Bei welcher Frage wird im Nahen Osten nur müde gelächelt oder genervt abgewunken? Welchen Satz bereut Joachim Gauck, in seiner Zeit als Bundespräsident ausgesprochen zu haben? Und: Ist es Doppelmoral, wenn Deutschland mit Katar jetzt noch Geschäfte macht? All diese Fragen kamen am Donnerstagabend (26.) bei Maybrit Illner auf den Tisch – und wurden beantwortet.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Bodenoffensive Israels im Gazastreifen steht kurz bevor. Der genaue Beginn bleibt jedoch weiterhin offen. Zuletzt meldeten israelische Truppen einen kurzen Vorstoss mit Panzern in den Gazastreifen. Wenige Tage zuvor soll Israel die Offensive auf Bitten der USA noch einmal verschoben haben – sie wollten erst ihre Flugabwehr in Stellung bringen.

Maybrit Illner stellte ihre Sendung unter den Titel "Krieg in Nahost – Gefahr für die Welt?" und sprach mit ihren Gästen über das Risiko eines Flächenbrandes im Nahen Osten. Ausserdem ging es um die migrationspolitischen Auswirkungen für Deutschland und die Frage: Sind die Gesellschaften im Angesicht von Antisemitismus und Hasstiraden auf Europas Strassen noch viel gespaltener als angenommen?

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Das sind die Gäste

  • Joachim Gauck: "Es sind nicht immer gleich doppelte Standards, wenn etwas zunächst widersprüchlich aussieht", sagte der frühere Bundespräsident, als Illner nach den Beziehungen von Deutschland zu Katar fragte. In der Politik müsse auch dann Handlungsfähigkeit da sein, wenn man das Gute und absolut Richtige nicht gestalten könne. Es gehe um die Verhinderung des noch Schlechteren. "Deshalb muss man mitunter graduell unterscheiden zwischen unterschiedlichen Formen autoritärer Herrschaft", so Gauck. Bei Katar seien Entwicklungsmöglichkeiten denkbar.
  • Düzen Tekkal: Die Autorin und Politikwissenschaftlerin sagte, die Angehörigen der Geiseln würden sich aktuell auch in einer emotionalen Gefangenschaft befinden: "Für mich zeigt das noch einmal den Unterschied zwischen Terrorismus und Krieg – und das, was diesen Menschen passiert ist, ist Terror", so Tekkal. Das müsse man immer wieder betonen, denn für jüdische Menschen werde der Raum derzeit immer enger.
  • Christian Mölling: "Der existentielle Krieg für Europa ist in der jetzigen Situation immer noch der russische Angriffskrieg in der Ukraine", so der Militärexperte. Der Krieg in Israel habe aber das Potenzial, dass mehr Akteure in den Krieg eingreifen würden. Aktuell sehe es noch sehr einfach aus, wer auf der richtigen oder falschen Seite ist. "Das ändert sich augenblicklich, wenn mehr Akteure ins Spiel kommen", warnte er. Israel könne es aber nicht einfach auf sich beruhen lassen – "die Hamas schiessen immer noch täglich Raketen", erinnerte Mölling.
  • Christian Sievers: "Die Regierung Netanjahu steht unter unglaublichem Druck", meinte der Moderator und ehemalige Tel-Aviv-Korrespondent. Sie müsse zwei Ziele erreichen, die schwer vereinbar sein: Die Hamas zerstören und die Geiseln befreien. "Dann kommt der dritte Punkt, den die Israelis im Moment aber noch zurückstellen – nämlich die Frage nach der Verantwortung und nach dem, was schiefgelaufen ist", so Sievers. Er war sich sicher: "Da wird die Regierung noch einige Fragen beantworten müssen."

Das ist der Moment des Abends

Im Einzelgespräch mit Joachim Gauck erinnerte Illner daran, dass Angela Merkel (CDU) 2008 von der deutschen "Staatsräson" gesprochen hatte. "Sie haben das, Herr Gauck, interessanterweise vier Jahre später kritisiert. Sie haben gesagt, ihr Wort von der Staatsräson könne die Kanzlerin in enorme Schwierigkeiten bringen", hielt Illner ihrem Gast vor und wollte wissen: "Was meinten Sie da?"

Gauck gab daraufhin zu: "Das war eine Äusserung, die ein Bundespräsident vielleicht nicht machen sollte." Er habe nie die Verbindlichkeit unseres Beistands in Frage stellen wollen. "Nur hatte ich die Sorge, wenn man sich zu viel vornimmt, das nicht einhalten kann und dass dann so ein Frustrationselement in die Politik reinkommt", wagte er eine Erklärung.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Ein Rededuell gab es am Donnerstagabend nicht – nicht einmal annähernd. Dafür aber einen weiteren Moment der Sendung. Als es um die Zwei-Staaten-Lösung ging, erinnerte Sievers, Israel habe in den vergangenen Jahren versucht, einen Friedensschluss mit der arabischen Welt hinzubekommen. Er sagt: "Das Problem dabei: Man hat die Palästinenser vergessen – oder sogar, wie viele sagen, mit Absicht ausgespart".

Es sei schwer vorstellbar, wie man mit der blutigen Terrorgruppe Hamas sprechen solle, aber es gäbe eine ganze Schar von Palästinensern, mit denen man reden könne. Diese würden sagen: "Leute, wir haben in den letzten Jahrzehnten alles genauso gemacht, wie ihr im Westen das von uns wolltet, auch in Deutschland. Ihr habt immer gesagt: 'Bekennt euch auch zu einem friedlichen Miteinander mit Israel, seid friedlich, geht eurer Arbeit nach' – und ihr habt uns einen eigenen Staat versprochen, der ist aber nie gekommen".

Stattdessen hätten die Palästinenser gesehen, wie Israel Siedlungen baut, so Sievers. Er folgerte: "Das heisst: Den gemässigten Palästinensern fehlt die Perspektive und sie müssen mit ansehen, wie die Radikalen, die Terrortrupps von Hamas, die Agenda bestimmen."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Starke Sendung von Maybrit Illner mit einem guten Mix an Fragen. Analytisch wollte sie zum Beispiel wissen: "Wie gefährlich ist die Situation? " oder "Ist die Zwei-Staaten-Lösung tot?". Emotionaler wurde es, als sie nach der Gefühlswelt der Angehörigen fragte oder wissen wollte: "Wie kann man Hass aus den Köpfen kriegen?" Besonders entschlossen stellte sie sich Bundespräsident a. D. Gauck entgegen. Als es um ein Zitat von ihm ging, in dem er im Zusammenhang mit Migration von "Kontrollverlust" gesprochen hatte, wollte fragte sie: "Waren Sie da über sich selber auch ein bisschen erschrocken?"

Das ist das Ergebnis bei "Maybrit Illner"

Das Einzelgespräch mit Joachim Gauck nahm sehr viel Raum ein und bremste dadurch die sonstige Runde etwas aus – es war schlicht keine Zeit für Debatte. Recht ernüchternd waren zudem die Ergebnisse: Eine Lösung dafür, wie man den Hass aus den Köpfen bekommt, fand die Runde nicht.

Journalist Sievers berichtete von den Reaktionen auf den Vorschlag einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten: "Ich habe in den letzten Jahren niemanden mehr vor Ort getroffen, der daran glaubt", sagte er. Die Menschen würden nur müde lächeln oder genervt abwinken.

Verwendete Quellen:

  • ZDF: "Maybrit Illner" vom 26.10.2023
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