Österreich gibt sich selber eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Das sorgt für kontroverse Reaktionen in Deutschland – und in der Sendung von Anne Will. Eine AfD-Politikerin blamiert sich in dieser ordentlich.

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Was ist das Thema?

Österreich zieht in der Flüchtlingskrise Konsequenzen und verkündet die Umsetzung eines sogenannten Plan B. Demnach will der deutsche Nachbar in 2016 nur noch 37.500 Asylsuchende aufnehmen.

"Muss Deutschland jetzt nachziehen?", fragt Moderatorin Anne Will in die Runde und benennt das Thema: "Braucht auch Deutschland eine nationale Obergrenze?"

Wer sind die Gäste?

Armin Laschet, CDU, Stellvertretender Bundesvorsitzender

Er lehnt Obergrenzen ab und verteidigt mit allem, was er hat, Kanzlerin Angela Merkel. Eine Obergrenze ist für ihn "undenkbar" und die "schlechteste Lösung für Deutschland".

"Schutzbedürftigkeit kennt keine Obergrenze", sagt er. Sein Argument: Vermeintliche wirtschaftliche Schäden wegen strikter Grenzkontrollen. Europa habe einen Binnenmarkt mit Wertschöpfungsketten geschaffen, dieser werde durch nationale Grenzkontrollen unterbrochen.

Er beziffert den Schaden für die deutsche Wirtschaft auf zehn Milliarden Euro und sagt: "Auch das muss eine Bundeskanzlerin im Blick haben."

Hans-Peter Friedrich, CSU, ehemaliger Bundesinnenminister, Stellvertretender Vorsitzender CDU/CSU-Bundestagsfraktion

"Wenn Kapazitäten überschritten sind, bekommt das Land Probleme. Deswegen gibt es für jedes Land nationale Obergrenzen", sagt er und befürwortet diese nach dem Vorbild der Österreicher. "Wir müssen aus eigener Souveränität handeln, das verlange ich auch für Deutschland."

In manchen Regionen herrsche bereits Chaos, meint er und fordert von Merkel die Botschaft auszusenden, dass die Bundesrepublik am Ende seiner Möglichkeiten sei. Den Vorschlag der CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, die sich für Tageskontingente an Flüchtlingen ausspricht, nennt er intelligent.

Beatrix von Storch, AfD, Stellvertretende Bundessprecherin

Als vermeintlicher Vertreterin vom rechten politischen Rand schlägt ihr in der Sendung grosse Ablehnung entgegen. Diese mehrt sie, indem sie für die AfD typische Phrasen drischt.

"Deutschland ist jetzt eine Bananenrepublik", sagt sie. "Die Kanzlerin muss ein Signal in die Welt senden, dass unsere Willkommenskultur beendet ist", meint sie. "Sie hat den Magnet angestellt."

Die Juristin schürt Ängste, spricht von acht bis zehn Millionen Syrern, die auf der Flucht seien. Dann wird es kurios. "Die Menschen sind in Österreich in Sicherheit. Sie sind dann keine Flüchtlinge mehr", sagt sie – und dürfte diese Meinung exklusiv haben.

Das war es aber noch nicht an Peinlichkeiten. Von Storch schiesst gegen die Kanzlerin – und gehörig über das Ziel hinaus. "Das Gerücht war, dass sie nach Chile oder Südamerika geht. Ich glaube nicht, dass sie noch lange Kanzlerin ist."

Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland

"Es kann nicht sein, dass man Menschen mit Stacheldraht abhält", sagt er, lässt aber eine klare Aussage vermissen, ob er als Vertreter der Kirche für oder gegen eine Obergrenze ist.

Wenn die Türkei alleine 2,5 Millionen Flüchtlinge aufnehmen könne, müsse doch auch Europa dieser Herausforderung Herr werden, meint er. Für ihn ist die Flüchtlingskrise kein Problem, sondern eine grosse Chance. Bedford-Strohm: "Das Jahr 2015 wird für das Ansehen Deutschlands in der Geschichte eine grosse Bedeutung haben."

Was war das Rede-Duell des Abends?

Es gibt zwei. Erstens, Laschet gegen Friedrich. Es zeigt wieder einmal den Zwist zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU.

"Man hört es, wenn man wirklich mal zuhört", meint Laschet in Richtung des ehemaligen Bundesinnenministers, als der ihn unterbricht. Die Stimmung in der Union war schon mal besser.

Zweitens, Laschet gegen von Storch. Dem CDU-Politiker ist die mutmassliche Ablehnung der AfD förmlich anzusehen. "Dafür gibt es das deutsche Wort Integration", sagt er einmal zur AfD-Politikerin.

Und ein anderes Mal: "Das ist selbst unter dem Niveau der AfD, zu behaupten, Merkel lade Menschen ein. Nehmen Sie Abstand davon." Von Storch kühl: "Die Wahrnehmung im Land ist eine andere."

Was war der Moment des Abends?

Als von Storch plötzlich über Auswanderungspläne der Kanzlerin sinniert. Es zeigt die ganze Polemik, mit der die AfD Wahlkampf führt und die Bürger versucht, auf ihre Seite zu bekommen.

Wie hat sich Will geschlagen?

Sehr gut. Sie ist angriffslustig, bestrebt, ihren Gästen polarisierende Antworten zu entlocken. Dabei ist sie sehr souverän, mit dominanter Stimme und klaren Ansagen. "Sie weichen den Fragen aus, Herr Friedrich", meint sie einmal zum CDU-Politiker und bringt diesen damit in Verlegenheit.

Selbst bei den Ausschweifungen von Storchs bleibt sie nüchtern und gewährt der AfD-Politikerin Zeit für deren umstrittene Argumentation.

Was ist das Ergebnis?

Die CSU, diesmal in Person von Friedrich, will unbedingt eine Obergrenze. Die CDU zögert offensichtlich. Beide Parteien sind offenbar so weit auseinander wie lange nicht.

Die wichtigste Erkenntnis ist aber wohl, dass die Regierung schon bald eine deutliche Entscheidung treffen und diese auch offensiv artikulieren sollte. Ansonsten kann sich die AfD weiter munter austoben, selbst mit spektakulär irrsinnigen Mutmassungen.

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