China ist eines der wenigen Länder mit Einfluss auf das abgeschottete Nordkorea und dessen Machthaber Kim Jong Un. Doch momentan herrscht Eiszeit zwischen den Verbündeten. Wird der Diktator damit noch unberechenbarer?
Erst hat Nordkoreas Machthaber eine Reise nach Moskau abgesagt. Nun hat er auch noch die chinesischen Verbündeten vor den Kopf gestossen. Am 3. September feiert China den 70. Jahrestag des Zweiten Weltkrieges. Kim Jong Un steht eigentlich auf der Gästeliste. Doch auf die Frage, ob er teilnehme, sagte ein nordkoreanischer Beamter nur: "Er ist sehr beschäftigt."
Es ist ein weiterer Tiefschlag für die Beziehung zwischen den beiden Ländern. Eigentlich sind sie engste Verbündete. 1961 unterzeichneten die Nachbarn einen Freundschaftsvertrag, der sie verpflichtet, sich im Konfliktfall gegenseitig Beistand zu leisten. Damit ist Nordkorea der einzige formelle Bündnispartner Chinas. Gleichzeitig hat das international weitgehend isolierte Land die chinesische Regierung zuletzt immer wieder vor den Kopf gestossen.
Nordkorea kann ohne China kaum existieren
Zuletzt hatte sich das Verhältnis zwischen China und Nordkorea vor allem aus zwei Gründen abgekühlt: Zum einen hat Nordkorea immer wieder Raketentests durchgeführt - trotz chinesischer Friedensbemühungen wie den sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche, die für eine nuklearwaffenfreie koreanische Halbinsel sorgen sollten. Zum anderen drängt China auf wirtschaftliche Reformen, um die Unterstützung für das Land reduzieren zu können. Doch Kim liess einen wichtigen Fürsprecher der Reformen hinrichten: seinen Onkel Chang Song Taek.
Verliert China durch die Absage der Reise nach China durch nun endgültig Einfluss auf das Land? Wird Kim unberechenbar? Für Hans-Joachim Schmidt, Nordkorea-Experte der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, ist klar: "Wenn
Tatsächlich kann es sich Nordkorea nicht leisten, China endgültig zu verprellen. "Das Land hängt am chinesischen Tropf", sagt Schmidt. Laut einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik sichert Öl aus dem Nachbarland bis zu 90 Prozent der nordkoreanischen Energieversorgung. Zudem würden 80 Prozent der Konsumgüter und 45 Prozent der Nahrungsmittel aus China stammen.
Warum reist Kim Jong Un nicht nach China?
Für Schmidt haben die aktuellen Äusserungen aus Nordkorea ohnehin einen anderen Hintergrund: "Kim Jong Uns Macht scheint noch nicht soweit gefestigt, dass er sich Auslandsreisen ohne Risiko erlauben kann. Er befürchtet womöglich einen Aufstand eines Teils der Elite, wenn er das Land verlässt." Diese Schwäche sei es, die ihn noch unberechenbarer mache als seinen Vater. "Die Gefahr, dass deshalb Konflikte stärker eskalieren, ist nicht auszuschliessen", sagt Schmidt.
Trotz solcher Provokationen sei es unwahrscheinlich, dass sich China komplett von Nordkorea abwendet, sagt Experte Schmidt. "China hat kein Interesse daran, dass das Land zusammenbricht. Es dient als Puffer gegenüber der Demokratie in Südkorea und den dort stationierten US-amerikanischen Truppen."
Ausserdem steht schon der nächste Verbündete parat: Russland ist gerade dabei, die Beziehungen und den Handel in die Region voranzutreiben.
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