Das Projekt Nord Stream 2 war von Anfang an umstritten. Vor allem die USA sehen die Erdgas-Pipeline von Russland nach Europa kritisch. Nun sträubt sich auch Deutschlands politisch wichtigster Partner Frankreich. Steht das in Teilen bereits fertiggestellte Milliardenprojekt nun vor dem Aus?
Herber Dämpfer für Deutschland im Streit über die deutsch-russische Gasleitung Nord Stream 2 durch die Ostsee: Frankreich stellt sich überraschend auf die Seite der Kritiker der Pipeline.
Der Bruch kommt im Vorfeld einer wichtigen politischen Entscheidung: Am Freitag wird über eine Änderung der EU-Gasrichtlinie abgestimmt. Sie würde es der EU-Kommission ermöglichen, das von den USA kritisierte Pipeline-Projekt deutlich strenger zu regulieren.
Frankreich hatte lange Deutschland unterstützt, dann aber am Donnerstag überraschend angekündigt, für die EU-Gasrichtlinie stimmen zu wollen.
Nord Stream 2: Frankreichs Entscheidung lässt Mehrheitsverhältnis kippen
Die Mehrheitsverhältnisse in der EU würden sich damit aller Voraussicht nach entscheidend verändern und zu einer Annahme der Richtlinienvorschläge führen.
Das würde nicht automatisch das Ende des milliardenschweren Pipelineprojekts bedeuten, es aber wirtschaftlich weniger interessant machen.
Zudem würde sich die Frage stellen, wie stabil und eng die oft beschworene deutsch-französische Partnerschaft wirklich ist.
Es ist nicht der einzige Schritt, der "Mercron" entzweien könne: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte - ebenfalls überraschend - seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz ab.
Bei dem Expertentreffen zur Sicherheitspolitik vom 15. bis 17. Februar hätte es auch zu einem öffentlichen Auftritt mit Kanzlerin
Nord Stream 2 soll bereits Ende des Jahres in Betrieb gehen
Für die hinter dem Pipeline-Projekt stehende Bundesregierung und die Bauherren wäre eine Änderung der Gasrichtlinie ein schwerer Schlag.
Die 1.200 Kilometer lange Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland ist nämlich bereits im Bau und soll eigentlich Ende 2019 in Betrieb gehen. Zusätzliche Auflagen könnten das Projekt weniger profitabel oder sogar unwirtschaftlich machen.
Eine Auflage sieht zum Beispiel vor, dass ein Gaslieferant nicht gleichzeitig Betreiber einer Leitung sein darf. Bei Nord Stream 2 ist dies bislang der Fall. Das Projekt wird von dem russischen Energiekonzern Gazprom gesteuert.
Die Abstimmung über die Überarbeitung der Gasrichtlinie soll bei einem regulären Treffen der ständigen Vertreter der 28 Mitgliedstaaten erfolgen. Gibt es dort die notwendige Mehrheit, dürfte die neue Richtlinie bereits vor der Europawahl endgültig beschlossen werden.
Noch notwendige Verhandlungen mit dem Europaparlament gelten als Formalie, da es dort eine klare Mehrheit für das Projekt gibt.
Ein Viertel der Rohre ist bereits verlegt
Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei durch die Ostsee nach Deutschland transportiert werden können. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1.200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt.
Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.
Die USA warnen vor einer zu grossen Abhängigkeit Europas von Russland. Zudem wollen sie selber Gas in Europa verkaufen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegnete in der slowakischen Hauptstadt Bratislava am Donnerstag, sie sehe nicht, dass sich Deutschland oder Europa durch Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit von Russland begeben. Deutschland wolle ja auch Anlagen einrichten für Flüssiggas aus den USA. (ank/dpa)
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