Kaum hat Ungarn den EU-Ratsvorsitz inne, geht Regierungschef Orban auf Reisen - unter anderem zu Putin, Xi und Trump. "Friedensmission" nennt er das. Die EU-Kommissionschefin zieht nun Konsequenzen.
EU-Kommissionspräsidentin
Orbans "Friedensmission"
Hintergrund der Entscheidung von der Leyens ist eine mit der EU nicht abgestimmte Auslandsreise von Ungarns Regierungschef Viktor Orban wenige Tage nach dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Orban hatte dabei in Moskau Kremlchef
Die Reisen stiessen auf grossen Unmut in der EU - vor allem, weil der Kreml den Moskau-Besuch für seine Propaganda ausschlachten konnte und Orban bei der Reise in der Ukraine-Politik nicht klar die EU-Position vertrat.
Die Europäische Kommission machte mehrfach klar, dass Orban nicht im Namen der Staatengemeinschaft unterwegs sei. Auch aus dem Auswärtigen Amt kam deutliche Kritik. "Das sind ungarische Alleingänge, die wir mit grosser Verwunderung und Skepsis zur Kenntnis nehmen", sagte ein Sprecher in der Bundespressekonferenz in Berlin am vergangenen Freitag. Orban spreche auf diesen Reisen ausschliesslich für sich selbst - und nicht für die Europäische Union. Zu möglichen Konsequenzen sagte der Sprecher, man müsse sehen, wie die ungarische Ratspräsidentschaft weiter laufe. "Sie hat schon grossen Flurschaden hinterlassen."
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Manche Länder zogen bereits Konsequenzen
Litauen und Schweden kündigten als Reaktion auf die Alleingänge Orbans zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft bereits an, vorübergehend keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn schicken. Das ungarische Vorgehen sei schädlich und müsse Konsequenzen nach sich ziehen, erklärte Schwedens derzeitige EU-Ministerin und designierte EU-Kommissarin Jessika Roswall. Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen wollen Roswalls Angaben zufolge ähnlich auf das ungarische Vorgehen reagieren.
Derzeit wird zudem in Brüssel diskutiert, ob ein eigentlich für Ende August in Budapest geplantes informelles EU-Aussenministertreffen nicht nach Brüssel verlegt werden sollte. Eine Entscheidung könnte beim letzten regulären EU-Aussenministertreffen vor der Sommerpause am kommenden Montag von EU-Chefdiplomat Josep Borrell getroffen werden. Er sitzt den EU-Aussenministertreffen vor und ist auch dafür zuständig, dazu einzuladen.
Entscheidung kommt kurz vor Abstimmung im EU-Parlament
Die Entscheidung der EU-Kommission erfolgt wenige Tage vor der Abstimmung über eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen im Europäischen Parlament. Europäische Parteienfamilien wie die Sozialdemokraten, Grüne und Liberale hatten sie in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, einen härteren Kurs gegenüber Ungarn einzuschlagen. Auf die Stimmen aus diesem Lager ist von der Leyen bei der Wahl am Donnerstag angewiesen.
Ungarn hat seit Anfang des Monats für ein halbes Jahr turnusmässig die EU-Ratspräsidentschaft inne. Das Land bereitet in dieser Rolle unter anderem Treffen der Fachministerinnen und -minister vor. Bei diesen informellen Treffen kommen in der Regel die jeweiligen Ressortchefs aus den 27 EU-Ländern zusammen. Auch der fachlich zuständige EU-Kommissar nimmt für gewöhnlich an dem Treffen teil.
Entrüstung in Budapest
Ungarns Regierung reagierte verärgert auf die Boykott-Entscheidung. "Die EU-Kommission kann sich nicht Institutionen und Minister aussuchen, mit denen sie kooperieren will. Sind alle Beschlüsse der Kommission nun auf politische Erwägungen gegründet?", schrieb Ungarns Minister für EU-Angelegenheiten, Janos Boka, bei X. (dpa/br)
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