Ein türkischer Minister und Peter Altmaier waren zu Gast bei Anne Will. Nach einem Weg aus der Krise wolle man suchen. Das klingt so konstruktiv wie nötig. Doch auch nach der Sendung ist man das Gefühl nicht los, dass die Beziehung zwischen der Türkei und dem Rest Europas zerrüttet ist.
Nur zwei Gäste – das klingt nach Duell. Nach zwei Meinungen, die aufeinanderprallen. Und so ist es ja derzeit wirklich in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Bei Anne Will in der ARD sitzen sich am Sonntagabend CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Akif Cagatay Kilic gegenüber.
Der 40-Jährige ist Mitglied der AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und türkischer Minister für Jugend und Sport. Ring frei also? Nein. Man habe bewusste einen konstruktiven Titel gewählt, erklärt die Gastgeberin. Die beiden Minister sollen einen Weg finden, der herausführen kann aus der Krise.
In der Tat tauschen die Gäste erst einmal Höflichkeiten aus. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland seien sehr alt und tief, sagt Kilic. "Das sind zwei Länder, die miteinander reden können." Die deutsche Regierung sei an Deeskalation interessiert, betont wiederum
Bessere Beziehungen in Aussicht?
Was die beiden Minister auf jeden Fall gemeinsam haben: Sie wollen zeigen, dass sie Sprachtalente sind. Der in Siegen geborene Kilic spricht mal auf Deutsch, mal auf Türkisch. Altmaier richtet an die niederländischen Zuschauer (ja, auch die schauen seiner Meinung nach
Allerdings beschleicht einen schon früh das Gefühl, dass die Tür zu besseren Beziehungen an diesem Abend nicht gefunden wird. Mehrmals muss Anne Will ihren türkischen Gast fragen, was das mit dem Nazi-Vergleich sollte. Staatspräsident Erdogan hatte von Nazi-Methoden gesprochen, nachdem Auftritte seiner Minister in Deutschland abgesagt worden waren.
Das habe die Deutschen "sehr schockiert und traurig gemacht", sagt Peter Altmaier – und Anne Will fordert mehrmals eine Erklärung von Kilic. Es dauert aber, bis er sich schliesslich wirklich dazu äussert: "Was gesagt wurde, ist, dass Deutschland Methoden benutzt hat, die an Nazi-Methoden erinnern", sagt er und geht zu einem anderen Thema über: Er beklagt Fremden- und Islamfeindlichkeit in der EU.
Auch ansonsten läuft die Diskussion nach dem Prinzip Vorwurf-Gegenvorwurf. Hat die Türkei zu heftig auf die abgesagten Politiker-Auftritte reagiert? Staatspräsident Erdogan sei im vergangenen Jahr Zielscheibe eines Putschversuches gewesen, sagt sein Minister. Da sei es doch ein Unding, dass Erdogan kurze Zeit danach nicht in Köln zu seinen Anhängern sprechen durfte.
Deniz Yücel als Geisel?
Wird der deutsche Journalist
Der Einspielfilm, in dem das Thema erklärt wurde, sei falsch, sagt der Minister. Ein schneller Faktencheck hätte der Sendung wohl gut getan. Stimmt es zum Beispiel, wie Kilic behauptet, dass Politiker der türkischen Opposition in Europa im Gegensatz zur Regierung ungehindert auftreten können?
Und welcher Justizminister hat denn jetzt seinen Kollegen versetzt? Auch das ist nämlich ein Thema, als das Gespräch auf den inhaftierten Journalisten Yücel kommt. Die Gerichte seien unabhängig, das gelte auch in der Türkei, sagt Akif Cagatay Kilic.
Konstruktive Ergebnisse? Eher nicht
Dann erklärt er mit einem genüsslichen Grinsen aber auch: Der türkische Justizminister sei doch in der vergangenen Woche in Deutschland gewesen – musste aber leider wieder abreisen, weil er im badischen Gaggenau nicht auftreten durfte. "Im Rahmen dieses Besuchs hätte unser Justizminister auch gerne mit dem deutschen Justizminister sprechen wollen", so Kilic. "Da hätte man sich doch gewünscht, dass sie sich getroffen hätten."
Sind die Deutschen also selbst schuld? Hätte der Justizminister für Yücels Freilassung gesorgt, wenn er in Deutschland zu den AKP-Anhängern hätte sprechen dürfen? Will Kilic das wirklich sagen? Anne Will allerdings will daraufhin klarstellen: Der deutsche Justizminister habe die Sache vorige Woche in ihrer Sendung genau andersherum dargestellt. Ja, was denn nun?
Kanzleramtsminister Altmaier hat da übrigens einen diplomatischen Vorschlag. Wann immer ein türkischer Minister in Deutschland sei: "Rufen Sie bei mir an und ich werde dafür sorgen, dass Sie einen Gesprächstermin mit dem zuständigen Minister oder dem Kanzleramtsminister kriegen." Also doch noch ein konstruktives Ergebnis? Wenn das die einzige Annäherung war, dann ist der Weg aus der diplomatischen Krise wohl noch weit.
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