Der Angriffskrieg in der Ukraine spaltet weiter die Gemüter. Am Dienstagabend diskutierte Politologe Wolfgang Merkel über die jüngst beschlossenen Panzerlieferungen. Dabei geriet er mit Christoph Heusgen und Saskia Esken aneinander, die bei "Markus Lanz" für eine weltweit starke militärische Unterstützung plädierten.

Eine Kritik
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Der russische Angriffskrieg in der Ukraine sorgt bei "Markus Lanz" weiter für verhärtete Debattenfronten. Am Dienstagabend monierte der Politologe Wolfgang Merkel eine fehlende diplomatische Strategie im Umgang mit Russland. Dabei geriet er mit Christoph Heusgen und Saskia Esken aneinander, die für eine weltweit starke militärische Unterstützung der Ukraine plädierten.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Wie lange und wie brutal wird der Krieg in der Ukraine noch andauern? Diese Frage stellen sich nicht nur Politiker, sondern auch Bürgerinnen und Bürger weltweit. Am 24. Februar jährt sich der Angriff Russlands auf sein Nachbarland zum ersten Mal. In Deutschland ist derweil das Thema Waffenlieferungen wieder ein heiss diskutiertes. Nach der Zusage der "Leopard 2"-Kampfpanzer-Lieferungen richtet sich nun der Blick auf eine mögliche Einbringung von Kampfjets.

Dazu äusserte sich bei "Markus Lanz" nicht nur SPD-Chefin Saskia Esken. Sie geriet in einer hitzigen Debatte unter anderem mit Wolfgang Merkel aneinander, als es um die Strategie innerhalb der deutschen Politik ging. Die Themen am Dienstagabend waren ausserdem der chinesische Ballon, der über den USA abgeschossen wurde, sowie die politische Zukunft von Bundesinnenminister Nancy Faeser.

Das sind die Gäste

  • Saskia Esken, Politikerin und SPD-Chefin, warnte: "Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass Deutschland nicht zur Kriegspartei wird."
  • Veit Medick, Journalist und "Spiegel"-Redakteur, dachte laut über mögliche Nachfolgelösungen für Nancy Faeser nach: "Wenn Frau Esken Innenministerin werden möchte, dann muss sie das einfach nur sagen."
  • Christoph Heusgen, Diplomat und Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, forderte entschieden: "Wir können nicht zusehen, wie China die Oberhand gewinnt."
  • Wolfgang Merkel, Politologe, bekräftigte seinen gegensätzlichen Standpunkt: "Immer mehr Waffen sind eine erschreckende Absage an Politik überhaupt."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zunächst ging es in der Sendung vor allem um die Beziehung zwischen China und Russland. ZDF-Moderator Markus Lanz fragte deshalb in Richtung Saskia Esken, was sie von dem chinesischen Ballon hält, der sich bis vor Kurzem über den USA befunden hat. Die SPD-Chefin erklärte diplomatisch: "Wir sind uns noch nicht darüber im Klaren, worum es dabei ging. Tatsächlich ist die grosse Befürchtung, dass es um Spionage ging. Das wäre dramatisch. Jetzt muss man die Untersuchungen abwarten."

Diplomat Christoph Heusgen schaltete sich daraufhin ein und warnte: "Das ist schon ein alarmierendes Ereignis. Da braut sich was zusammen." Journalist Veit Medick versuchte, die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden einzuordnen, den Ballon abschiessen zu lassen: "Das zeigt, wie stark Biden unter Druck steht, auch Stärke gegen China zu zeigen." Markus Lanz lenkte den Fokus daraufhin auf den Krieg in der Ukraine und fragte in die Runde: "Hat diese Provokation auch etwas mit dem Krieg in der Ukraine zu tun? Der Handel zwischen Russland und China hat immerhin um 50 Prozent zugenommen."

Politologe Wolfang Merkel antwortete auf die Frage mit sichtlichem Unbehagen und stellte klar: "Man merkt schon, dass die Welt nervös geworden ist. Wir wissen ja, dass die grossen Mächte sich intensiv gegenseitig belauschen. Wir erleben gerade eine neue Formierung der Weltordnung. China ist eine aufsteigende Macht, Russland bleibt gegenwärtig bei der Selbstdiskreditierung. Russland bleibt also demnach gar nichts anderes übrig, als der kleine Vasall von den Chinesen zu werden. Neuordnungen sind in der Regel die riskantesten Momente in der Weltgeschichte."

Christoph Heusgen fügte hinzu: "Wenn wir nicht aufpassen, werden wir schon bald einer Mehrheit von Staaten gegenüberstehen, die das russisch-chinesische Narrativ unterstützen. Wir müssen uns dessen bewusst sein." Markus Lanz stimmte zu und ergänzte nachdenklich: "Das spüren wir alle."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Weniger harmonisch ging es zu, als es um die deutsche Rolle im Ukraine-Krieg ging. Wolfgang Merkel stellte gleich zu Beginn der Waffenlieferungs-Debatte klar: "Immer mehr Waffen - das ist eine Verarmung von Regierungskunst. Waffen beenden den Krieg nicht, sondern sie ziehen ihn hin. Der Ukraine werden nicht die Waffen, sondern die Menschen ausgehen."

Der ZDF-Moderator hakte überrascht nach: "Würden Sie sagen, wir sollten aufhören mit Waffenlieferungen?" Der Politologe, Mitunterzeichner des offenen Briefs deutscher Intellektueller an Olaf Scholz im vergangenen Jahr, forderte mit ernstem Blick: "Man wird mit Putin verhandeln müssen." Ein Satz, der bei den anderen Gästen für Unverständnis sorgte.

Mehrheit der Ukrainer würde auch nach russischem Atomschlag weiterkämpfen

Eine grosse Mehrheit der Ukrainer würde auch nach einem Atomangriff durch das russische Militär weiterkämpfen. Das hat eine aktuelle Umfrage ergeben.

SPD-Chefin Saskia Esken erklärte streng: "Aber Putin muss dazu bereit sein. Das ist doch der Punkt! Er ist nicht zu Gesprächen bereit." Auch Christoph Heusgen legte nach und ergänzte: "Herr Merkel, Putin glaubt, dass wir Weicheier sind. Wir müssen die Ukrainer unterstützen und wir können uns nicht immer auf die Amerikaner verlassen. Die werden sich bald um China kümmern. Putin hat einen langen Atem, der hat zu Hause keine Opposition."

Wolfgang Merkel wollte dieses Argument nicht gelten lassen und stichelte: "Sagt jetzt der Diplomat Heusgen, dass wir keine diplomatische Strategie haben, die Ukraine so stark zu machen, dass sie den Krieg gewinnt und Territorien zurückerobert? Was ist denn das strategische Ziel? Dass beide Seiten ermattet sind und dann kommt die Stunde der Diplomatie? Putin kann viel mehr Tote hinnehmen als die Ukraine."

Christoph Heusgen wurde daraufhin laut und stellte klar: "Das stimmt doch überhaupt nicht! Putin hört nicht auf. Wir haben alles versucht, rund um die Uhr. Wir bekommen ihn nicht an den Verhandlungstisch! Putin glaubt, dass er stärker ist und uns besiegt. Wir müssen zu einem Punkt kommen, wo er einsieht, dass er militärisch so nicht mehr weiterkommt." Eine düstere Prognose, die Markus Lanz schliesslich auf das Thema Kampfjets brachte. Nachdem sich sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch US-Präsident Joe Biden öffentlich gegen eine Lieferung von Kampfjets ausgesprochen hatten, liess sich Saskia Esken in der ZDF-Sendung weniger in die Karten blicken.

Die Politikerin erklärte mit ruhiger Stimme: "Egal, welche Entscheidung wir treffen, am nächsten Tag ist die nächste Forderung da. Das macht die Situation eben so schwierig. Unsere Entscheidungen haben sich nie nach Geschrei entwickelt. Wir agieren gemeinsam mit unseren Verbündeten." Christoph Heusgen schien damit nicht ganz einverstanden zu sein und fügte hinzu: "Dieses Vorpreschen beim Neinsagen sollte endlich aufhören."

Journalist Veit Medick beendete die Diskussion dagegen mit einer ganz anderen Forderung: "Ich finde das 'Nein' zu Kampfjets für den Moment in Ordnung. Man muss immer schauen, was vor Ort gebraucht wird. Im Moment fehlt es eher an Munition. Jetzt muss es eine klare Munitionsstrategie geben. Dieser Krieg endet nicht in zwei Monaten."

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So hat sich Markus Lanz geschlagen

Lanz konnte seinen Gästen mit gezielten Nachfragen teils steile Thesen entlocken. Vor allem beim Ukraine-Krieg liess er seinen Gästen viel Freiraum und unterbrach nur selten den Redefluss. Ein roter Faden lief durch die Sendung, auch wenn beim Thema Waffenlieferungen schliesslich keine einheitliche Meinung erzielt werden konnte. Zum Ende der Sendung schwenkte der ZDF-Moderator überraschenderweise noch einmal um und drängte SPD-Chefin Saskia Esken dazu, sich zur Spitzenkandidatur von Innenministerin Nancy Faeser bei den hessischen Landtagswahlen zu äussern.

Esken blieb neutral und verteidigte ihre Kollegin, die ihr Ministeramt nur abhängig vom Wahlergebnis aufgeben will. Gleichzeitig schloss sie jedoch nicht aus, in Zukunft möglicherweise selbst den Posten der Bundesinnenministerin zu besetzen, sagte aber: "Ich bin mit meiner jetzigen Rolle sehr glücklich und würde sagen, dass ich darin auch nicht ganz unerfolgreich bin." Lanz beendete die Sendung glücklich und sagte stolz: "Toll, da tut sich was!"

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Während sich die Mehrheit der Gäste bei Fragen zur chinesisch-russischen Beziehung einig waren, zeigte sich die Runde beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine deutlich aufgeheizter. Auch ZDF-Moderator Markus Lanz beteiligte sich an der Diskussion und stellte klar: "Ich habe nicht das Gefühl, dass wir als Nation auftreten, die führen möchte." Nachdem vor allem Saskia Esken, Christoph Heusgen und Wolfgang Merkel aneinandergeraten waren, als es um die Lieferung von Kampfjets ging, beendete Lanz die Debatte mit den Worten: "Wir werden das Thema heute nicht lösen."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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