Maybrit Illner diskutierte mit ihren Gästen Hintergründe und Strategien gegen kriminelle Familienclans. Die Botschaft der Runde: Fürchten müssen sich die kriminellen Familien noch nicht. Zittern sollten sie aber schon einmal.
Razzien, Überfälle, Verbindungen zu Rap-Stars und nicht zuletzt die Fernsehserie "4 Blocks": Sogenannte Familienclans ziehen momentan nicht nur das Interesse der Medien auf sich, sondern auch das der Staatsanwaltschaft. "Familienbande – kriminelle Clans ausser Kontrolle?", fragt daher auch
Mit diesen Gästen diskutierte Maybrit Illner:
- Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen
- Sebastian Fiedler, Vorsitzender Bund Deutscher Kriminalbeamter
- László Anisic, Strafverteidiger
- Laura Garavini, Anti-Mafia-Aktivistin
- Dirk Behrendt (Die Grünen), Justizsenator von Berlin
- Ralph Ghadban, Migrationsforscher
Warum jetzt?
Dass die sogenannte Clan-Kriminalität gerade jetzt so im Fokus der Aufmerksamkeit steht, hat für Sebastian Fiedler einen eindeutigen Grund: Diese Art von Kriminalität wird endlich als solche wahrgenommen: "Die Politik ergreift jetzt Massnahmen, weil das Problembewusstsein so stark geworden ist."
Laut Fiedler habe man in Deutschland eine sehr "reaktive Kriminalpolitik." Man diskutiere erst, wenn das Problembewusstsein der Bevölkerung gestiegen ist.
Dem war in der Vergangenheit laut Fiedler aber nicht so: "Die politische Rückendeckung hat nicht stattgefunden. Das hat nicht auf der Agenda gestanden."
Besonderheit der Clan-Kriminalität
Einen grossen Unterschied zu anderen Formen der Kriminalität sieht Ralph Ghadban in der Gruppenzugehörigkeit. Bei der organisierten Kriminalität würden vor allem Erwachsene freiwillig Teil der Strukturen werden.
Anders sehe es laut Ghadban dagegen bei Clan-Kriminalität aus: "Man wird in den Clan hineingeboren, man hat keine andere Wahl. Wegen dieser Zugehörigkeit sind diejenigen, die keine Straftäter sind, zum Schweigen verpflichtet."
Für die Anti-Mafia-Aktivistin Laura Garavini gibt es auch einen Unterschied in den Methoden: "Die italienische Mafia handelt wesentlich unauffälliger als arabische Clans." Für Garavini habe die italienische Mafia erkannt, dass es nur den Verfolgungsdruck erhöhe, würden die kriminellen Aktivitäten öffentlich werden.
Garavini weist aber noch darauf hin: "Organisierte Kriminalität ist nicht immer ausländisch. Es gibt auch deutsche organisierte Kriminalität."
Fehler der Vergangenheit
Eines der Probleme, da war sich die Runde einig, ist die Tatsache, dass die Integration der Familien, die zum Teil aus nachvollziehbaren Gründen nach Deutschland geflohen sind, nicht wirksam stattgefunden habe. Unter anderem auch deshalb, weil viele Migranten gar nicht arbeiten durften und nur einen Duldungsstatus hatten.
Für NRW-Innenminister Reul ist deshalb klar: "Die Lehre aus den 1980er Jahren ist: Lasst die nicht allein. Es war das Problem der Nichtfähigkeit der Politik, das Problem zu sehen."
In diesem Zusammenhang weist Migrationsforscher Ghadban auf ein grundsätzliches Dilemma hin: "Wir haben das Problem der Integration von Gruppen in eine individualisierte Gesellschaft."
Will heissen: Es würden grossfamiliäre Strukturen aus den Heimatländern mitgebracht, Integration könne aber nur auf einer individuellen Ebene funktionieren.
Strategien gegen die Clan-Kriminalität
Auch in diesem Punkt war sich die Runde einig: Die Bekämpfung der Clan-Kriminalität ist eine Mammut-Aufgabe, bei der es laut Fiedler "keine kurzfristigen Erfolge" geben werde. Innenminister Reul ist daher wichtig, dass man vom Reden nun endlich ins Handeln komme, wenn auch nur Schritt für Schritt.
Diese Politik der kleinen Nadelstiche sieht auch eine Kommissarin in einem der Einspieler über Razzien bei kriminellen Clans als wichtig an: "Viele Aufgriffe sind der Anfang zu einem grossen Ermittlungsverfahren."
Polizist Fiedler sieht zusätzlichen Handlungsbedarf: "Wir können nicht jede Woche Grossaktionen starten. Wir müssen Einheiten aufstellen, die über mehrere Jahre nichts anderes tun, als sich mit denen zu beschäftigen."
Aber es stehen auch neue rechtliche Mittel zur Verfügung, wie Dirk Behrendt erklärt: "Wir nutzen in Berlin die neuen gesetzlichen Möglichkeiten, insbesondere zur Immobilienabschöpfung. Wir wollen zeigen: Verbrechen lohnt sich nicht."
Für Behrendt spielen dann auch Kleinigkeiten eine Rolle, wenn zum Beispiel ein Clan-Mitglied den ÖPNV nutzen muss, weil sein Luxus-Auto einkassiert wurde: "Ich weiss nicht, ob die zittern. Die finden das aber nicht schön, wenn wir ihnen etwas wegnehmen. Wir gehen zum Beispiel auch an die Autos ran."
Ralph Ghadban hat aber noch einen anderen Ansatz: "Ich verlange seit Jahren ein Aussteiger-Programm. Der Schwachpunkt und gleichzeitig die Stärke der Clans sind die Frauen."
Insgesamt, so der Konsens, müsse auch die Zivilgesellschaft in den Kampf gegen die Clan-Kriminalität mit einbezogen werden, um zum Beispiel die Angst vor möglichen Folgen einer Zeugenaussage zu nehmen.
Der Schlagabtausch des Abends
Einen konkreten Schlagabtausch des Abends gab es nicht. Vielmehr teilten alle Gäste Seitenhiebe gegeneinander auch.
Denn auch wenn es offensichtlich war, dass alle in der Runde gegen Clan-Kriminalität argumentierten, zeigte sich ebenfalls deutlich, dass jeder Gast seine ganz eigene Agenda mitgebracht hatte.
Der Anwalt kritisierte die Polizeimethoden, der Vertreter der Polizei klagte über zu wenig politischen Willen und Personal, und der Grünen-Politiker wiederum echauffierte sich mit den typischen "aber Ihre Partei hat doch"-Floskeln über die jahrelange CDU-Tatenlosigkeit.
Dieses Werben in eigener Sache ist weder neu noch verwerflich, es machte es dem Zuschauer aber ein bisschen schwerer, zwischen Agenda-Setting und objektiver Kritik zu trennen.
So schlug sich Maybritt Illner
Souverän, aber unauffällig. Das kann man von den Einspielern, die wie üblich bestimmte Sachverhalte erklären, allerdings nicht behaupten.
Als das Ausmass und die Brennpunkte der sogenannten Clan-Kriminalität in Deutschland veranschaulicht werden sollen, erscheint ein Video mit zwei animierten Shishas mit Maschinenpistolen an den Schläuchen, die dann die Clan-Schwerpunkte in eine Deutschlandkarte schiessen. Das war dann doch ein bisschen drüber.
Das Fazit
Alles in allem war die Ausgabe zur Clan-Kriminalität in Deutschland eine gelungene Diskussionsrunde, bei der der Zuschauer einige interessante Hintergrundinformationen mitnehmen konnte.
Zwar blieb auch diese Runde nicht frei vom üblichen Werben in eigener Sache, das gewohnte Parteien-Geplänkel blieb dem Zuschauer aber erspart.
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