Streit mit Legida, der Rücktritt von Lutz Bachmann und bundesweit immer weniger Demonstranten: Pegida scheint auf dem absteigenden Ast zu sein. Dabei versucht die Bewegung gerade, aus der rechten Ecke herauszukommen.
Lügenpresse - dieses Wort vermieden die Pegida-Verantwortlichen zuletzt. Stattdessen traten sie in einen ersten, zaghaften politischen Dialog ein. Die Dresdner Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel war am vergangenen Wochenende bei "Jauch" zu Gast. Am Montag folgte eine Pegida-Pressekonferenz. Die Kernaussage: 'Wir sind nicht radikal, sondern stellen legitime Forderungen. Und darüber wollen wir sprechen.'
Lutz Bachmann hatte Anfang Januar den Pegida-Forderungskatalog von 19 auf sechs Punkte zusammengestrichen. Übrig blieben vor allem gemässigte Forderungen, die auch einige Parteien unterstützen, wie ein neues Zuwanderungsgesetz nach dem Vorbild der Schweiz und Kanadas, mehr Mittel für die Polizei oder Volksentscheide auf Bundesebene. Die Bewegung sollte damit wohl aus der rechten Ecke geführt werden. Doch dies gelang nicht.
An Bachmanns "Stelle werden andere treten"
Ausländerfeindliche Facebook-Posts von Bachmann und ein angebliches Satire-Bild, das ihn in Hitler-Pose zeigt, brachten Pegida wieder in Verruf. Der Gründer und Lautsprecher musste gehen.
Dass Pegida ohne Bachmann am Ende ist, glaubt der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt nicht: "Wenn Pegida eine Bewegung wäre, die um einen charismatisch-genialen Führer herum entstand, dann wäre der Rücktritt das Ende", sagte er im Interview mit der dpa. "Lutz Bachmann war aber nur der Kristallisationspunkt einer eher zufällig um ihn herum entstandenen Bewegung. An seine Stelle werden nun andere treten."
Eine könnte Kathrin Oertel sein - auch wenn sie bei "Jauch" betonte, auf keinen Fall in die Politik gehen zu wollen. Eine höchst professionell formulierte Pressemitteilung lässt Anderes vermuten: "Die jetzt bekannt gewordenen Facebook-Postings Lutz Bachmanns vom September weisen wir als Verein aufs Schärfste zurück. Sie tragen nicht dazu bei, Vertrauen zu den Zielen und Protagonisten von Pegida zu entwickeln. (...) Nur persönliche Integrität schafft politische Glaubwürdigkeit", wird Oertel darin zitiert. Bachmanns verbreitete Vokabeln gehörten in keinen "politischen Diskurs".
Wer hat die Deutungshoheit?
Zugleich nutzte Oertel die Gelegenheit, die als deutlich radikaler geltende Legida-Bewegung in Leipzig in die Schranken zu weisen. Bereits vor wenigen Tagen hatte sie erklärt, dass sich Legida den Pegida-Forderungen anschliessen müsse. In der Pressemitteilung drohte sie sogar mit einer Unterlassungsklage - weil das uneinheitliche Auftreten der einzelnen Ableger kontraproduktiv wirken könne.
Offenbar geht es um die Frage, "wer tatsächlich für Pegida als system- und politikerkritische Bewegung stehen darf", sagt Patzelt. "Legida ist mit seinen zum Teil rechtsextremistischen Forderungen von Anfang an klar rechter als Pegida. Und nachdem die Dresdner Organisatoren nun anscheinend versuchen, gegen ihr Bild als islamfeindliche und xenophobe Faschistengruppe anzugehen, sieht man ganz besonders rechtsgerichtete Bewegungen wie Legida mit grosser Sorge."
Es geht also um die Deutungshoheit innerhalb der Protestbewegung. Zwar haben sich zuletzt in immer mehr Städten Pegida-Ableger gebildet. Doch Zulauf hatten sie zuletzt nur noch in Dresden. Bei der gestrigen Kundgebung in Leipzig kamen statt der angekündigten 40.000 Teilnehmer nur 15.000 - bei 20.000 Gegendemonstranten.
Wer demonstriert mit Pegida?
Der Protestforscher Dieter Rucht sieht die Pegida-Bewegung ohnehin auf dem absteigenden Ast: "Wir haben den Höhepunkt von Pegida gesehen und er ist vielleicht schon überschritten. Pegida wird sukzessive an Zulauf verlieren", sagte der Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) Berlin am Montag.
Rucht hatte die Ergebnisse einer Untersuchung von Wissenschaftlern aus Berlin, Chemnitz und Bochum zur Pegida-Bewegung vorgestellt. Darin ging es um die Frage, wer mit Pegida demonstriert. Repräsentativ sei die Untersuchung aber nicht, stellte Rucht klar: "Wir können nichts über den typischen Pegida-Demonstranten sagen." Es hätten lediglich 123 Teilnehmer der Pegida-Demonstration vom 12. Januar an der Internet-Umfrage teilgenommen. Das seien deutlich zu wenig, um die Resultate auf die gesamte Bewegung zu übertragen.
Rucht und andere Wissenschaftler gehen aber generell davon aus, dass sich eher Menschen mit gemässigteren Einstellungen und weniger die ebenfalls vertretenen Rechtsextremisten an den Demos der beteiligen. Es lasse sich feststellen, dass Pegida männerdominiert sei, meist aus Angestellten mit guter Bildung bestehe, kein Vertrauen in staatliche Institutionen habe, der AfD zugeneigt sei und teilweise rechtspopulistischen bis zu rechtsextremen Thesen anhänge.
Ist Pegida schon am Ende?
Patzelt spricht von einem ähnlichen Klientel. Zwar sei klar, dass auch "Rechtsradikale und Rechtsextremisten" mitmarschierten. "Nach meiner Beurteilung sind die meisten aber normale Leute - wenngleich ziemlich weit rechts von der Mitte."
Der Rücktritt Bachmanns könnte seiner Meinung nach die gemässigten Demonstranten stärken. "Im Grunde werden viele sogar erleichtert sein, dass sie sich nun nicht mehr mit der peinlichen Biografie Bachmanns und seinen unerträglichen Äusserungen im Internet auseinandersetzen müssen. Es wäre also Wunschdenken, zu erwarten, dass sich mit dem Rückzug nun auch Pegida auflösen würde."
Am vergangenen Montag war die Pegida-Demonstration in Dresden wegen einer Terrordrohung ausgefallen. Am kommenden Montag soll aber erneut auf die Strasse gegangen werden, kündigte Oertel im "Tagesspiegel" an.
Erst dann wird sich zeigen, ob der Rücktritt von Bachmann und der Streit zwischen Pegida und dem Leipziger Ableger Legida tatsächlich auf das Ende hinweisen - oder sich der Versuch, ein gemässigteres Image zuzulegen, am Ende doch Früchte trägt.
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