Vor drei Jahren starb Nordkoreas "geliebter Führer" Kim Jong Il. Rund 17 Jahre herrschte er über das arme Land - nur drei Jahre bisher der Sohn Kim Jong Un. Reicht das, um den gross angekündigten Wandel zu schaffen? Unterscheidet sich Kim Jong Uns Politik überhaupt von der seines Vaters?

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Es waren ungeahnt grosse Versprechen, die Anfang 2013 aus Nordkorea tönten. Einen "radikalen Wandel" kündigte Kim Jong Un in seiner Neujahransprache an, ein Jahr "grosser Schöpfungen und Veränderungen" stehe dem Land bevor. Die Welt staunte über den jungen Diktator, der in der Schweiz zur Schule gegangen und gerade einmal ein Jahr im Amt war. Ein Umschwung in Nordkorea?

Das passte so gar nicht in das Bild, das sein Vater Kim Jong Il und zuvor sein Grossvater Kim Il Sung über Jahrzehnte aufgebaut hatten. Denn seit dem zweiten Weltkrieg herrscht die Kim-Dynastie in Nordkorea, nun in dritter Generation. Sie hat den Staat abgeriegelt wie keinen zweiten auf der Erde, ihre Juche-Ideologie (auch: Chuch'e) propagiert Eigenständigkeit in allen Teilen des Lebens.

Kim Jong Un versteht sich auf PR-Arbeit

Tatsächlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als ob sich wirklich etwas verändert hat in Nordkorea. Etwa wenn Kim Jong Un regelmässig mit seiner Ehefrau auftritt, die sogar High Heels trägt. Wenn er den Ex-Basketballer Dennis Rodman trifft und beide für die Fotografen blödeln. Wenn er Vergnügungsparks bauen lässt oder einfach für mehrere Wochen komplett verschwindet, nur um plötzlich wieder aufzutauchen.

Der junge Kim hebt sich damit von seinem Vorgänger ab, der für das Volk eher unantastbar war. "Er ist ganz eindeutig seinem Grossvater ähnlicher: Er trägt die gleiche Kleidung, den gleichen Strohhut. Kim Jong Un wird als jugendlicher, kraftvoller Führer dargestellt, der sich besonders volksnah zeigt", sagte Rüdiger Frank im Interview mit der "Wirtschaftswoche". Frank hat in den 1990er-Jahren in Nordkorea studiert, heute ist er Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Universität Wien und reist noch immer regelmässig nach Asien.

Beobachter sprechen von einer wirtschaftlichen Öffnung

Das Ziel scheint klar: Kim will den Lebensstandard im Land verbessern und damit seine Macht festigen. Aber was kommt vom schönen Schein bei der Bevölkerung an? Seit Jahrzehnten gibt es keine offiziellen Statistiken aus Nordkorea. Die Zentralbank von Südkorea schätzt in ihrem Jahresbericht, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2013 zum dritten Jahr in Folge gewachsen sei - um 1,1 Prozent auf 33,3 Milliarden US-Dollar. Bereits 2012 war es um 1,3 Prozent gestiegen.

Von dem "wirtschaftlichen Riesen", den Kim angekündigt hatte, ist Nordkorea damit zwar noch weit entfernt. Auch war das BIP schon früher mitunter gewachsen. Doch Beobachter berichten vermehrt von einer wirtschaftlichen Öffnung des Landes: Neubauten schiessen aus dem Boden, die Infrastruktur wird modernisiert, Sonderwirtschaftszonen sollen entstehen, Nordkorea umwirbt ausländische Investoren auf Konferenzen. Auch Touristen können sich freier bewegen.

Nordkorea könnte bis 2016 rund 20 Atomsprengköpfe haben

Dennoch kann das nicht über eine andere, dunkle Seite hinwegtäuschen, die Kim Jong Un von seinem Vater übernommen hat: das nukleare Erbe. Denn Kim Jong Il brachte Nordkorea die Kernwaffen, 2006 und 2009 liess er Atombomben testen. Der junge Diktator steht ihm hier in nichts nach: 2013 - nur einen Monat nach der Neujahrsrede - zündete auch Kim Jong Un seine erste Bombe. Seitdem werden Pjöngjangs Staatsmedien nicht müde, mit weiteren Versuchen zu drohen - etwa einer "neuen Form von Atomtest zur Stärkung der nuklearen Abschreckung".

Siegfried Hecker geht davon aus, dass Nordkorea bis 2016 rund 20 Atomsprengköpfe besitzen könnte. Heckers Wort hat Gewicht, er besichtigte bereits Anlagen in Nordkorea und ist inzwischen Professor in Stanford. Doch auch wenn seine Hochrechnung übertrieben wäre, offensichtlich ist: Kim Jong Un wird das Mittel der nuklearen Abschreckung kaum aufgeben.

Wer hat tatsächlich das Sagen?

Forscher streiten dabei über die Verteilung der Macht im Staat. Die einen glauben, Kim sei nur eine Marionette mächtiger Hintermänner oder des Militärs. Die anderen hingegen sagen, er habe einfach ein paar Aufgaben aufgeteilt, treffe aber weiter alle wichtigen Entscheidungen.

So oder so, an der aggressiven Militär-Rhetorik hat sich nichts geändert. Vergangenen Monat kündigte die Vollversammlung der Vereinten Nationen an, Nordkorea vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Ein Uno-Bericht hatte zuvor die Menschenrechtsverletzungen des Landes angeprangert: Zehntausende Menschen sind in Arbeitslagern eingesperrt, Folter und Hinrichtungen sind weiterhin Mittel des Regimes, um seine Macht zu sichern. Auch seinen Onkel Chang Song Taek liess Kim hinrichten.

Und wie reagierte Nordkorea auf die Ankündigung der Uno? Mit der Androhung eines weiteren Atomtests.

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