Seit Jahren wettert US-Präsident Donald Trump gegen Nord Stream 2. Im Streit um die Pipeline drohen die USA nun sogar direkt deutschen Unternehmen. Für viele Politiker in Deutschland ist damit eine rote Linie überschritten.
Nach der Sanktionsdrohung aus den USA gegen den deutschen Ostseehafen Sassnitz-Mukran wegen der Gaspipeline Nord Stream 2 wird der Ruf nach Gegenmassnahmen immer lauter.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin
Schneider: Nicht "wie ein Vasallenstaat" behandeln lassen
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sagte, Deutschland dürfe sich nicht "wie ein Vasallenstaat" behandeln lassen. Der Grünen-Aussenpolitiker Jürgen Trittin nannte die Drohung eine "wirtschaftliche Kriegserklärung".
Ein Regierungssprecher erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aber lediglich, man habe das Schreiben der US-Senatoren an den Hafen zur Kenntnis genommen.
"Die Bundesregierung hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie unilaterale, gegen deutsche und europäische Unternehmen gerichtete extraterritoriale Sanktionen, wie sie von den Vereinigten Staaten verhängt wurden, ablehnt".
Drei US-Senatoren hatten am Mittwoch in einem Schreiben an den Hafen schwere Strafmassnahmen angedroht: "Den Vorstandsmitgliedern, leitenden Angestellten und Aktionären der Fährhafen Sassnitz GmbH wird die Einreise in die Vereinigten Staaten untersagt, und jegliches Eigentum oder jegliche Eigentumsbeteiligung, die sie in unserem Zuständigkeitsbereich haben, wird eingefroren."
Drohung trifft Wahlkreis von Angela Merkel
Damit wird erstmals ein Fall öffentlich bekannt, in dem sich Sanktionen direkt gegen ein deutsches Unternehmen richten. Besonders brisant: Der Fährhafen gehört zu 90 Prozent der Stadt Sassnitz und zu 10 Prozent dem Land Mecklenburg-Vorpommern.
Damit richtet sich die Drohung indirekt auch gegen eine Landesregierung. Zusätzliche Brisanz erhält sie dadurch, dass der Hafen Sassnitz-Mukran auf Rügen im Wahlkreis von Bundeskanzlerin
Der Hafen spielt eine zentrale Rolle beim Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die aus Russland kommend in Lubmin am Greifswalder Bodden anlanden soll. In Sassnitz lagern die für die Fertigstellung benötigten Stahlrohre, die in einer Fabrik in Mukran mit Beton ummantelt wurden.
Pipeline ist zu 94 Prozent fertig gebaut
Zudem liegt dort das Verlegeschiff der russischen Firma Gazprom, die "Akademik Tscherski", das zusammen mit dem russischen Schiff "Fortuna" den Pipeline-Bau vollenden soll. Im Stadthafen Sassnitz hat ausserdem ein Wohnschiff für rund 140 Arbeiter festgemacht. Es wird vermutet, dass sie mit dem Weiterbau der Gastrasse zu tun haben.
Es fehlen noch gut 150 Kilometer der insgesamt 2.360 Kilometer langen beiden Stränge der Pipeline. Das Projekt ist also zu 94 Prozent vollendet. Im Dezember 2019 waren die Bauarbeiten vor der dänischen Insel Bornholm abrupt gestoppt worden, weil die beiden Schweizer Verlegeschiffe wegen der ersten Sanktionswelle der USA ihre Arbeit einstellten.
Jetzt sollen die zwei russischen Schiffe übernehmen. Eine Genehmigung der dänischen Behörden dafür ist seit Anfang der Woche in Kraft. Noch haben sich die Schiffe aber nicht auf den Weg nach Bornholm gemacht. Der Brief der Senatoren könnte aber mit der dänischen Genehmigung in Zusammenhang stehen.
Trump wettert seit Jahren gegen Nord Stream 2
US-Präsident
Kritiker werfen ihm vor, die Pipeline nur verhindern zu wollen, um mehr amerikanisches Flüssiggas in Europa verkaufen zu können.
Trump hatte Ende 2019 erste Strafmassnahmen gegen bestimmte Unternehmen ermöglicht, die am Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind. Die betrafen aber vor allem die Verlegeschiffe.
Mitte Juli drohte US-Aussenminister Mike Pompeo mit einer Ausweitung der Sanktionen unter dem CAATSA-Gesetz ("Countering America's Adversaries through Sanctions"), die auch deutsche Unternehmen treffen könnten.
Seitdem wird von US-Seite massiver Druck auf die Unternehmen ausgeübt, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, das eigentlich Anfang 2021 vollendet werden soll.
USA führen sich auf "wie eine Besatzungsmacht"
Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft fordert schon seit längerem harte Gegenmassnahmen. Nach der neuen Sanktionsdrohung bekommt er weitere Unterstützung aus der Politik.
"Diese Drohungen sind absolut inakzeptabel. Deutschland kann selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie bezieht", sagte Schwesig dem Berliner "Tagesspiegel".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Schneider, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Die ultimative Drohung einer befreundeten Nation gegenüber einem Hafen auf Rügen mit der wirtschaftlichen Zerstörung hat eine ganz neue, nicht akzeptable politische Qualität." Der Brief der Senatoren trage eine "neo-imperialistische Handschrift".
Einige mögliche Gegenmassnahmen sind schon im Gespräch. Schneider regt Klagen vor US-Gerichten an und forderte weitere "intelligente Gegenmassnahmen" ohne konkreter zu werden. Trittin ist für Sanktionen gegen den Import von Fracking-Gas aus den USA. Die AfD regt die Streichung von Russland-Sanktionen an.
Der Vize-Fraktionschef im Bundestag und Landesvorsitzende in Mecklenurg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, forderte zudem eine verbindliche Garantie aus Berlin, "dass die Pipeline fertig gebaut wird, egal was die USA machen". Die USA führten sich auf "wie eine Besatzungsmacht".
Der Hafen selbst äusserte sich zu dem Brief der Senatoren nicht. Ein Sprecher sagte, es werde erwartet, dass Bundesregierung und Landesregierung aktiv werden. (dpa/thp)
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