Geheimnisvolle Briefe, verbale Attacken und Gerüchte um einen Gehirntumor von Papst Franziskus vergiften derzeit das Klima bei der Familiensynode im Vatikan. Es wird klar, dass der Papst viele mächtige Gegner hat. Tobt hinter den Kulissen ein Glaubenskrieg?

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Scheidung und Homosexualität – das sind die heissen Themen derzeit auf der Bischofssynode zu Ehe und Familie in Rom. Die Reformer wollen die Kirche öffnen, die Konservativen fürchten um eine Aushöhlung der katholischen Werte.

"Offiziell sagt man immer, dass man sich sehr gut versteht", sagt der bekannte italienische Vatikan-Experte Marco Politi im Interview. Im September hat er sein neues Buch "Franziskus unter Wölfen – Der Papst und seine Feinde" herausgebracht.

Hinter geschlossenen Türen sehe es in Rom jedoch oft anders aus. "Es gibt ein sehr starkes Zusammenprallen von zwei grundverschiedenen Positionen", meint Politi. Wundern dürfe man sich darüber nicht: "Konflikte sind immer da, wenn es um eine Wende geht."

Papst Franziskus will eine menschlichere Kirche

Papst Franziskus hat seit seinem Amtsantritt viele Kirchenmänner überrascht – und auch verärgert. "Franziskus will aus der Verbotstheologie heraus", sagt Politi, weg von der "Besessenheit über Schlafzimmerprobleme".

Stattdessen fordert er eine lebendige Kirche, die sich in den Dienst der Menschen stellt.

"Der Papst will aber nichts an der Lehre ändern", betont der Vatikan-Experte. Auch Franziskus sei gegen Abtreibung und für die lebenslange Ehe. Er will aber keine Kirche, die "einen Menschen für die Ewigkeit verdammt". Und er wirbt für mehr Zusammenarbeit zwischen Papst und Bischöfen.

Während vor allem die Reformer seine Ideen unterstützen, lehnen seine Gegner Änderungen ab. Sie wollen die Hierarchie erhalten, keine demokratische Kirche.

Kampf zwischen Liberalen und Konservativen

"In Rom symbolisieren ausgerechnet zwei deutschsprachige Kardinäle die verschiedenen Positionen", sagt Vatikan-Experte Politi. So hat der liberale Kardinal Walter Kasper vorgeschlagen, auch Geschiedenen nach einer "Bussperiode" die Kommunion zu geben. Stabile Partnerschaften zwischen Homosexuellen bewertet er positiv – für katholische Verhältnisse eine sehr gewagte Meinung.

Der erzkonservative Kardinal Gerhard Ludwig Müller verurteilt dagegen mögliche Reformen. Er befürchte, dass sich die katholische Kirche "in die Richtung des liberalen Protestantismus" entwickelt, erklärt Politi. Der Glaubensstreit tobt aber nicht nur im Vatikan, er ist auch in Nordamerika, Deutschland, Italien und anderen Ländern zu beobachten.

"Man muss beten, denn ein Kampf ist im Gange"

Vor Beginn der Synode haben die Konservativen einen regelrechten Feldzug geführt. Elf Bischöfe hätten Bücher veröffentlicht, sagt Politi, in der sie ihre Haltung deutlich machen und auf den Ablauf der Synode Einfluss nehmen wollten. Viele Bischöfe nutzen mittlerweile Social Media, haben eigene Blogs und Twitter-Kanäle. Mehr als hundert Bischöfe haben einen Appell an den Papst unterschrieben.

Das Outing des homosexuellen Priesters Krzysztof Charamsa kurz vor Beginn der Synode haben viele Konservative als Provokation empfunden. Das Klima ist so erhitzt, dass Kardinal Kasper seufzte: "Man muss beten, denn ein Kampf ist im Gange."

Schmutzige Gerüchte bei der Familiensynode

Auch während der Synode kam es zu Zwischenfällen. Mehrere Kardinäle haben einen Brief an Franziskus geschrieben. Der genaue Inhalt ist nicht bekannt. Es soll darin aber die Durchführung der Synode kritisiert und Befürchtungen zum Ergebnis geäussert worden sein. Zu den Verfassern sollen Kardinal Müller und der ebenfalls konservative Kardinal Pell aus Australien gehören. "Mit diesem Brief wollten sie den Papst unter Druck setzen", meint Kirchenkenner Politi.

Der als Hardliner bekannte Kardinal Robert Sarah aus Guinea sorgte für einen Eklat, als er den westlichen Liberalismus auf eine Stufe stellte mit Islamismus und Faschismus: "Was Nazifaschismus und Kommunismus im 20. Jahrhundert waren, sind homosexuelle und Abtreibungs-Ideologien des Westens und Islamischer Fundamentalismus heute."

Auch ein Gerücht machte die Runde. Der Papst leide an einem Hirntumor, behauptete eine italienische Zeitung und berief sich auf einen Neurochirurgen und ein geheimnisvolles Dokument. Demnach gebe es einen Maulwurf im Vatikan. Politi geht aber nicht von einem gezielten Manöver aus: "Ich glaube nicht an eine Komplott-Theorie."

Der Heilige Stuhl hat den Bericht scharf dementiert. "Wer Zweifel an der Gesundheit des Papstes anmeldet, hat in Wirklichkeit andere Motive", zitiert Radio Vatikan Kardinal Kasper. "Manche Personen sind nervös angesichts des zu erwartenden Ergebnisses der Synode, ausserhalb wie innerhalb. Übrigens passt dieser Papst einigen nicht, das scheint mir offensichtlich."

Franziskus hat "mächtige Feinde"

Franziskus ist ein politischer Papst, der sich in das Weltgeschehen einmischt. Damit hat er sich aber "mächtige Feinde" gemacht, so Politi – auch ausserhalb des Vatikans.

Zum Beispiel als er eine scharfe Rede gegen die Mafia gehalten hat. Die Terroristen des IS veröffentlichten Videos, in denen der Obelisk auf dem Petersplatz mit er schwarzer IS-Flagge versehen war.

Die Sicherheitskräfte im Vatikan hätten vor allem Angst vor den "einsamen Wölfen", berichtet Politi. Gestörte Einzeltäter, die von dieser Propaganda beeinflusst auf eigene Faust Attentate planen könnten. Der Papst sei aber überhaupt nicht besorgt und reagiere auf Warnungen sehr gelassen.

"Keine generelle Wende"

Am Wochenende endet die Familiensynode, dann wollen die zerstrittenen Kardinäle über ein gemeinsames Papier abstimmen. Man arbeite auf einen Kompromiss hin - es hänge alles vom genauen Wortlaut ab. "Man kann jetzt das Ergebnis noch nicht vorhersagen, aber ganz bestimmt wird es keine generelle Wende geben", glaubt Vatikan-Experte Politi. Dafür seien die Konservativen zu stark.

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