Spätestens seit dem jüngsten Flüchtlingsgipfel in Berlin stellt sich erneut die dringende Frage, was in der deutschen Einwanderungspolitik schiefläuft. Am Donnerstagabend diskutierten unter anderem Boris Palmer und Ralf Stegner bei "Markus Lanz" über mögliche Auswege aus der Misere.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Diskussion zum Thema Einwanderungspolitik hat sich seit der Messerattacke im Regionalzug in Norddeutschland erneut verschärft. Auch die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien sowie der jüngste Flüchtlingsgipfel in Berlin werfen ein neuerliches Licht auf die Probleme der deutschen Asylpolitik. Am Donnerstagabend diskutierten unter anderem Boris Palmer und SPD-Politiker Ralf Stegner über den Bürokratie-Wahnsinn in Deutschland und lieferten sich bei "Markus Lanz" eine teils hitzige Debatte.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Seien es die Ausschreitungen in der Silvesternacht, die Messerattacke im Regionalzug auf der Strecke von Kiel nach Hamburg, bei der zwei Menschen ums Leben kamen, oder die jüngste Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien: Die deutsche Einwanderungspolitik steht wieder verstärkt im Fokus. Dass hierbei längst nicht alles rund läuft, zeigte auch der aktuelle Flüchtlingsgipfel in Berlin. Bei "Markus Lanz" am Donnerstagabend zeigten die Gäste wunde Punkte der Asyl- und Einwanderungspolitik auf. Im Mittelpunkt der in Teilen hitzigen Diskussion: Boris Palmer, Ralf Stegner sowie die Integrationsbeauftragte Güner Balci.

Das sind die Gäste

  • Ralf Stegner, SPD-Politiker, ist überzeugt: "So ein reicher Kontinent wie Europa muss beweisen, dass man humanitär hilft."
  • Gerald Knaus, Soziologe und Migrationsforscher, forderte: "Wir brauchen jetzt ein klares Signal an die Türkei, dass wir helfen."
  • Güner Balci, Integrationsbeauftragte, legte dar: "Wir müssen jetzt keine Integrationsdebatte, sondern eine Debatte über die Abgehängten führen."
  • Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer verlangte radikales Umdenken: "Wir können uns die vielen Illusionen nicht weiter leisten."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf die aktuelle Erdbeben-Katastrophe in der Türkei und in Syrien begann Markus Lanz die Sendung mit dem Satz: "Die deutsche Politik steht gerade unter Druck." Dem stimmten die anwesenden Gäste zu. Migrationsforscher Gerald Knaus merkte an: "Das ist jetzt schon die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte der Türkei." Alleine in den zehn betroffenen Provinzen der Türkei sollen mehr als 1,7 Millionen registrierte syrische Flüchtlinge gelebt haben, die nun ein neues Zuhause brauchen.

Dass der aktuelle Flüchtlingsgipfel in Berlin zeitgleich zu keinem klaren Ergebnis kam, ist für Knaus ein Armutszeugnis. Beim Gipfel hatte sich deutlich gezeigt, dass die deutschen Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten am Limit sind. Auch dringende Finanzfragen konnten nicht geklärt werden.

Trotzdem nahm Gerald Knaus die Europäische Union in Schutz und merkte an: "Die EU hat es geschafft, dieses Geld für sinnvolle Projekte zu verplanen, die Leute zugutekamen." Gleichzeitig forderte der Migrationsforscher jedoch auch in Bezug auf die Erdbebenkatastrophe: "Deutschland ist ein Hauptziel für Immigration. Wir brauchen jetzt ein klares Signal an die Türkei, an die Gesellschaft, dass wir helfen."

SPD-Politiker Ralf Stegner stimmte zwar zu, ergänzte aber mit ernstem Blick: "Ich glaube, dass man unterscheiden muss zwischen humanitärer Pflicht und anderen Flüchtlingsthemen. Wir können natürlich nicht alle aufnehmen. Aber so ein reicher Kontinent wie Europa muss beweisen, dass man humanitär hilft." Markus Lanz schaltete sich daraufhin in die Diskussion mit ein und fragte: "Es ist ja gut und wichtig, zu helfen. Aber an welchem Punkt kommt man einfach an Grenzen? Wo kommt die ganze Infrastruktur her, die du auch brauchst, wenn du sagst: Wir kümmern uns um Flüchtlinge?"

Das ist das Rede-Duell des Abends

Auf die Frage von Markus Lanz entbrannte in der Runde eine Grundsatz-Diskussion. Die Integrationsbeauftragte Güner Balci kritisierte unter anderem das komplizierte deutsche System, dem viele Flüchtlinge und Einwanderer ohne wirkliche Hilfe ausgesetzt würden. Boris Palmer stimmte zu und verriet, dass er in Tübingen pauschale Aufenthaltsrechte an Migranten für ein Jahr ausstellen lasse - ohne Prüfung. Der Grund: "Wir können die ganzen Anträge schlicht gar nicht mehr bearbeiten. Im Ausländeramt ist niemand mehr da, der die Akten anschauen könnte."

Der umstrittene Oberbürgermeister, dessen Parteimitgliedschaft bei den Grünen ruht, monierte: "Das System ist zu deutsch und zu kompliziert. Und das hat dramatische Auswirkungen. Wir hatten eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft. Das ist jetzt aber langsam vorbei." Balci nickte und ergänzte: "In der grössten Not entstehen ja immer die grössten Ideen, und man lernt die stärksten Menschen kennen. Und dann scheitert man an der Bürokratie und der Verwaltung. Das ist unmöglich!"

Auch SPD-Politiker Ralf Stegner mischte sich ein und blickte auf die Arbeitswilligkeit vieler Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, um sich ein neues Leben aufzubauen: "Ganz viele, die sich beklagen, dass die Leute nicht arbeiten, übersehen, dass es unmöglich für sie ist, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Und die meisten wollen arbeiten! Wir haben ein sehr verrechtlichtes System."

Dem widersprach Boris Palmer: "Nicht jeder kommt als protestantischer Workaholic auf die Welt." Als der Oberbürgermeister Tübingens dann von "arbeitsunwilligen Syrern" sprach, schaltete sich die Integrationsbeauftragte Güner Balci ein: "Das finden wir aber überall in der Gesellschaft. Es ist falsch, jetzt 'arbeitsunwillige Syrer' zu stigmatisieren."

Markus Lanz lenkte daraufhin den Fokus wieder auf die über 2,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland und fragte in die Runde: "Warum sind wir nicht in der Lage, Leute schlicht und ergreifend in Arbeit zu kriegen?" SPD-Politiker Stegner antwortete darauf nüchtern: "Wenn ich Leute arbeiten lasse und ihnen einen vernünftigen Aufenthaltstitel und ein anständiges Gehalt gebe, dann würde ich einen Grossteil in Arbeit kriegen. Das haben wir aber nicht." Auch Boris Palmer erklärte: "Es ist nicht so, dass Menschen, die arbeiten in diesem Land, belohnt werden, wenn sie einen Asyltitel haben. Das ist nicht der Fall!" Stegner stimmte zu und lieferte das passende Schlusswort: "Das müssen wir ändern."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Lanz schaffte es in der Sendung nicht ganz, einen roten Faden beizubehalten. Die anwesenden Gäste lieferten teilweise steile und auch interessante Thesen, doch die Runde kam zu keinem klaren Ziel. Zu viele Themen wurden angerissen, aber keines konnte ausreichend detailliert beleuchtet werden. Dennoch stellte Markus Lanz wichtige und konkrete Fragen und liess vor allem bei Äusserungen von Ralf Stegner und Boris Palmer nicht locker und hakte gewohnt beharrlich nach.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Das Thema Einwanderungs- und Asylpolitik ist ein Thema, das nicht nur ganz Deutschland, sondern auch die Gäste bei "Markus Lanz" immer wieder aufs Neue bewegt. Wie viel Diskussionspotenzial im Thema herrscht, wurde auch am Donnerstagabend schnell deutlich. Nach den unlängst getätigten "Pascha"-Äusserungen von CDU-Chef Friedrich Merz stellte der ZDF-Moderator aktuell klar: "Wir haben ein kulturelles Thema. Zuwanderung und Migration - ein Thema, das uns alle beschäftigt. Wir werden als Gesellschaft Antworten geben müssen. Und es werden nicht nur schöne Antworten sein." Dennoch fand er auch in seiner aktuellen Sendung keine klaren Antworten und beendete die Runde mit den Worten: "Wir drehen uns im Kreis. Ich fürchte, das Thema wird uns noch länger beschäftigen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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