In Österreich scheiterten am vergangenen Mittwoch die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Nun sollen SPÖ und NEOS noch einmal versuchen, mit der ÖVP eine Regierung zu bilden. Es wäre die letzte Chance – sonst drohen sehr wahrscheinlich Neuwahlen.
Nun hat es doch nicht geklappt. Die vergangenen Wochen war Österreich immer wieder als Negativbeispiel bemüht worden. Etwa dann, wenn es darum ging, dass die Rechtspopulisten und in Teilen sogar Rechtsextremisten an die Macht kommen, wenn die Parteien der Mitte nicht mehr in der Lage sind, miteinander zu reden und Koalitionen zu bilden.
Oft wurde auch kritisiert, dass die ÖVP sich zum Steigbügelhalter der FPÖ mache und nun einem rechtsextremen Kanzler Herbert Kickl ins Amt verhelfe. Doch all das ist zunächst einmal Vergangenheit. Am vergangenen Mittwoch erklärten ÖVP und FPÖ ihre Gespräche für gescheitert.
FPÖ kritisiert ÖVP
Die ÖVP hingegen kritisierte, dass die FPÖ überzogene und nicht zustimmungsfähige Forderungen gestellt habe. Die Partei um Parteichef Kickl wollte demnach etwa EU-Recht nach Belieben nicht befolgen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk marginalisieren.
Warum scheiterten die Verhandlungen?
Laut Politikwissenschaftler und Verfassungsjurist Klaus Poier von der Universität Graz war das Aus bei den Verhandlungen vorab wenig absehbar, genauso wenig wie das Scheitern der ursprünglichen Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS. Die politische Landschaft habe sich in den vergangenen Monaten stark verändert, so, dass auch politische Beobachter von den Entwicklungen überrascht worden sind.
Allerdings kann Poier einen Einfluss durch die US-Politik erkennen. So sei in den USA zu beobachten, dass radikale und rechtsnationale Politik ohne Rücksicht auf Verluste möglich sei. "Das Beispiel von Donald Trump in den USA könnte für die FPÖ ein Grund gewesen sein, in einigen Punkten hart zu bleiben – etwa beim EU-Recht."
2017 wäre der Koalitionsvertrag, wie er nun ausgehandelt wurde, für die FPÖ wahrscheinlich noch annehmbar gewesen, so Poier. Heute wähnen sich hingegen Rechtspopulisten und Rechtsextreme weltweit auf der Gewinnerseite und versuchen es mit Maximalforderungen.
Wie geht es weiter?
Nun stehen verschiedene Möglichkeiten im Raum. Zunächst einmal soll geprüft werden, ob eine Koalition zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS möglich ist. Die Koalitionsverhandlungen waren in dieser Zusammensetzung zwar im Januar gescheitert, aber nun sei erheblich mehr Druck durch Medien und den Bundespräsidenten Alexander van der Bellen entstanden, der die Verhandlungspartner zu einer Einigung drängt, so Politikwissenschaftler Poier.
"Der Schlüssel wird bei den Sozialdemokraten liegen. Eine Koalition ohne sie geht nicht", so Poier. Selbst bei einer Minderheitsregierung müsste die SPÖ die Regierung stützen. Die SPÖ müsse sich daher am meisten bewegen und Abstriche bei den eigenen Vorstellungen machen, etwa bei der angestrebten höheren Besteuerung für Banken. Daran waren ursprünglich die Verhandlungen mit der ÖVP unter anderem gescheitert. Für eine Bankenabgabe gebe es in Österreich aber ohnehin keine Mehrheit innerhalb der Bevölkerung, so Poier.
Wer profitiert von Neuwahlen?
Sollten auch diese Verhandlungen aber im Nichts verlaufen, so wäre noch eine Minderheitsregierung oder eine Expertenregierung denkbar. Das hatte zumindest Bundespräsident van der Bellen ins Spiel gebracht. Wie das konkret aussehen kann, ist noch unklar. Sollten aber alle anderen Optionen scheitern, wären dann nur noch Neuwahlen möglich.
Die FPÖ hatte in der Vergangenheit auf Neuwahlen spekuliert, verbunden mit der Hoffnung, vom Tief der ÖVP in den Umfragen nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen mit SPÖ und NEOS zu profitieren. Allerdings ist Politikwissenschaftler Poier hier skeptisch und erklärt, dass die FPÖ ihr Ergebnis wohl kaum so deutlich verbessern würde, wie sie es sich erhofft – auch wenn ein Wahlsieg der FPÖ nach wie vor denkbar ist.
Aber selbst wenn die FPÖ wieder mit einer relativen Mehrheit gewinnt, an der jetzigen Situation würde das Ergebnis wenig ändern. Denn eine Regierungsbeteiligung mit der FPÖ oder gar einen FPÖ-Kanzler Kickl hat das Aus bei den Gesprächen mit der ÖVP eher unwahrscheinlicher gemacht, so Poier: "Wenn es jetzt nicht geklappt hat, warum sollte sich das dann nach Neuwahlen ändern?"
Über den Gesprächspartner
- Klaus Poier ist Politikwissenschaftler, Verfassungsjurist und Universitätsprofessor am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Universität Graz.
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