Vor ziemlich genau einem Jahr ist das passiert, was viele Experten nie für möglich und die meisten für einen schlechten Witz gehalten haben: Donald Trump wurde zum Präsidenten der USA gewählt. Wie hat Trump in diesem Jahr die Welt verändert? Darüber diskutierte gestern Abend Maybrit Illner mit ihren Gästen. Fazit: Trump bedeutet nicht unbedingt das Ende der Welt, sondern nur das Ende der Welt, die wir kannten.

Christian Vock
Eine Kritik
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"Diesmal könnte es tatsächlich eng werden für Donald Trump." Mit trauriger Regelmässigkeit beginnen journalistische Einschätzungen zur Lage des US-Präsidenten mit diesem oder ähnlichen Sätzen. Und mit der gleichen Regelmässigkeit haben sich diese Einschätzungen bisher als falsch erwiesen.

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Damit enden aber auch schon die Beständigkeiten bei Donald Trump. Wenn etwas Trumps Politikstil charakterisiert, dann ist das seine Unberechenbarkeit. Was bedeutet so ein Präsident für die USA, was für die Welt? Maybrit Illner formuliert es gestern Abend so: "Der unfassbare Präsident – was hat Donald Trump verändert?"

Das waren die Gäste bei Maybrit Illner

  • Anke Domscheit-Berg (parteilos), Publizistin und Bundestagsabgeordnete
  • Sigmar Gabriel (SPD), Bundesaussenminister
  • Erik Kirschbaum, US-amerikanischer Journalist
  • Bernhard Mattes, Manager und Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland
  • Claus Kleber, Moderator des "heute journal" und ehemaliger ARD-Korrespondent in Washington

Darüber wurde bei Maybrit Illner diskutiert

Ein Jahr Präsidentschaft in einer einstündigen Sendung zusammenzufassen und einzuordnen, ist an sich schon ein ehrgeiziges Unterfangen. Ob es dabei einfacher oder schwieriger ist, dass es sich um die Präsidentschaft Donald Trumps handelt, ist auch nach der gestrigen Sendung schwer zu sagen.

Maybrit Illner war diese Unsicherheit gestern von Beginn an anzumerken, und es dauerte ein bisschen bis die Sendung Konturen annahm. Am Ende kristallisierten dann aber doch verschiedene Schwerpunkte heraus:

Innenpolitik

Claus Kleber warnte davor, den Einfluss Trumps auf das Land zu unterschätzen: "Das ganze Land geht in eine andere Richtung", erklärt der Journalist und verweist beispielhaft auf viele Verordnungen beim Umweltschutz, die Trump inzwischen kassiert hat.

Aussenminister Gabriel wies darauf hin, dass Trump nicht die Ursache, sondern das Ergebnis der Anti-Establishment-Haltung ist, die es schon vorher gab.

Wirtschaft

Die Wirtschaftspolitik war eines der ganz grossen Themen des gestrigen Abends – wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil es eben auch für Trump die zentrale Rolle spielt. Hier konnte vor allem Bernhard Mattes aufschlussreiche Einblicke geben, weil er die Schreckensszenarien ein wenig relativierte.

Nach wie vor sässen Anhänger des Freihandels an entscheidenden Stellen, aber, das gab Mattes auch zu, Sorgen würde den Unternehmen vor allem Trumps Unberechenbarkeit bereiten. Die mache es Unternehmen schwer, langfristig zu planen.

Einig war sich die Runde, dass Trumps kurzfristige und protektionistische Wirtschaftspolitik vor allem für China ein Segen sei. Überall auf der Welt würden Chinesen in das Vakuum vorstossen, das Trump durch den Rückzug der USA als Vorreiter in der Welt hinterlassen habe. Besonders für Europa sei das eine grosse Herausforderung.

Diplomatie

Hier ging es nicht nur, aber vor allem um den Konflikt mit Nordkorea. Erik Kirschbaum ordnete Trumps barsche Vorgehensweise als Erfolg ein und zwar insofern, dass China nun Druck bekommen habe, sich im Nordkorea-Konflikt zu engagieren.

Die Chinesen hätten nämlich, hier waren sich die Gäste einig, überhaupt kein Interesse an einer weiteren Eskalation der Situation geschweige denn an einem Krieg.

Trumps Politikstil

Trump, so die Einschätzung der Runde, könne machen, was er wolle, seine Anhänger stünden zu ihm. Die Schuld, sollte etwas misslingen, läge immer beim Kongress oder den Demokraten. Nur Anke Domscheit-Berg sah Trumps Basis eher bröckeln.

Ausserdem habe, so Gabriel, nicht Trump die Fake-News erfunden, sondern lediglich zu seinem Politikstil gemacht. Das Festhalten an Trump läge auch an den vielen Enttäuschungen und Erfahrungen, die die Menschen zuvor mit der Globalisierung gemacht hätten.

Fazit

Ja, Trump hat die USA, hat die Welt verändert und das nicht zum Guten. Aber, so das Ergebnis der Runde, es gab diesbezügliche gesellschaftliche Tendenzen schon vorher, und Trump habe sich diese zunutze gemacht.

Wer gehofft hatte, Trump würde in seiner Amtszeit seinen Politikstil anpassen, habe sich geirrt. Ganz im Gegenteil: Gerade weil ihm dieser Stil den Wahlerfolg gebracht habe, würde er diesen nun auch in seiner Regierungsarbeit fortsetzen.

Mit Blick auf die internationale Bedeutung von Trumps Politik, war es vor allem Sigmar Gabriel, der für eine neue Sichtweise auf das Verhältnis zwischen den USA und Europa warb.

Die EU müsse sich zum einen wesentlich stärker weltpolitisch engagieren, was auch unbequeme Massnahmen zum Beispiel beim Verteidigungsetat erfordere. Gleichzeitig dürfe man den künftigen Weg nicht ohne die USA gehen, das sei nicht zu schaffen.

Am Ende der gestrigen "Illner"-Sendung bleibt das Bild einer Welt, die sich seit Trumps Wahl stark verändert hat. Die Ursachen dafür liegen aber tiefer, Trump hat sie nur hervorgeholt und verstärkt. Eine Rückkehr zur alten Weltordnung scheint nahezu ausgeschlossen, nun gilt es sich den Gegebenheiten so schnell wie möglich anzupassen.

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