- Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) könnte Pjöngjang einen Atomwaffentest vorbereiten, obwohl UN-Resolutionen das ausdrücklich verbieten.
- Vermehrte Raketentests hatten zuletzt die Spannungen weiter erhöht. Die USA warnen bereits seit Wochen vor einem neuen Atomtest.
- Was dahinterstecken könnte.
Die Gefahr vor einer atomaren Eskalation war zuletzt immer wieder im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg diskutiert worden. "Wird Putin, wenn er sich provoziert fühlt, zu Atomwaffen greifen?", lautete die viel gestellte Frage. Die meisten Beobachter halten dabei die Gefahr eines Atomschlags seitens Russlands für überschätzt.
Nun aber ruft sich eine andere Atommacht ins Gedächtnis: Nordkorea. Am vergangenen Sonntag meldete das Nachbarland Südkorea erneute Raketentests. Ungeachtet internationaler Sanktionen habe Pjöngjang acht ballistische Kurzstreckenraketen vor seiner Ostküste abgeschossen, die im Japanischen Meer landeten.
Nordkorea macht so viele Raketentests wie nie zuvor
Damit hat Nordkorea allein in diesem Jahr mehr Raketentests vorgenommen als in allen Jahren zuvor. Zuletzt hatte die US-Regierung neue Sanktionen gegen das Regime verhängt, nachdem es Ende Mai drei Raketen, darunter vermutlich auch seine grösste Interkontinentalrakete, abgeschossen hatte. Zuvor hatte Nordkorea in diesem Jahr bereits mehr als 20 Raketentests vorgenommen.
Angesichts dessen werden die Warnungen der USA lauter, Nordkorea plane einen neuen Atomwaffentest. Zuletzt war das 2017 der Fall. Aussagen von nordkoreanischen Regierungsvertretern könnten "auf den Einsatz taktischer Atomwaffen hindeuten", sagte der US-Sondergesandte für Nordkorea, Botschafter Sung
Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sieht nach Beobachtung der unterirdischen Testanlage Punggye-ri im Norden des Landes Hinweise dafür. So sei ein Stollen wieder geöffnet worden, berichtete IAEA-Chef Rafael Grossi in Wien. Aktivitäten, wie sie auch vor vergangenen Atomtests stattgefunden haben sollen.
Auf Satellitenaufnahmen will die Atombehörde auch Hinweise in Anlagen in Yongbyon, den vermutlich grössten kerntechnischen Anlagen des Landes, gefunden haben. In der Vergangenheit wurde hier Plutonium hergestellt. Die Uno meldete bereits im vergangenen Jahr, Nordkorea habe dort den Reaktor zur Herstellung von atomwaffentauglichem Material wieder in Betrieb genommen.
"Die Fortführung des nordkoreanischen Atomprogrammes ist eine eindeutige Verletzung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und sehr bedauerlich", sagte der IAEA-Chef. Dem weithin isolierten Nordkorea sind Tests mit ballistischen Raketen jeglicher Reichweite durch UN-Resolutionen untersagt.
Schärfere Sanktionen gegen Nordkorea scheitern bisher am Veto von Russland und China
Im UN-Sicherheitsrat scheitern schärfere Sanktionen gegen das Regime von Kim Jong Un aber immer wieder, weil China und Russland ihr Veto einlegen. Die letzte Einigung war im Jahr 2017 erzielt worden.
Damals hatte das höchste UN-Gremium in einer achten Resolution unter anderem Exportverbote für Kohle, Eisen, Eisenerz, Blei, Bleierz sowie Fisch und Meeresfrüchte beschlossen, wodurch Nordkorea Einnahmen in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar entzogen werden sollten. Ausserdem waren weitere Personen und Organisationen auf die Schwarze Liste der UN gesetzt worden.
In der aktuellen Lage scheiterten die USA mit einem Vorstoss zu schärferen Massnahmen. Ohnehin hat bisher noch keine der verhängten Sanktionen Wirkung gezeigt. Auch Donald Trump, Joe Bidens Vorgänger, hatte mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erfolglos über eine nukleare Abrüstung verhandelt.
In Reaktion auf die neuen Raketenstarts des nordkoreanischen Militärs feuerten Südkorea und die USA nun acht ballistische Kurzstreckenraketen ins offene Meer ab und liessen Kampfflugzeuge des Typs F-35A und F-16 über das Gelbe Meer fliegen.
Damit habe man die gemeinsamen Fähigkeiten vorführen wollen, jeder Provokation Nordkoreas "schnell und präzise" begegnen zu können, teilte Südkoreas Generalstab mit. Die beiden Länder hatten nur einen Tag zuvor ihre ersten gemeinsamen Militärübungen seit mehr als vier Jahren in Gewässern vor der japanischen Insel Okinawa abgeschlossen.
Kim Jong Un hatte solche Manöver immer wieder als Übung für einen Einmarsch in sein Land kritisiert. US-Vizeaussenministerin Wendy Sherman warnte die Führung in Pjöngjang nun eindringlich vor weiteren Atomtests.
"Es würde eine schnelle und energische Antwort auf solch einen Test geben", sagte sie laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap nach Gesprächen mit ihrem Kollegen Cho Hyun Dong. Dazu, wie eine solche Reaktion konkret ausfallen könnte, gibt es keine Angaben.
Was hinter den vermehrten Raketentests stecken könnte
Die USA haben in Südkorea als Abschreckung gegen Nordkorea 28.500 Soldaten stationiert. Nach Einschätzung von Experten will Pjöngjang sein Raketenarsenal modernisieren. Nach diplomatischen Erkenntnissen verfügt Nordkorea sowohl über Atombomben als auch über ballistische Raketen, hat es aber bislang nicht geschafft, die Technologien zusammenzuführen.
Experten meinen, Kim Jong Un könnte mit einem Atombombentest zum einen den Druck auf die USA erhöhen wollen, damit sie konkrete Vorschläge für neue Verhandlungen macht und zum anderen seine Bevölkerung von den schweren Folgen des Corona-Ausbruchs ablenken.
Botschafter Sung Kim hatte trotz der jüngsten Raketentests die Gesprächsbereitschaft bekräftigt. Die USA hegten "keine feindlichen Absichten" gegenüber der Volksrepublik, sagte er in einer Telefonschalte mit Journalisten.
"Wir sind zu einem Treffen ohne Vorbedingungen bereit und fordern die DPRK auf, ernsthafte und nachhaltige diplomatische Bemühungen zu unternehmen", so Kim weiter.
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