Über den aktuellen Nazi-Skandal rund um die Burschenschaft Germania Wiener Neustadt haben auf Puls 4 am Mittwochabend österreichische Politiker und Publizisten diskutiert. In einem Punkt waren sich alle einig: Die FPÖ müsse sich besser von rechtsaussen abgrenzen. Weniger einig ist man sich, ob das Land im Zweiten Weltkrieg Täter oder Opfer war.

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73 Jahre ist es her, dass die Kapitulation der Wehrmacht nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch das verbrecherische Hitler-Regime beendete. Dass es in Österreich auch heute noch unterschiedliche Deutungen der Rolle Österreichs in der Nazizeit gibt, zeigte die "Pro- und Contra"-Diskussion auf Puls 4 Mittwochabend.

Anlass war das Liederbuch der Burschenschaft "Germania Wiener Neustadt", in dem der Holocaust verherrlicht wurde. Prominentestes Mitglied der Germania war bis vergangene Woche der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer.

Täter- oder Opferrolle Österreichs?

Muss sich die FPÖ besser vom rechten Rand abgrenzen?", fragte Moderatorin Corinna Milborn in die Runde.

Andreas Mölzer, ehemaliger blauer Chefideologe und EU-Abgeordneter beantwortete die Frage indirekt mit Ja. "Es reicht nicht, sich immer nur distanzieren. Wir müssen proaktiv auf diese Fragen herangehen", sagte er. Dazu sei es auch notwendig, sich mit Kritik von aussen auseinanderzusetzen.

Etwa auf die Kritik von Willy Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees, der vor den Nationalratswahlen eine Broschüre mit 68 rechtsextremen bis neonazistischen Ausfällen verschiedener FPÖ-Politiker herausgegeben hat und der ein weiterer Gast der Runde war.

"Ich nehme auf, was Sie machen", sagte Mölzer zu Mernyi. "Wir werden uns mit den Kritikern befassen. Aber natürlich werden wir kein Scherbengericht für uns selbst installieren."

Doch auch Mölzer selbst – der vor einigen Jahren auf eine weitere Kandidatur für das EU-Parlament verzichten musste, weil er vor einem "Negerkonglomerat" in Europa warnte – geriet in der Diskussion ins Out.

Mit der Journalistin des Nachrichtenmagazins "profil" Christa Zöchling lieferte er sich einen Schlagabtausch über die Frage, ob Österreich ein "Opfer" Hitlerdeutschlands gewesen sei – oder doch ein Täterland. Österreich, erklärte Mölzer, sei "primär ein erstes Opfer" gewesen.

Sinneswandel über Zusammenarbeit mit FPÖ

Das empörte nicht nur Zöchling, sondern auch den jüdischen Publizisten und ÖVP-Abgeordneten Martin Engelberg. Er beklagte den "unsauberen Umgang" mit der österreichischen Geschichte. "Was ist los mit diesem Land?", fragte Engelberg in Hinblick auf die zahlreichen rechten Rülpser der jüngeren Vergangenheit.

Der jüdische Vertraute von Bundeskanzler Sebastian Kurz kam freilich selbst deutlich in die Defensive. Einmal, als ihm Moderatorin Milborn einen Gastkommentar vorlas, den er selbst 2012 geschrieben hatte. Darin hatte er als Privatperson leidenschaftlich gegen die FPÖ Position bezogen und vor einer Zusammenarbeit mit dieser Partei gewarnt. Nun, als Politiker, ist er Teil einer türkis-blauen Koalition und verteidigt diese. "Woher der Sinneswandel?", fragte Milborn.

"Seither sind sechs Jahre vergangen, es gab in der Zwischenzeit zwei Wahlen", sagt Engelbert. Weder SPÖ noch ÖVP hätten es geschafft, den Aufstieg der Freiheitlichen bremsen. "Wir haben nun ein Regierungsprogramm, in dem festgehalten ist, dass gewisse Grundregeln eingehalten werden."

Gegen Ende der Diskussion musste sich Engelbert erneut rechtfertigen, gegenüber einem Gast aus dem Publikum. Benjamin Guttmann, Obmann der jüdischen Hochschülerschaft, griff Engelbert scharf an: Die FPÖ sei eine "inhärent antisemitische" Partei. "Wie kannst du, Martin, mit so einer Partei in einer Koalition sitzen?"

Hier blieb Engelbert eine Antwort schuldig.

Antisemitismus nicht nur in der FPÖ

Dass die Blauen generell antisemitisch seien, wies FPÖ-Mann Mölzer freilich zurück. Problematische Ausreisser gebe es in allen Parteien, zum Beleg verwies er darauf, dass in den letzen Tagen auch zwei SPÖ-Politiker zurücktreten mussten, weil sie in rechtsextreme Aktivitäten verwickelt waren.

Mölzer unterstrich auch, dass für Landbauer die Unschuldsvermutung gelte. "Ich gehe davon aus, dass er diese Lieder nicht gesungen hat."

Das brachte Engelbert ins Spiel, der auf die deutliche Abgrenzung des Bundeskanzlers von Landbauer verwies. Ob er mitgesungen habe oder nicht, sei unerheblich, die Mitgliedschaft sei schlimm genug. In der ÖVP wäre jemand wie Landbauer sofort ausgeschlossen worden.

Mölzer konterte mit Hinweis auf eine WhatsApp-Gruppe der ÖVP-nahen ÖH-Fraktion Aktionsgemeinschaft. Im Vorjahr wurde bekannt, dass zahlreiche konservative Studentenpolitiker darin antisemitische und den Holocaust relativierende Äusserungen gemacht hatten. "Sind alle Herren von der AG ausgeschlossen worden?", fragte Mölzer.

"So viel ich weiss, jeder", sagte Engelbert.

Einig war man sich darin, dass es nicht nur in der FPÖ Menschen mit einem problematischen Geschichtsbewusstsein gibt. Wobei Mernyi sich gegen eine allgemeine Verurteilung aller Parteien wandte: Weder bei den Grünen, noch bei den NEOS habe es bisher einen Nazi-Skandal gegeben.

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