Nach der Ausweitung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea droht das Regime in Pjöngjang den USA und Südkorea unverhohlen mit Krieg. Was steckt hinter dem martialischen Säbelrasseln aus Pjöngjang und wie stark ist die Armee des erst 30-jährigen Diktator Kim Jong Un wirklich?

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Die USA hatten in den vergangenen beiden Wochen als Demonstration der Stärke Langstreckenbomber, Tarnkappenbomber und Jagdflieger zu Manövern nach Südkorea geschickt. Unterstützend entsandte Washington einen mit Raketen bestückten Zerstörer in das Konfliktgebiet. Nun teilt das Verteidigungsministerium mit, dass zur Überwachung möglicher Raketenstarts aus Nordkorea die Radarplattform SBX-1 näher an die nordkoreanische Küste geschickt werde: Die USA handeln, doch insgesamt wirkt die Reaktion der grössten Militärmacht der Geschichte noch recht verhalten angesichts der Drohungen mit einem atomaren Angriff aus Pjöngjang.

Experten sind sich einig, dass eine militärische Auseinandersetzung auf der koreanischen Halbinsel zumindest nicht unmittelbar bevorsteht. Obwohl Nordkorea in der vergangenen Woche den Kriegszustand mit Südkorea ausgerufen hatte, zeigen US-Spionagesatelliten keine besonderen Truppenbewegungen in Nordkorea - diese wären aber eine unabdingbare Vorrausetzung für einen Angriff auf Südkorea. Offenbar ist sich die Führung in Pjöngjang ihrer militärischen Unterlegenheit bewusst. Trotz 1,2 Millionen Männern und Frauen unter Waffen - eine der zahlenmässig grössten Armeen Asiens - gilt Nordkoreas Militär als wenig schlagkräftig, was auch der desolaten wirtschaftlichen Lage geschuldet ist. Ein Angriff mit konventionellen Waffen auf Südkorea erscheint vor diesem Hintergrund äusserst unwahrscheinlich.

So glaubt auch der Korea-Experte Werner Pfennig von der Freien Universität Berlin nicht an eine direkte Kriegsgefahr. Die aktuelle Situation könne aber sehr wohl zu einer "sehr gefährlichen Lage" führen - durch Zufall, durch Unachtsamkeit oder durch die Kurzschlussreaktion eines Feldkommandeurs. "Die Gefahr ist, dass es zu einem Schusswechsel kommt, der dann weiter eskaliert. Hoffentlich treffen dann die USA und China Vorsorge, damit das nicht ausser Kontrolle gerät", sagte der Wissenschaftler der Nachrichtenagentur dpa. Auch August Pradetto, Professor für Politikwissenschaft an der Bundeswehr-Universität in Hamburg, sieht die grösste Gefahr in den derzeitigen Manövern der USA und Südkoreas, bei denen "etwas von beiden Seiten Unbeabsichtigtes" passieren könne. "Der Grossteil der Manöver wird in Kürze zu Ende gehen. Danach wird sich die Situation vermutlich wieder beruhigen - wenn vorher keine Zwischenfälle passieren", sagte er der Deutschen Welle.

Gibt es eine Gefahr für Deutschland?

Zu einer möglichen Gefahr für Deutschland sagte Pfennig: "Wir müssen uns keine direkten Sorgen machen. Bei uns werden keine Granaten und Raketen einschlagen. Aber Nordkorea liegt in Asien in der Mitte eines dynamischen Wirtschaftsraums. Wenn es dort zu einer gefährlichen Situation kommt, wird das die Wirtschaftsentwicklung in Bereichen wie Computer, Chipherstellung, Speicherkapazitäten negativ verändern. Und es könnte auch Auswirkungen auf den Währungsbereich haben."

Bleibt die Frage, warum das Regime in Pjöngjang sich mit seiner Propaganda so weit aus dem Fenster lehnt, obwohl es einen Krieg kaum riskieren kann. Pradetto sieht hier vor allem innenpolitische Gründe: Der junge Diktator Kim Jong Un, der seit rund einem Jahr an der Macht ist, müsse sich noch beweisen - gegenüber seinem Militär, aber vor allem gegenüber seinen Landsleuten. Kim wolle sich als "Hüter und Beschützer der nordkoreanischen Nation" profilieren, so Pradetto. Und in einem totalitärem Staat wie Nordkorea funktioniert das vermutlich auch - schliesslich sind die Nordkoreaner von der Weltöffentlichkeit abgeschottet und auf die staatlichen Medien angewiesen.

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