Nach dem Scheitern der dritten Reform der Unternehmenssteuern an der Urne ist Bernard Dafflon überzeugt, dass es bald schon eine bessere Version des Gesetzes geben wird. Der Experte für öffentliche Finanzen befürwortet die Abschaffung der Steuerschlupflöcher, welche die Ursache eines verhängnisvollen Konkurrenzkampfes zwischen den Kantonen sind.
Der emeritierte Professor für öffentliche Finanzen an der Universität Freiburg, Bernard Dafflon, gilt als einer der ausgewiesensten Experten des Landes auf seinem Gebiet.
Wie die Mehrheit der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen (59,1 Prozent) hat er am vergangenen Sonntag "Nein" gesagt zur dritten Unternehmenssteuerreform (USR III). Im Unterschied zu Finanzminister Ueli Maurer hält er eine Abschaffung der Steuerprivilegien innerhalb der von der OECD vorgegebenen Frist für möglich.
Die Regierung, eine Mehrheit des Parlaments und die gesamte Wirtschaftswelt haben die Unternehmenssteuerreform III unterstützt. Wie erklären Sie sich das klare Scheitern der Reform an der Urne?
Bernard Dafflon: Ich war nicht wirklich überrascht vom Ausgang der Abstimmung. Die Reform war eine richtige Blackbox: Niemand konnte genau sagen, wie viel sie die Bevölkerung kosten wird.
Die Leute akzeptieren nicht mehr, dass man ihnen sagt: 'Vertraut uns, es ist gut für die Wirtschaft.' Sie wollen Erklärungen, die sie aber nicht ausreichend bekommen haben. Die Broschüre des Bundesrates war beispielsweise voller unverständlicher technischer Begriffe.
Abgesehen vom ideologischen Kampf, den sich Befürworter und Gegner der Reform geliefert haben, hat meine faktische Analyse gezeigt, dass die von 19 Kantonen noch vor der Abstimmung angekündigten Steuersenkungen für alle Unternehmen Steuerausfälle von jährlich 2,4 Milliarden Franken zur Folge gehabt hätten.
Man muss der Bevölkerung erklären, woher man dieses Geld nehmen will, wenn man gleichzeitig verspricht, weder die Steuern für natürliche Personen zu erhöhen noch die Ausgaben zu kürzen.
Was hätte man tun müssen, um die Reform durchzubringen?
Man hätte die Sache aufteilen müssen. Das Volk hätte zuerst über die Abschaffung der Steuerprivilegien entscheiden sollen und danach separat über neue Steuermassnahmen.
Der erste Punkt wäre nicht auf Ablehnung gestossen. Alle sind sich einig, dass diese Steuerregimes abgeschafft gehören, die noch aus einer anderen Zeit stammen. Angesichts des internationalen Drucks, der auf der Schweiz lastet, kommt man daran nicht vorbei.
Die Massnahmen zur Bewahrung der Attraktivität der Schweiz hingegen, die nach Kantonen unterschiedlich gewesen wären, hätten zu einem überflüssigen und schädlichen Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen geführt.
Was bewahrt werden muss, ist die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Verhältnis zu anderen Ländern, man soll nicht zusätzlich einen Dumping-Steuerwettbewerb zwischen den Schweizer Kantonen eröffnen.
Kann Ihrer Meinung nach schnell eine neue Version der Reform ausgeheckt werden?
Ein Plan B wird innerhalb der nächsten sechs Monate bereit sein. Es geht immer noch darum, den Steuerprivilegien für Holdinggesellschaften ein Ende zu setzen.
Gleichzeitig muss aber auf mindestens drei der in der USR III vorgesehenen acht Steuernischen verzichtet werden. Zudem müsste man im Gesetz eine Minimal-Untergrenze von 15 Prozent für kantonale und kommunale Unternehmenssteuern vorsehen.
Es muss innerhalb des Systems der Unternehmenssteuern ein Gleichgewicht gefunden werden, damit weder die Einkommenssteuern erhöht, noch die Staatsausgaben gesenkt werden müssen. Die Botschaft des Verdikts an der Urne von letztem Sonntag geht klar in diese Richtung.
Die Schweiz hat sich gegenüber der OECD verpflichtet, den speziellen Steuerpraktiken bis am 1. Januar 2019 ein Ende zu setzen. Wird sie diese Frist einhalten können?
Natürlich, es sei denn, die Politiker zeigen einen unerhört schlechten Willen. Der Plan B ist nicht so weit von der ursprünglichen Botschaft des Bundesrats entfernt. Nach einer raschen Vernehmlassung unter den Kantonen könnte das Projekt im Herbst 2017 dem Parlament vorgelegt werden. Wenn ein Referendum ergriffen würde, könnte die Abstimmung anfangs 2018 stattfinden und das Gesetz somit am 1. Januar 2019 in Kraft treten.
Die europäische Kommission zeigte sich enttäuscht von der Ablehnung der USR III. Werden nun Sanktionen gegen die Schweiz ergriffen? Wird die Schweiz bald auf einer schwarzen Liste stehen?
Das glaube ich nicht, das sind die normalen politischen Reaktionen. Man darf nicht vergessen, dass der Druck schon seit Anfang der 2000er-Jahre besteht. Die EU weiss zudem sehr genau, dass sie auch vor der eigenen Tür wischen sollte. Was die OECD anbelangt, so wünscht diese lediglich, dass der Plan B so schnell wie möglich umgesetzt wird. Klar ist aber, dass der externe Druck zunehmen wird, wenn in der Schweiz nicht rasch etwas passiert.
Ist die jetzige Unsicherheit nicht schädlich für die Wirtschaft? Werden Unternehmen die Schweiz verlassen?
In den nächsten zwei Jahren profitieren Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften weiterhin von der Sondersteuerpraxis. Sie werden also leicht tiefer besteuert, als es die USR III vorgesehen hätte. Sie werden also nicht wegen den Steuern das Land verlassen. Sie mögen die Unsicherheit aber nicht. Sie werden aber sicherlich abwarten und schauen, wie der Plan B aussieht, bevor sie eine mögliche Standortverlagerung ins Auge fassen.
Würde man mit einer Minimalbesteuerung von 15 Prozent, die Sie vorschlagen, nicht die Attraktivität der Schweiz verringern?
Eine Null-Mobilität existiert nicht, natürlich werden sich Probleme stellen. Die Attraktivität der Schweiz stützt sich aber nicht nur auf die niedrige Unternehmensbesteuerung, zumindest nicht für Firmen, die tatsächlich in der Schweiz tätig sind. Firmen, die nicht blosse Briefkastenfirmen sind, kann man natürlich nicht daran hindern, an attraktivere Orte abzuwandern, egal wie hoch der Mindestsatz der Besteuerung ist…
Doch die Steuern bleiben ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz….
Seit den 1990er-Jahren wurden die Steuern für juristische Personen in der Schweiz immer wieder gesenkt. Während Unternehmen damals im Schnitt 19 Prozent Gewinnsteuern zahlten, sind es heute noch 12 Prozent.
Weniger Steuern bedeuten aber auch weniger Geld für Forschung, Hochschulen und Bildung im Allgemeinen. In den letzten fünf Jahren haben die Kantone bereits 1,3 Milliarden Franken in der obligatorischen Schulbildung gespart.
Man kann nicht einzig in kurzfristigen steuerlichen Belangen denken und gleichzeitig strukturelle Attraktivitätsfaktoren wie die Bildung aussen vorlassen.
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