Bei den diesjährigen Wahlen ins Parlament der Fünften Schweiz konnten sich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in zwei Ländern erstmals über das Internet beteiligen. Dabei kam das System des Kantons Genf zum Einsatz.

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Teilnehmende an diesem Urnengang zeigten sich begeistert: In Australien und Mexiko konnte die Auslandschweizer-Community diesen Juni im Rahmen eines Pilotprojekts erstmals elektronisch die Mitglieder des Auslandschweizerrats für ihr Land wählen.

"E-Voting ist die Zukunft, gleichzeitig wurde damit die Wählerbasis enorm verbreitert", schreibt uns Carmen Trochsler aus Adelaide.

Die Kandidatin, die in Australien mit dem besten Resultat in den Auslandschweizerrat gewählt wurde, bringt damit auf den Punkt, was das eigentlich Revolutionäre an diesem Pilotprojekt war: Neu konnten nämlich alle Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer an der Wahl teilnehmen, die ihre E-Mail-Adresse auf der Botschaft hinterlegt hatten.

Revolution für Auslandschweizer

"Ja, das ist eine kleine Revolution für die Auslandschweizer-Organisation", sagt ASO-Co-Direktorin Sarah Mastantuoni. "Bis jetzt wurden die Leute durch die Dachorganisationen gewählt – dort wo es sie gibt –, oder durch die Schweizer Vereine oder direkt durch den Rat, wenn es vor Ort keine Schweizer Vereine gab." Die grössere Wählerbasis führe für die Gewählten zu einer breiteren demokratischen Legitimität, so Mastantuoni.

Die Wahl am Computer selber erlebte Trochsler sehr positiv: "Die vielen Codes im E-Mail waren zwar auf den ersten Blick etwas abschreckend, hingegen war das eigentliche Wählen dann sehr einfach und rasch erledigt."

Roland Isler, Auslandschweizerrat aus dem australischen Melbourne, hatte betreffend Sicherheit keine Bedenken. "Ich habe das Pilotprojekt sehr begrüsst und unterstützt, weil es zukunftsweisend und demokratisch ist und uns Auslandschweizerräte als legitime Vertreter der Auslandschweizergemeinde in Australien bestätigt hat", schreibt er.

Aus zweiter Hand habe er erfahren, dass ein paar ältere Leute schade gefunden hätten, dass es keine Alternative zur Wahl per Internet gegeben habe.

Da es sich um ein Pilotprojekt gehandelt habe, sei nur der elektronische Kanal offeriert worden, weil logistisch nicht mehr möglich gewesen sei, gibt Mastantuoni zu bedenken.

"Aber es ist klar, in Zukunft müsste man sich die Frage stellen, wie man auch ältere Leute, die sich nicht unbedingt in den elektronischen Medien zu Hause fühlen, integrieren kann. Wobei wir denken, dass der Zugang zum Internet in vier Jahren mehr verbreitet sein wird."

Postzustellung ungenügend

Aus Mexiko haben uns Kandidat Patrick Wyss und Wähler Jörg Wiedenbach geantwortet: "Wir haben in Mexiko grosse Probleme mit der Postzustellung und verpassen deshalb praktisch alle eidgenössischen Abstimmungen, weil schlicht und einfach das Material zu spät ankommt. Mit der voll elektronischen Lösung der ASR-Wahlen hat sich dieses Problem gelöst", schreibt Wiedenbach, Direktor der Schweizer Schule in Mexiko.

Auslandschweizerrat Patrick Wyss aus Mexiko-Stadt hofft, dass die elektronische Wahl "für die nächsten Ratswahlen 2021 auf weltweiter Basis angewandt wird".

Die im neuen Auslandschweizer-Gesetz vorgesehene Wahl durch alle Auslandschweizer "kann nur über eine elektronische Art und Weise durchgeführt werden, da eine schriftliche Wahl aus Zeit-, Organisations- und Kostengründen gar nicht möglich wäre".

Wahl mit Genfer System

Für die konkrete Organisation der Wahlen griff die ASO auf die jahrelange Erfahrung des Kantons Genf zurück, der mit seinem System "CHVote" Pionier im Bereich E-Voting ist.

Das Genfer System hat laut Mastantuoni einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Konkurrenzprodukt der Schweizerischen Post: Weil der Anbieter ein Kanton sei, könnten die Adressen der Auslandschweizer ganz einfach mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ausgetauscht werden.

"Die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind die ersten Nutzer dieses Abstimmungskanals. Denn bei offiziellen Abstimmungen nutzen 60 bis 70 Prozent von ihnen diesen Kanal", sagt Valérie Vulliez Boget, Stellvertretende Generalsekretärin der Staatskanzlei der Republik und des Kantons Genf.

"Deshalb hat die Genfer Regierung – im Wissen darum, dass die Auslandschweizer-Organisation diese Wahlen organisieren wollte – vorgeschlagen, mit Hilfe unseres E-Voting-Systems einen Test mit Mexiko und Australien durchzuführen, um zu sehen, wie es läuft."

Die Genfer Staatskanzlei zeigt sich sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit der ASO. "Und wir sind – offensichtlich – erfreut, dass wir zeigen konnten, dass das E-Voting auch im Rahmen eines Vorhabens der Auslandschweizer nützlich sein kann", sagt Philyp Nyffenegger, Direktor Support und Abstimmungsprozesse bei der Genfer Staatskanzlei.

Für die Auslandschweizer biete das E-Voting die Garantie, "dass ihre Stimme auch wirklich fristgerecht angekommen ist", betont Nyffenegger. Die Stärke des Genfer Systems sei, dass es ein öffentliches System sei, "Open Source, und von Spezialisten der politischen Rechte in der Schweiz entwickelt wurde".

"Besser informieren"

Zudem sei die Sicherheit jederzeit sichergestellt, sagt Mastantuoni, da insgesamt drei verschiedene Codes nötig seien und es für jeden Kandidaten einen Kontrollcode gegeben habe, mit dem die Wählenden kontrollieren konnten, ob ihre Wahl am Computer mit der Stimmkarte übereinstimmte.

Mastantuoni zieht eine positive Zwischenbilanz des ersten Pilotversuchs der ASO. Generell hätten mehr Leute kandidiert, als sonst üblich. Man habe aber bemerkt, dass die ASO oder der Auslandschweizerrat im Ausland noch zu wenig bekannt seien.

"Hier haben wir ganz klar eine Aufgabe: Wir müssen die Leute noch besser informieren, die Leute im Ausland erreichen, um zu erklären, was der Auslandschweizerrat ist und warum sie da mitmachen sollen."  © swissinfo.ch

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