Rien ne va plus - nichts geht mehr, zumindest fast. In Frankreich sind wegen des Coronavirus die Läden und Bars zu, es herrscht Stillstand. Trotzdem wurde dort am Sonntag gewählt - viele folgten dem Aufruf ins Wahllokal allerdings nicht.
Bei den vom Coronavirus überschatteten Kommunalwahlen zeichnet sich ein Rekordtief bei der Wahlbeteiligung ab. Nach Schätzungen des Instituts Ipsos-Steria sind mehr als die Hälfte Bürgerinnen und Bürger nicht zur Wahl gegangen - so viele wie noch nie zu vor bei der Wahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Dass trotz der Ausbreitung des Coronavirus am Sonntag knapp 48 Millionen Menschen zum Gang in die Wahllokale aufgerufen wurden, war zuvor auf massive Kritik gestossen. Seit Sonntag steht das öffentliche Leben in Frankreich weitgehend still - Läden, Restaurants und Bars sind geschlossen.
Viele hatten befürchtet, dass das Ergebnis wegen geringer Wahlbeteiligung nicht repräsentativ sein könnte. "Die hohe Enthaltungsquote, die wir haben, ist ein Beweis für die grosse Besorgnis unserer Bürger", sagte Frankreichs Premier Édouard Philippe am Sonntagabend. Präsident Emmanuel Macron hatte bei der Stimmabgabe im nordfranzösischen Badeort Le Touquet seine Entscheidung, an der Wahl festzuhalten, verteidigt. Er sei nicht nur für die Gesundheit der Bürger, sondern auch für das demokratische Leben in Frankreich verantwortlich, sagte er.
Diskussionen um den zweiten Wahlgang
Zahlreiche Politiker fordern nun zumindest die Verschiebung der zweiten Runde am kommenden Sonntag. "Die Aufrechterhaltung dieser Kommunalwahlen ist für unsere Landsleute eine unverständliche Entscheidung", sagte Rechtsaussenpolitikerin Marine Le Pen am Abend. Wo keine absolute Mehrheit erreicht wird, soll es am 22. März einen zweiten Wahlgang geben. Ob dies stattfindet, soll nun Anfang der Woche entschieden werden. Die Zahlen der Infektionen waren in Frankreich am Sonntag erneut massiv gestiegen. Frankreich zählt nun rund 5400 Infektionen, damit ist die Zahl innerhalb von 24 Stunden um 900 gestiegen.
Premierminister Philippe hatte am Samstagabend angekündigt, dass im Kampf gegen das Coronavirus bis auf Weiteres alle nicht lebensnotwendigen Einrichtungen geschlossen bleiben müssen. Dazu zählen Bars, Restaurants und zahlreiche Läden. Die Wahlen könnten allerdings trotzdem stattfinden, wenn entsprechende Vorsichtsmassnahmen eingehalten würden. In Frankreich herrschte Unverständnis über diese Entscheidung.
Abstand und eigener Stift
Die Regierung hatte den Wählern empfohlen, einen eigenen Stift mitzubringen, um sich vor dem Virus zu schützen. Auch sollte genügend Abstand gewahrt und die Wahlkabinen regelmässig desinfiziert werden. Macron desinfizierte sich nach seinem Wahlgang in Le Touquet die Hände. Er sei bisher nicht auf das Coronavirus getestet worden und habe auch keine Symptome, sagte er.
Im Pariser Wahllokal Nr. 57 lag am Sonntagmorgen der Geruch von Desinfektionsmittel in der Luft. Bei Helferin Manon Havent mussten die Wähler nach der Wahl unterschreiben. Anschliessend wischte sie jedes Mal die Fläche ihres Tisches ab. Der Grossteil der Wählerinnen und Wähler komme mit einem eigenen Stift, sagte sie. Wenn jemand keinen habe, könne das Wahllokal einen desinfizierten Stift anbieten.
Um genügend Abstand zwischen die Wartenden zu bringen, sind auf dem Boden Marker mit Klebe- und Absperrband angebracht. "Alles läuft normal", sagte Emmanuelle Montemont, die für den Ablauf in dem Wahllokal im 12. Arrondissement von Paris verantwortlich ist. "À voter", rief sie und winkte die nächste Person an die Wahlurne. Dass wegen des Coronavirus mehr Menschen einen Bogen um diese machen würden, sei dort bis Sonntagmittag nicht der Fall gewesen.
Wird Macron bestraft für seine Reformpolitik?
Bei der Kommunalwahl wird in Frankreich über die Machtverhältnisse in den Kommunalparlamenten abgestimmt. Auch 330.000 in Frankreich lebende EU-Bürger dürfen wählen. Dem 42-jährigen Macron droht bei der Wahl eine Quittung für seine Reformpolitik. Seine Partei La République en Marche ist in den Regionen ausserdem nicht gut verankert.
Spannend dürfte auch werden, wer sich im Rennen um das Bürgermeisteramt in Paris behauptet - dort tritt die für ihre fahrradfreundliche Politik bekannte Sozialistin Anne Hidalgo noch einmal an und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Konservativen Rachida Dati. (best/dpa)
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