Nordkoreas Diktator Kim Jong Un hält mit Atomwaffentests die Welt in Atem. Die Sorge vor einer militärischen Auseinandersetzung mit Südkorea und den USA wächst. Was bedeutet die Situation für die Menschen vor Ort? Eine junge Südkoreanerin erzählt von der Stimmung in Seoul.

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Die Journalistin Kyung-Min Ko hat selbst einige Jahre in Deutschland gelebt. Derzeit wohnt die 34-Jährige in Seoul. Die Hauptstadt Südkoreas mit knapp zehn Millionen Einwohnern liegt nur 50 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt.

Der Metropole wurde von Kim Jong Un schon mehrfach mit Vernichtung gedroht. Trotz UN-Sanktionen lässt sich der Diktator nicht von Raketentests abbringen.

Im Alltag von Seoul ist von den jüngsten Provokationen aus Pjöngjang dennoch wenig zu spüren.

"Niemand redet darüber", sagt Min im Gespräch mit diesem Portal. Kaum einer glaube wirklich an Krieg, auch wenn die Medien natürlich viel darüber berichten würden. Die Bedrohung werde eher verdrängt, in den sozialen Medien würden Witze verbreitet.

Kim Jong Un und Donald Trump – zwei unberechenbare Führer

Dennoch lassen sich nach dem sechsten Atombombentest von Nordkorea die Sorgen nicht so leicht abschütteln.

"Direkt danach hatte ich Angst", meint Min. Sie erzählt, dass mehrere Freunde und Familienmitglieder sich einen Notvorrat an Instant-Ramennudeln und Schokolade gekauft hätten. In den Augen vieler Südkoreaner sei die Kombination aus zwei unberechenbaren Führern, Kim Jong Un in Nordkorea und Donald Trump in den USA, besonders gefährlich.

Jeden Monat werden in Südkorea Notfall-Übungen durchgeführt. Wenn die Sirenen heulen, sind die Bürger verpflichtet, anzuhalten und auf Anweisungen zu warten. Für Touristen gibt es eine englischsprachige App mit Informationen zu den nächsten Notaufnahmen und Notunterkünften, informiert das Auswärtige Amt auf seiner Seite.

Min hat diese oder eine ähnliche App nicht installiert und auch noch nichts davon gehört. Auch von den Notfallmassnahmen ihres Landes hält sie nicht viel. Ihrer Meinung nach hat Japan ein besseres Katastrophensystem.

Der Korea-Konflikt gehört zum Alltag in Südkorea

Angesprochen auf die Militärübungen von Südkorea und USA an diesem Montag winkt sie ab. "Werbung", nennt es Min. Sie seien eine übliche Reaktion auf die Provokationen aus Pjöngjang und sollen Stärke demonstrieren.

Der Konflikt mit dem Norden begleitet die Südkoreaner schon ihr ganzes Leben. Min erinnert sich an die eigene Schulzeit, in der je nach aktueller Regierung mal die Feindschaft mit dem kommunistischen Nordkorea, mal die Hoffnung auf Versöhnung und Wiedervereinigung betont wurden.

Die Wechsel in der Politik, zwischen Liberalen und Konservativen, spiegeln die Haltung zum Nachbarn wider. Die Verbrechen des Korea-Krieges habe vor allem die ältere Generation nicht vergessen, so Min. Trotzdem werden die Nordkoreaner auch als Angehörige desselben Volkes angesehen.

Der aktuelle liberale Präsident Moon Jae-in ist erst seit Mai im Amt, nachdem seine konservative Vorgängerin Park Geun-hye unter Korruptionsverdacht geriet und schliesslich des Amtes enthoben wurde. Der frühere Menschenrechtsanwalt plädierte im Wahlkampf für Dialog und Diplomatie sowie engere ökonomische Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea.

Südkorea liegt im politischen Minenfeld

Sein jüngster Vorschlag für humanitäre Hilfe in Millionenhöhe für die Menschen in Nordkorea hat ihm in seiner Heimat allerdings starke Kritik angesichts der aktuellen Lage eingebracht.

Das Kernproblem: Die Koreaner fühlen sich als Spielball der grossen Mächte. Militärisch sind sie abhängig von den USA, politisch stehen sie im Minenfeld zwischen China, Russland, Nordkorea, Japan und den USA. Im aktuellen Konflikt haben sie kaum Mitspracherecht. Wie ein "Hund der USA" komme sich Südkorea manchmal vor, drückt Min das Gefühl der Ohnmacht aus.

Immer wieder gebe es deswegen Diskussionen, ob China ein besserer Verbündeter wäre als die USA. Allerdings gerät Südkorea mit seinem wichtigsten Wirtschaftspartner ebenfalls immer wieder in politische Auseinandersetzungen.

Olympia sei dagegen noch gar kein Thema. Min reagiert erstaunt, als sie erfährt, dass in Europa darüber diskutiert wird, ob die Sportler und Funktionäre überhaupt zu den Spielen in Pyeongchang fahren sollten.

Früher war die Bedrohung von Nordkorea realer, meint Min noch. Agenten verübten mehrfach Attentate, wie die Bombe des nordkoreanischen Geheimdienstes auf ein südkoreanisches Passagierflugzeug 1988. Heute fühlt sich die Gefahr eher abstrakt an.

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