Wenn nichts mehr geht, über die Bahn reden geht immer. Was bei Partys funktioniert, klappt offenbar auch bei Talkshows. Diesen Eindruck hatte man zumindest bei der jüngsten Ausgabe von "Hart, aber fair". Ein Gast sorgte mit einem einzigen Satz für die Bestätigung aller Vorurteile über die Bahn.
Es gibt wohl kaum ein Unternehmen in Deutschland, über das so viele Menschen eine Meinung haben wie über die Deutsche Bahn. Doch dabei geht es meist um Service und Pünktlichkeit.
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Mit diesen Gästen diskutierte Frank Plasberg:
- Richard Lutz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG
Anton Hofreiter (B'90/Grüne), Fraktionsvorsitzender im Bundestag- Judith Henke, Studentin, die regelmässig mit der Bahn pendelt
Micky Beisenherz , Comedy-AutorBernd Althusmann (CDU), Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung
Darum ging es bei "Hart, aber fair":
Probleme:
Es dauert nur wenige Minuten, bis so ziemlich jeder in der Runde irgendeine Anekdote erzählt hat, was er nicht alles für Geschichten mit der Deutschen Bahn erlebt hat.
Doch was sich zunächst absurd anhört, sind beim genauen Hinsehen handfeste Probleme, die dem Kunden das Bahnfahren zu einem Ärgernis machen: defekte Toiletten, Verspätungen, Zugausfälle, fehlende Reservierungen, mangelnder Grünschnitt an den Strecken und so weiter.
Es ist vor allem Comedy-Autor Micky Beisenherz, der hier mit launigen Anekdoten punktet und das Fazit zieht, wie über Bahnfahrer gesprochen wird: "Wenn wir über die Kunden sprechen, sprechen wir über leidensfähige Liebhaber dieses Unternehmens."
Lösungen:
So sehr über Probleme geplaudert wurde, so wenig ging es im Anschluss über Lösungen. Weitgehend einig war sich die Runde immerhin, dass die Bahn eine zentrale Stellschraube beim Kampf gegen die Klimakrise sein kann, dafür müssten aber die Menschen von der Bahn begeistert werden.
"Wenn jetzt kräftig investiert wird, die Bahn pünktlich ist, kann man viele Menschen überzeugen", meint beispielsweise Bernd Althusmann.
Anton Hofreiter fordert ebenfalls massive Investitionen, die weit über den Erhalt des Status Quo hinausgehen müssen. Gleichzeitig müsse man politisch Rahmenbedingungen schaffen, bei deren Ausfüllung aber auch die ganze Gesellschaft gefragt sei, zum Beispiel beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen für mehr Ökostrom bei der Bahn: "Wir machen das Ganze ja nicht, weil wir irgendwelche Leute ärgern wollen. Wir machen das, weil wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen retten wollen und müssen."
Der Satz des Abends, Teil I:
Nun ist Bahnchef Lutz bei einer solchen Diskussion, in der jeder eine Geschichte über seine schlimmen Erlebnisse mit der Deutschen Bahn erzählt, natürlich nicht zu beneiden.
Ihm bleibt hier nur die Rolle, sein Unternehmen irgendwie zu verteidigen, was Lutz auch tapfer, aber nicht besonders kreativ macht.
"Ich will nichts verniedlichen, wir wollen besser werden." "Wir können und müssen besser werden." Oder auch: "Am Ende des Tages müssen wir besser werden."
Solche Sätze des Bahnchefs kann man als Eingeständnis von Versäumnissen in der Vergangenheit lesen – oder aber auch als Versprechen für die Zukunft.
Der Satz des Abends, Teil II:
Doch egal, wie auch immer man die wenig kreativen Entschuldigungen von Lutz nun liest, ein Satz des Bahnchefs machte nicht nur die Runde, sondern vor allem Moderator Plasberg sprachlos.
Plasberg spricht Lutz darauf an, ob es nicht ein Taschenspielertrick sei, dass komplett ausgefallene Züge nicht in die Pünktlichkeitsstatistik der Bahn einfliessen.
Der Bahnchef hat dafür seine ganz eigene Begründung: "Wenn ein Zug nicht kommt, kann er nicht unpünktlich sein." "Wer platzt jetzt, Herr Althusmann oder Herr Hofreiter?", schiebt Plasberg die Empörung erst einmal an seine Gäste.
So schlug sich Frank Plasberg:
Frank Plasberg gab sich zwar sichtlich Mühe, ein bisschen Seriosität walten zu lassen, aber selbst der Moderator konnte sich den einen oder anderen Bahn-Kalauer nicht verkneifen.
Zusammen mit den Anekdoten seiner Gäste, allen voran Micky Beisenherz', war dann das Humor-Level für eine sachliche Diskussion mitunter ein bisschen zu hoch.
Das Fazit:
Es ist ein bisschen ironisch, dass man sich die Zeit für eine Diskussion über die Pünktlichkeit der Bahn hätte sparen können, aber genau das war der Fall.
Nicht nur, weil man nach der Diskussion inhaltlich nicht mehr wusste, als vorher, sondern auch, weil bei der Vorstellung der Gäste das Zitat von Micky Beisenherz bereits die völlig falsche Ausgangsfrage des Talks offenlegte.
"Klimaretter oder Nervenkiller – was kann die Deutsche Bahn?", fragte Frank Plasberg und man ahnte hier bereits, dass das eine das andere nicht ausschliessen muss. Oder wie Beisenherz es gleich am Anfang verriet: "Sie ist Klimaretter und Nervenkiller." Ach was.
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