Der Streit um die Obergrenze für Flüchtlinge und die Zweifel an der Stärke von Kanzlerin Angela Merkel bestimmen derzeit den Richtungsstreit der Union. Beim ARD-Talk von Anne Will geht es auch ohne AfD-Vertreter zur Sache - dank gut aufgelegter Gäste.

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Schon seit Langem gärt es zwischen CDU und CSU beim Thema Obergrenze für Flüchtlinge. Die schlechten Ergebnisse für die Union bei der Bundestagswahl haben zudem einen neuen Richtungsstreit entflammt. Werden die beiden Parteien wieder mehr nach rechts rücken?

"Zwischen Mitte und rechter Flanke - wohin steuert Merkel Deutschland?" ist deswegen Thema bei Anne Will am Sonntagabend im Ersten. Hochaktuell - denn mit Schaltungen live zu den Gesprächen über die Obergrenze von CDU und CSU ist die Talkrunde immer auf dem offiziell neuesten Stand.

Doch schon im Laufe des ARD-Talks zeichnet sich ab, was bei den Gesprächen herauskommen würde. Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) betont, dass sich die Union nicht von der Genfer Flüchtlingskonvention und dem individuellen Recht auf Asyl verabschieden wolle.

Einigung im Dauerstreit Obergrenze zwischen CDU und CSU

Das Problem der CDU mit der Obergrenze erklärt sie mit einem fehlenden System: "Es war nicht klar: Was passiert mit dem Ersten, der über diese Grenze kommt?" Auch wolle man flexibel auf internationale Krisen und die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft reagieren können.

Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betont dagegen immer wieder: Der CSU komme es vor allem auf die Feststellung an, dass die Aufnahmekapazität in Deutschland begrenzt sei.

In der Mitte der Sendung kann Aussenreporterin Tina Hassel dann auch verkünden, dass sich beide Parteien geeinigt haben: Demnach soll es eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen im Jahr für Deutschland geben.

Die Zahl soll aber unter besonderen Umständen wie in humanitären Krisen erhöht werden können. Am Montag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer dazu eine gemeinsame Pressekonferenz geben.

Für Moderatorin Anne Will ist es unverständlich, warum die Einigung erst jetzt erfolgt. Eine echte Antwort bekommt sie weder von der CDU noch der CSU. "Dann hätten wir uns den ganzen Streit ja sparen können", bemerkt Will trocken.

Kommt jetzt der Rechtsruck bei der Union?

Beim Thema Obergrenze hat die CSU also ihren Willen und ihre Zahl bekommen. Gilt das auch für ihre Forderung, die "rechte Flanke" zu schliessen?

CSU-Politiker Friedrich beklagt, dass in den letzten Jahren der konservative Flügel der Union vernachlässigt worden sei. Als Moderatorin Will nachhakt, welche Positionen damit gemeint seien, will sich Friedrich aber nicht festlegen.

Die Frage, was konservativ sei, müsse neu gestellt werden. Eine Überschrift kann er sich allerdings vorstellen: "Deutschland soll Deutschland bleiben."

Das Ziel beider Unionspolitiker ist klar: Sie wollen die AfD-Wähler für ihre Parteien zurückgewinnen. Kramp-Karrenbauer lehnt es aber ab, die Themen der AfD zu übernehmen: "Wir wissen aus den 1990er Jahren in der Auseinandersetzung mit den Republikanern, dass das nichts nützt."

Die CDU-Frau zieht auch eine klare Abgrenzung: Die Umdeutung und Verfälschung der deutschen Geschichte, wie sie von der AfD betrieben werde, sei falsch.

Katarina Barley (SPD), derzeit noch Bundesfamilienministerin, wirft der Union vor, teilweise die harte Rhetorik der AfD zu übernehmen und sie damit salonfähig zu machen.

Kramp-Karrenbauer kontert, dass sich die SPD mit der schnellen Entscheidung für die Opposition nach der Bundestagswahl aus der Verantwortung drücken will: "Wir brauchen stabile Verhältnisse und eine stabile Regierung."

Barley verweist dagegen auf die Wahlverluste sowohl der Union als auch der SPD. "Die grosse Koalition ist auf Dauer nicht gut für ein Land, weil sie die Ränder stärkt", meint die noch amtierende Bundesministerin.

Den Vorwurf, sich aus der Verantwortung zu stehlen, lässt sie nicht gelten: "Es ist wichtig, in einer Demokratie eine starke Opposition zu haben." Allein schon, um nicht der AfD die Show zu überlassen.

Das geheimnisvolle Strategiepapier: Die AfD eine Chance für die Union?

Aufregung verursacht der "Welt"-Journalist Robin Alexander, als er von einem Strategiepapier zur Bundestagswahl spricht. Das von Mathias Jung verfasste Papier sei bei einer Unionssitzung im April 2016 vorgestellt worden. (Hier finden Sie das Strategiepapier als Download)

Danach sei die AfD eine Chance für die Union, denn so könne die rot-rot-grüne Mehrheit gebrochen werden. "Es war eine strategische Entscheidung der Union, Herrn Gysi und Frau Barley zu bekämpfen", meint Alexander. Während sich Barley bestätigt sieht, bestreitet Kramp-Karrenbauer eine solche Strategie.

Viel ist über die AfD-Wähler schon geschrieben worden. So sind die in der Sendung vorgestellten Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann-Stiftung auch nicht überraschend.

Danach zeigen sich AfD-Wähler überwiegend skeptisch gegenüber der Modernisierung. Alle anderen Parteien haben eine leichte (CDU/CSU) bis starke (Grüne) Mehrheit der Befürworter der Modernisierung.

"Globalisierung ist auch unheimlich“, findet Linken-Politiker Gregor Gysi. Die Unsicherheit und die Angst vor dem eigenen Abstieg seien gross. "Die Nichtwähler, die jetzt die AfD gewählt haben, hoffen, dass sich endlich die Scheinwerfer auf sie richten."

"Wir haben nicht mal schnelles Internet"

Gegen Ende der Sendung wird die Stimmung in der Talkrunde immer launiger. Als Kramp-Karrenbauer Verständnis für die Skeptiker an der Modernisierung äussert, witzelt Journalist Alexander: "Wir sind doch kein modernes Land, wir haben nicht mal schnelles Internet."

Auch Gregor Gysi ist nie um einen Spruch verlegen. Er unterstellt der Regierung "ein sexuell-erotisches Verhältnis zur schwarzen Null" und glaubt nicht an ein schnelles Zustandekommen der Jamaika-Koalition: "CDU und CSU sind sich recht ähnlich und müssen sich dennoch einigen. Jetzt noch Grüne und FDP dazu? Na, 'Gute Nacht' kann ich da nur sagen."

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