, weil sie offensichtlich keinen Anspruch auf Asyl oder Flüchtlingsschutz haben. Auf der anderen Seite leben schon viele Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten in Deutschland. Daraus würde sich eine Zuständigkeit für die Übernahme der Asylverfahren durch Deutschland ergeben. Denn die neuen Regeln sehen vor, dass etwa auch ein Bruder oder eine Schwester, die bereits in einem anderen EU-Land lebt, ein Anknüpfungspunkt sein kann, der bei der Verteilung der Asylsuchenden eine Rolle spielen soll.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Aus den Hauptstädten der EU gab es am Mittwoch zunächst nur wenige Reaktionen. Der irische Europaminister begrüsste lediglich, dass die Verhandlungen der EU-Staaten nun erneuert und verstärkt werden könnten. Und auch der ungarische Regierungssprecher meldete sich kurz zu Wort. Dabei betonte er jedoch nur die bekannten Prioritäten seines Landes: Es brauche die Zusammenarbeit mit Herkunftsstaaten; die Grenzen müssten geschützt und dicht sein; es dürfe keine verpflichtende Verteilung von Migranten geben.

Heftige Kritik kam hingegen bereits aus dem Europaparlament, das auch über die neuen Vorschläge verhandeln muss. Cornelia Ernst (Linke) beklagt etwa, es gehe "nur um Abwehr, Abschreckung und vor allem um Abschiebungen". AfD-Chef und EU-Abgeordneter Jörg Meuthen sieht hingegen eine "Kampfansage an unsere Lebensweise, an unseren Sozialstaat, unsere innere Sicherheit, unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere christlich-abendländisch geprägte Kultur". Erik Marquardt (Grüne) sagte, der Vorschlag würde "ein weiteres Moria nicht verhindern". Jan-Christoph Oetjen (FDP) sah zumindest etwas Positives: "Der vorgelegte Entwurf ist sicherlich nicht der erhoffte Leuchtturm - aber immerhin auch keine Nebelkerze. Er bringt etwas Licht ins Dunkle der europäischen Migrationspolitik."

Welche Rolle spielt Deutschland bei den Verhandlungen?

Als derzeitige EU-Ratspräsidentschaft wird Deutschland bei den Verhandlungen der EU-Staaten vermitteln. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat das Ziel, bis Ende des Jahres eine politische Einigung zwischen den 27 Ländern zu erzielen. Nach dem jahrelangen Stillstand wäre das eine kleine Sensation. Anschliessend müssten die EU-Staaten sich dann allerdings noch mit dem Europaparlament auf eine gemeinsame Linie einigen. (dpa/fra)

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