Bei Anne Will warnte Alexander Graf Lambsdorff (FDP) vor einem Krieg zwischen den USA und dem Iran. Eine deutsch-israelische Politikberaterin behauptete, iranische Nuklear-Raketen seien auch eine Gefahr für Europa.

Eine Kritik

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Das iranische Ultimatum hat die EU kalt erwischt. Sollte das Land nicht innerhalb von 60 Tagen wieder von den im Atomabkommen festgehaltenen Sanktionserleichterungen profitieren, will Teheran wieder waffenfähiges Uran fördern. Auch Flüchtlinge aus Afghanistan will die iranische Regierung dann nicht mehr auf ihrem Weg Richtung Europa aufhalten.

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Anne Will: Was ist das Thema?

US-Präsident Donald Trump hatte das Atomabkommen vor einem Jahr einseitig aufgekündigt. Allerdings zählen Deutschland, Grossbritannien und Frankreich ebenfalls zu den Vertragspartnern. Die USA üben auf Regierungen und Unternehmen, die weiter mit dem Iran Geschäfte machen (wollen), enormen Druck aus.

Hinzu kommt: Die immer schärfer gewordene Rhetorik von US-Regierungsvertretern lässt die Sorge vor einer militärischen Auseinandersetzung steigen. Anne Wills Thema: "Wie gefährlich ist der Atom-Streit für Europa?"

Wer sind die Gäste?

Norbert Röttgen (CDU): Für den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag ist das Atomabkommen mit dem Iran ein Erfolg, weil das Land damit von der Entwicklung von Nuklearwaffen abgehalten wurde. Auch Donald Trump habe bisher keinen besseren Ansatz gefunden.

Alexander Graf Lambsdorff (FDP): In den Augen des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag war es vom Iran "unklug, den Europäern dieses Ultimatum zu stellen." Innenpolitisch sei es wegen der schleichenden Krise verständlich, aber aussenpolitisch gefährlich.

Lambsdorff erwartet nun eine weitere Eskalation, unter der vor allem Israel leiden wird, und forderte wie Röttgen grössere diplomatische Bemühungen der EU.

Melody Sucharewicz: Die deutsch-israelische Kommunikations- und Strategieberaterin trat als knallharte Iran-Kritikerin auf. Sie begrüsste die Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA, weil es nicht funktioniert habe.

Viele Gelder aus der nach dem Abkommen gewachsenen iranischen Wirtschaft seien in Terrorgruppen und den Ausbau des ballistischen Raketenprogramms geflossen. Die Raketen der Hamas, die aus dem Gaza-Streifen auf Israel abfeuert werden, würden vom Iran geliefert, so Sucharewicz.

Reichlich polemisch wirkte ihr Schreckensszenario, wonach iranische Raketen mit nuklearen Sprengköpfen auch eine Gefahr für Europa seien.

Katajun Amirpur: Die Islamwissenschaftlerin wies auf die dramatische Situation für die iranische Bevölkerung durch die Krise hin, etwa den enormen Preisanstieg für Lebensmittel. Die Amerikaner wollen damit womöglich einen Aufstand in der Bevölkerung provozieren, vermutete Amirpur.

In ihren Augen ist das iranische Ultimatum daher eine Botschaft an die Europäer, etwas gegen die harte Sanktionspolitik der USA zu unternehmen.

Martin Schirdewan (Die Linke): Der Spitzenkandidat bei der Europawahl findet das Säbelrasseln auf beiden Seiten "besorgniserregend". Alle Zeichen stünden auf einer militärischen Eskalation. Ein Krieg könnte in der Region einen Flächenbrand auslösen mit unvorstellbaren Konsequenzen. Ein sehr düsteres Szenario.

Was war das Rededuell des Abends?

Röttgen und Graf Lambsdorff kamen bei einigen Detailfragen nicht auf einen Nenner. Der CDU-Mann glaubt, dass durch den US-Druck das militärische Engagement des Irans im Jemen, in Syrien oder dem Irak weiter zunehmen könnte. Er erwartet jedoch keine Eskalation im direkten Verhältnis zwischen Washington und Teheran.

Graf Lambsdorff widersprach vehement. "Ich sehe das anders. Ich nehme John Bolton beim Wort. Der hat keine Scheu, militärische Mittel einzusetzen." Der Nationale Sicherheitsberater Trumps gilt als Hardliner. Einen Einmarsch wie im Irak werde es nicht geben, so Lambsdorff. "Aber gezielte Bombardements von nuklearen Einrichtungen – die halte ich für möglich."

Was war der Moment des Abends bei Anne Will?

Lambsdorff spöttische Analyse des kaputten deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Exemplarisch dafür steht die spontane Absage des Treffens mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durch US-Aussenminister Mike Pompeo. "Der war in Finnland. Der ist nicht irgendwie aus Washington rüber geflogen gekommen. Der hätte auch mal kurz in Berlin landen können. Stattdessen ruft er an und sagt: Mit euch rede ich nicht. Fliegt nach Bagdad, fliegt anschliessend nach London und allen Ernstes nach Grönland, um wichtige Probleme in Grönland zu erörtern."

Lambsdorffs Fazit: Deutschland habe praktisch keinen Einfluss mehr in Washington. "Das muss man einfach so hart sagen."

Wie hat sich Anne Will geschlagen?

Es war kein einfacher Abend für die Gastgeberin in einer streitlustigen Runde. Manchmal hätte der Debatte indes mehr Einordnung gut getan. Etwa als Melody Sucharewicz das Szenario von iranischen Atomraketen entwarf, die auch Europa treffen könnten. Welches Interesse sollte denn Teheran daran haben? Es war offensichtlich, dass der Iran hier als maximaler Bösewicht gezeichnet werden sollte.

Und auch bei der Behauptung, dass Teheran der weltweit grösste Sponsor von Terrorismus sei (Donald Trump wiederholt das gerne), wäre ein einordnender Verweis auf Saudi-Arabien angebracht gewesen. Die extrem konservative, wahhabitische Auslegung des Islam, die Terrorgruppen wie Al-Kaida oder dem Islamischen Staat als ideologisches Gerüst dient, stammt nämlich aus Saudi-Arabien.

Und auch was die direkte oder indirekte Finanzierung von Terrorgruppen betrifft, wurden gegen Saudi-Arabien immer wieder Vorwürfe laut.

Was ist das Ergebnis?

Um den Konflikt zwischen den USA und dem Iran zu lösen, braucht es mehr Engagement der Europäer. Darin stimmten alle Gäste bei Anne Will überein. Auch Linken-Mann Schirdewan, der "maximale diplomatische Anstrengungen" aller Beteiligten als geboten ansah.

In Lambsdorffs Augen muss es das erste Ziel sein, die Kriegsgefahr und die Bedrohung für Israel zu reduzieren. Für Röttgen war klar: Wenn kein breites EU-Engagement möglich ist, muss eben eine Koalition der Willigen aus Grossbritannien, Frankreich und Deutschland voran gehen.

Etwas überraschend kam das Statement des CDU-Mannes, man müsse jetzt analysieren, wie sich die Aussenpolitik Washingtons verändert habe und darauf reagieren. Anne Will spöttelte, das sei nach drei Jahren Trump ja wohl etwas zu spät.

Röttgen hoffte schliesslich darauf, dass es zu direkten Gesprächen zwischen dem Iran und der US-Regierung kommt. Denn keines der Länder habe letztlich ein Interesse an einem Krieg. Eine Feststellung, die durchaus Mut machte. Vielleicht wird sich trotz des Säbelrasselns und der harten Rhetorik am Ende doch die Vernunft durchsetzen.

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