Frankreich steht nach den Terroranschlägen vom Freitag noch immer unter Schock. Die westliche Welt hat ihre Solidarität ausgesprochen, doch was bedeutet das? Schotten wir uns jetzt ab? Greift Deutschland nun auch militärisch in den Krieg gegen den IS ein? Diese und andere Fragen diskutierte Günther Jauch am Sonntagabend mit seinen Gästen.

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Die Ausgangslage

Am Freitagabend erschütterte eine Anschlagsserie die französische Hauptstadt Paris. Mindestens 129 Menschen starben durch die Kugeln und Bomben der Attentäter, einem der drei Terrorkommandos gelang mutmasslich die Flucht.

Präsident François Hollande rief den Ausnahmezustand aus. Inzwischen bekannte sich der Islamische Staat IS zu den Anschlägen.



Während die westliche Welt ihre Solidarität bekundet, ist die Stimmung in Frankreich weiterhin angespannt. Am Sonntagabend kam es durch einen lauten Knall zu einer Massenpanik.

Die Jagd auf die Komplizen und Hintermänner hat begonnen, die belgische Justiz schreibt Terrorverdächtige zur Fahndung aus.

Wer war bei Günther Jauch zu Gast?

Ursula von der Leyen: Die Bundesverteidigungsministerin rief in Bezug auf etwaige militärische Massnahmen bereits vor der Sendung zur Besonnenheit auf. Auch am Sonntagabend mahnte von der Leyen, Ruhe zu bewahren und die folgenden Schritte sorgsam zu überlegen.

Martin Schulz: Der Präsident des Europäischen Parlaments warnte davor, die Anschläge mit der Flüchtlingsdiskussion zu vermischen. Schliesslich seien die Menschen vor genau diesem Terror geflohen.

Georg Mascolo: Der Journalist und ehemalige Chefredakteur des "Spiegel" sieht in den Angriffe eine neue Form der Barbarei. Inzwischen gebe es niemanden mehr, der sicher vor solchen Anschlägen sei. Es werde "bestialisch und unterschiedslos getötet".
Journalist Jaafar Abdul Karim lieferte vor allem Eindrücke von vor Ort. So berichtete Karim von der Trauer, die in Paris bei allen herrsche, aber auch von der Angst der Muslime, nun unter Generalverdacht zu geraten.



Ulrich Wickert: Der "Mister Tagesthemen" gilt als ausgezeichneter Kenner Frankreichs. Dass es nach den Anschlägen um "Charlie Hebdo" wieder Paris traf, hat für den erfahrenen Journalisten drei Gründe: die Rolle Frankreichs beim Niedergang des Osmanischen Reichs, die ausgeprägte Säkularität in Frankreich und das militärische Engagement Frankreichs in Mali, im Irak und in Syrien.
Julia und Thomas Schmitz: Das deutsche Paar wollte den Geburtstag von Thomas im "Bataclan" feiern. Sie erlebten die Angriffe hautnah ("Man hat sich wirklich gedacht 'ich sterbe jetzt', hoffentlich tut's nicht weh und geht schnell'."), konnten sich im Backstage-Bereich verbarrikadieren und wurden von der Polizei befreit.

Welche Fragen wurden bei Günther Jauch diskutiert?

Nach den sehr eindringlichen Schilderungen des Paares Schmitz von der Anschlagsnacht im "Bataclan", waren es vor allem drei Punkte über die die Runde diskutierte: Die Einordnung der Anschläge, die Verbindung zur aktuellen Flüchtlingskrise und die Frage, was nun zu tun sei.

Bei der Einschätzung der Anschläge war sich die Runde einig. Die Franzosen gingen, so von der Leyen davon aus, dass sich die Angriffe gezielt gegen die westliche Art zu leben richteten und nicht etwa gegen staatliche Einrichtungen.

Flüchtlingsdebatte nicht mit Anschlägen vermischen

Noch grössere Einigkeit herrschte in der Feststellung, dass die Anschläge nicht mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte zu vermischen sei. Genau das hatte aber Bayerns Finanzminister Markus Söder getan.

Wenige Stunden nach den Anschlägen meldete sich dieser bei Twitter zu Wort: "#ParisAttacks ändert alles. Wir dürfen keine illegale und unkontrollierte Zuwanderung zulassen", schrieb Söder dort.


Ulrich Wickert fand dafür klare Worte: "Es ist verantwortungslos, wenn ein Politiker das jetzt für seine politische Suppe benutzt". Schliesslich seien die Täter der vergangenen Jahre Franzosen gewesen und keine Flüchtlinge.

So sah es auch Georg Mascolo. Die Menschen in Syrien oder im Irak seien der Ansicht, so der Journalist, dass Europa keine Terroristen importiere, sondern, ganz im Gegenteil, diese sogar exportiere, schliesslich kämen etwa 15.000 der IS-Kämpfer aus Europa angereist

Auch Martin Schulz fand klare Worte gegenüber der Äusserung des CSU-Politikers Söder, der versuche "Opfer zu Tätern zu machen" und forderte jeden auf, solchen "Unsinn zu lassen".

Schulz ergänzte, dass viele Flüchtlinge vor eben jenen Terroristen geflohen seien. Ein Bild, dass Reporter Karim durch seine Erfahrungen nur bestätigen konnte.

Er erzählte von einer Begegnung mit einem Syrer in Paris, der ihm sagte: "Ich bin vor genau diesem Terror geflohen und jetzt ist er auch hier."



Als ob er der vorangegangen Diskussion nicht zugehört hätte, fragte Jauch die Verteidigungsministerin, ob Deutschland, ob Europa an den Grenzen nun bei den Kontrollen sein unfreundliches Gesicht zeigen solle.

"Genau das eben nicht", entgegnete ihm Ursula von der Leyen. "Kontrolle und Freundlichkeit geht auch zusammen. Wir können jetzt nicht die Flüchtlinge zu den Sündenböcken machen, für das, was der Islamische Staat nun bei uns an Anschlägen versucht."

Genau das, so die Ministerin, seien die Ziele des IS: "Er will, dass wir uns abschotten. Wir müssen unsere Grundwerte schützen."

Herrscht nun tatsächlich Krieg, wie Hollande sagt?

Gerade für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ein heikles Thema, das sie mit sehr viel Bedacht und Vorsicht diskutierte.

Dass man in Frankreich nun von Krieg spreche, sei emotional verständlich, man müsse das aber von der formalen Frage lösen. Auf die Frage, ob sich Deutschland nun auch stärker militärisch engagiere, antwortete sie, dass Deutschland bereits sehr viel im Kampf gegen den IS tue, wie etwa die Bewaffnung und Ausbildung von inzwischen etwa 4.700 Peschmerga-Kämpfern. Dieser Einsatz habe auch Erfolg gehabt.

Ein weiteres wichtiges Mittel zur Bekämpfung des IS ist für von der Leyen die Diplomatie. Die beteiligten Interessengruppen müssten sich zusammensetzen und den IS als gemeinsamen Feind definieren. Dies sei ein erster wichtiger Schritt.



Das reicht Karim aber nicht, Deutschland müsse sich zudem fragen, warum es immer noch Waffen nach Saudi-Arabien liefere und Ulrich Wickert forderte, den IS in puncto Waffenimporte und Ölexporte militärisch und finanziell auszutrocknen.

Georg Mascolo war in der Frage, wie sich die Lage im Nahen Osten wieder kontrollieren lasse indes deutlich resignierter. Weder militärische Intervention noch keine militärische Intervention habe in der Vergangenheit etwas gebracht.

Welche Botschaft ging von der "Günther-Jauch"-Folge aus?

Bei der Sendung konnte man folgenden Tenor erkennen: Jetzt erst recht. Jetzt erst recht müssen wir weiterhin Flüchtlingen Schutz bieten, denn sie sind nicht Täter, sondern Opfer.

Die Anschläge richteten sich gegen alle. Und jetzt erst recht müssen wir die Werte unserer offenen Gesellschaft verteidigen und dürfen uns nicht einschüchtern lassen.

Oder wie es Julia Schmitz auf die Frage, ob sie weiterhin zu Konzerten gehen werde, ausdrückte: "Natürlich werden wir nicht einknicken."

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