Hunderttausende haben das "Manifest für Frieden" bereits unterschrieben, in dem Politikerin Sahra Wagenknecht und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ein Ende deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine und "Kompromisse" beider Kriegsparteien fordern. Bei "Markus Lanz" wurde die ehemalige Linken-Fraktionschefin deshalb scharf kritisiert – unter anderem von SPD-Politiker Kevin Kühnert und der ehemaligen Fernsehredakteurin Marina Owsjannikowa.
Das war das Thema bei "Markus Lanz"
Am 24. Februar jährt sich der russische Angriffskrieg in der Ukraine zum ersten Mal - und ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Nachdem US-Präsident Joe Biden mit einem Blitz-Besuch in Kiew überrascht und dem ukrainischen Präsidenten
Im Gespräch mit ZDF-Moderator
Das waren die Gäste
Kevin Kühnert , Politiker und SPD-Generalsekretär: "Hätte niemand Waffen geliefert, könnten wir heute nicht mehr über die Ukraine sprechen."- Sahra Wagenknecht, Politikerin und Ex-Linke-Fraktionschefin: "Wer den Krieg beenden will, muss mit Russland verhandeln."
- Marina Owsjannikowa, Journalistin: "Das heldenhafte Volk der Ukraine kämpft nicht nur für seine eigene Freiheit, sondern die Freiheit der demokratischen Welt."
- Ljudmyla Melnyk, Ukraine-Expertin und Wissenschaftlerin vom "Institut für Europäische Politik": "Den Krieg können wir nur einfrieren."
Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Mit ihrem "Manifest für Frieden" sorgten
Ukraine-Expertin Ljudmyla Melnyk verurteilte bei "Markus Lanz" die Initiative von Wagenknecht und Schwarzer und nannte sie einen "Akt von Arroganz": "Ich habe das Gefühl, dass viele Deutsche wirklich glauben, wir Ukrainer müssten nur ein paar Territorien abgeben." Statt klein beizugeben, verteidigte sich Wagenknecht jedoch im Gespräch mit Markus Lanz und erklärte: "Was mir Angst macht, ist, dass Russland angekündigt hat, aus dem 'New Start'-Vertrag auszutreten." In dem Vertrag bekannten sich Russland und die USA bislang zur Verringerung strategischer Waffen.
"Wir gehen in eine Welt mit immer weniger Vertragswert, wo immer mehr aufgerüstet wird", fürchtete Sahra Wagenknecht, die zudem direkt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kritisierte. Dieser habe "Verhandlungen verboten, bis die Krim zurückerobert wird". Weiter führte sie aus: "Es gibt keine diplomatischen Anzeichen und kein Angebot. So schaukelt sich das immer weiter hoch. Wir werden immer tiefer in diese Krise hineingezogen." Die Politikerin forderte deshalb in der ZDF-Sendung: "Wir müssen endlich ein Friedensangebot machen, statt über noch mehr Waffenlieferungen zu reden."
Dem widersprach vor allem die ehemalige russische Journalistin Marina Owsjannikowa vehement, die am 14. März 2022 mit einem "No War"-Schild im russischen Staatsfernsehen gegen Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen das Nachbarland protestiert hatte. Bei "Markus Lanz gab die Journalistin nun offen zu: "Ich empfinde selbstverständlich eine grosse Schuld, die Kreml-Propaganda so lange weiterverbreitet zu haben. Aber dieser Krieg war für mich ein 'Point of no Return'."
Owsjannikowa erklärte zudem, warum sie die Sichtweise von Sahra Wagenknecht nicht teilt: "
SPD-Politiker Kevin Kühnert stimmte mit ernstem Blick zu: "Nur, weil wir militärisch unterstützen, heisst das ja nicht, dass wir nicht auf einen Frieden aus sind. Niemand hat etwas gegen Verhandlungen, denn das Sterben soll aufhören. Die Frage ist ja nur, was denn das Ziel für diejenigen ist, die überfallen worden sind? Worüber soll genau verhandelt werden? Hätte niemand Waffen geliefert, könnten wir heute nicht mehr über die Ukraine sprechen."
Das war das Rede-Duell des Abends: Lanz reagierte fassungslos
In der entstehenden Grundsatzdiskussion stand vor allem Sahra Wagenknecht im Fokus. Als sie von Markus Lanz auf das Massaker von Butscha angesprochen wurde, sagte die Politikerin energisch: "Kriegsverbrechen sind kein Grund, einen Krieg weiterzuführen. Das ist ein Grund mehr, den Krieg abzubrechen. Ich finde diesen Krieg ein Verbrechen und ich will, dass der Krieg endet. Mit Waffen, Panzern und Kampfjets beendet man doch aber keinen Krieg! Das ist verantwortungslos."
Lanz reagierte fassungslos: "Frau Wagenknecht, Sie haben sich eine harte Diskussion gewünscht. Dann lassen Sie uns diese jetzt auch führen." Ljudmyla Melnyk verurteilte ebenfalls die Rhetorik der ehemaligen Linken-Fraktionschefin und bemängelte: "Das ist eine Weiterführung der russischen Propaganda. Sie tragen doch eine politische Verantwortung. Warum sind Sie noch nie in die Ukraine gefahren und haben dort versucht, mit den Menschen zu sprechen?"
Wagenknecht wehrte sich mit den Worten: "Dieser Polit-Tourismus, bei dem man bewacht in ein Land fährt und Fotos macht und danach sagt, dass man weiss, wie die Stimmung im Land ist, daran glaube ich nicht." Daraufhin stichelte Lanz: "Und dann ist es besser, erst gar nicht hinzufahren?"
Auch Marina Owsjannikowa schaltete sich in die Diskussion mit ein und stellte sich gegen die Linken-Politikerin: "Seit 2014 habe ich das Gefühl, dass Sahra Wagenknecht von Putin bezahlt wird. Sie wollen mit einem Kriegsverbrecher verhandeln, der das ukrainische und das eigene Volk ausrottet. Was er macht, ist Völkermord - und Sie vertreten seine Narrative. Ich bin in Lebensgefahr und Sie forcieren seine Propaganda!"
Auch Ljudmyla Melnyk stimmte zu und fragte: "Was mich wundert, ist, dass Sie kein einziges Mal das Wort Gerechtigkeit in den Mund genommen haben. Sollen wir uns an den Verhandlungstisch mit Putin setzen und ihm alle Verbrechen verzeihen?" Daraufhin legte auch Kevin Kühnert nach: "Sie reden über mögliche Lösungen, ohne einmal zu hinterfragen, ob die Ukraine damit einverstanden wäre. Sie machen die Ukraine zu einem Spielstein, der in der internationalen Politik hin- und hergeschoben wird. Das ist eine ganz schiefe Ebene, die Sie hier aufmachen. Sie umschiffen die Ukraine in jeder einzelnen Aussage!"
Mit lauter Stimme setzte sich Sahra Wagenknecht gegen die Vorwürfe zur Wehr: "Das ist doch irre! Die deutsche Debatte ist doch verrückt! Die Reaktionen auf unser Manifest sind aberwitzig! Ich finde, dass der Westen auch eine Verantwortung hat. Wir sind in gewisser Weise ein Teil dieses Krieges. Das, was wir machen, ist doch keine Solidarität mit der Ukraine, das ist doch zynisch."
ZDF-Moderator Markus Lanz intervenierte schliesslich und beendete die Diskussion, indem er sich zu folgendem Satz hinreissen liess: "Ich lege meine Hand ins Feuer, dass hier niemand sitzt, der von Putin bezahlt wird. Das ist mir wichtig, das klarzustellen."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Lanz hatte am Dienstagabend Schwierigkeiten, seine Gäste im Zaum zu halten. Vor allem Sahra Wagenknecht hatte im Laufe der Sendung den grössten Redeanteil und liess sich nur schwer stoppen. Viele Fragen des Moderators verliefen im Sand, weil sich die geladenen Gäste über mehrere Themen gleichzeitig echauffierten und deshalb nur schwer ein roter Faden beibehalten werden konnte. Dennoch schaffte es Markus Lanz, eine angeregte Diskussion am Laufen zu halten, bei der vor allem Sahra Wagenknecht mehrmals in Verlegenheit geriet und den Fragen von Kevin Kühnert auffällig oft auswich.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Mit Blick auf den Jahrestag des Ukrainekrieges zeigte auch die Diskussion bei "Markus Lanz" ganz deutlich, wie aufgeheizt die Stimmung aktuell auf der Welt ist. Ein klarer Ausgang des Krieges oder eine konkrete Friedensstrategie war auch am Dienstagabend nicht ersichtlich. Die Gäste der ZDF-Sendung waren sich lediglich einig, dass der Krieg früher oder später am Verhandlungstisch enden wird. Auch Markus Lanz zeigte sich am Ende der Sendung nach einem hitzigen Wortgefecht mit Sahra Wagenknecht zerrissen und wählte die passenden Schlussworte: "Dieser Balance-Akt ist wahnsinnig schwer auszutarieren." © 1&1 Mail & Media/teleschau
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