Die Militärjunta im Niger hat ein Gesetz aufgehoben, dass das Schleusen von Migranten unter Strafe stellte. Die EU reagiert besorgt auf den Schritt. Sie hatte die damalige Regierung zu dem Gesetz gedrängt.
Die Schleusung irregulärer Migranten soll im westafrikanischen Niger künftig straffrei bleiben. Der Anführer der Militärjunta, Chef Abdourahamane Tiani, habe das entsprechende Gesetz aufgehoben, sagte der Sprecher von Premierminister Lamine Zeine am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das Gesetz war Teil der Strategie Europas zur Eindämmung der Migration über das Mittelmeer.
Der Niger ist eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die in Richtung Europa reisen wollen. Die Europäische Union arbeitet mit dem Niger bereits seit 2015 zusammen, vor allem um die Migrationsroute von der nigrischen Wüstenstadt Agadez nach Libyen zu blockieren.
Das Gesetz, das den Schmuggel von Migranten von Agadez durch den Sahel bis zur Grenze mit Libyen mit bis zu zehn Jahren Haft unter Strafe stellte, wurde 2015 unter Druck der EU verabschiedet. Im Gegenzug stellte die EU rund 75 Millionen Euro für Projekte zur Eindämmung von Migration bereit.
Gesetz hatte unerwünschte Nebeneffekte
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson warnte vor den Folgen der Abschaffung des Gesetzes. Sie sei "sehr besorgt" angesichts der "grossen Gefahr, dass dadurch weitere Menschen in der Wüste sterben", sagte Johansson am Dienstag in Brüssel.
Seit Einführung des Gesetzes war nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) die Zahl irregulärer Migranten im Niger gesunken. Allerdings hatte das Gesetz auch unerwünschte Nebeneffekte. Migranten und Schleuser wichen auf andere, gefährlichere Wege durch die Wüste aus, um einer Verhaftung zu entgehen. Etliche starben dabei.
Laut der SZ führte das Gesetz auch zu Willkürmassnahmen der Polizei gegen legal reisende Migranten im Niger. Bürger der afrikanisches Staatengruppe Ecowas geniessen im Niger Reisefreiheit. Ausserdem ist Migration in dieser Region Afrikas oft die einzige Lösung, um sich an Jahreszeiten und das Wetter anzupassen.
Migration ist Wirtschaftsfaktor im Niger
Migration ist ausserdem ein Wirtschaftstreiber in der Region. Vertreter der Stadt Agadez begrüssten das Aufhebungsdekret. Das Gesetz habe negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Region gehabt, die als Schleuser-Hochburg bekannt war, sagte Mohamed Anacko, Präsident des Regionalrats von Agadez.
Die Militärregierung begründete die Abschaffung des Gesetzes damit, dass es "bestimmte, an sich reguläre Aktivitäten" zum "illegalen Handel" erkläre und unter Strafe stelle. Zudem sei das Gesetz "unter dem Einfluss gewisser ausländischer Mächte verabschiedet" worden.
Der Niger wird seit einem Putsch am 26. Juli vom Militär regiert. Das Land galt als letzter demokratischer Partner Europas und der USA im Kampf gegen Terrorismus in der Sahelzone. Seit dem Staatsstreich sind die Beziehungen zwischen dem Niger und westlichen Partner überwiegend auf Eis gelegt.
EU rechnet mit mehr Migration
Die Aufhebung des Gesetzes könnte schwerwiegende Folgen für die Migration über das Mittelmeer haben, sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing: "Jetzt tritt für Europa das Horrorszenario ein."
Innenkommissarin Johansson geht davon aus, dass "wahrscheinlich" nun wieder mehr Migranten versuchen, nach Libyen zu gelangen und von dort aus das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren.
Experten wie Migrationsforscher Niklas Harder fordern einen Spurwechsel in der Migrationspolitik, um die Ströme zu ordnen. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er: "Schon heute zahlen Geflüchtete grosse Summen Geld an Schleuser, um über das Mittelmeer zu kommen. Dieses Geld könnte auch vor Ort in einen Deutschkurs investiert werden – um dann per Visa regulär nach Deutschland zu kommen." (dpa/lko)
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