Nach dem überraschend deutlichen "Nein" der Griechen zum Sparkurs der Euroländer stehen über den nächsten Tagen viele Fragezeichen. Öffnen am Montag wieder die Banken in Griechenland? Kommt jetzt der Grexit? Und welche Folgen hätte er? So entscheidend die Fragen für die Zukunft Griechenlands und Europas sind, so emotional ist auch die Diskussion beim Talk von Günther Jauch. Der Himmel über Berlin liefert dazu die passende Begleitmusik.

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In der vergangenen Woche haben die Europäer zwei griechische Wörter gelernt: NAI, auf Deutsch Ja, und OXI, was Nein bedeutet. Diese beiden Antworten stellte die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras ihrem Volk in einer umstrittenen Abstimmung zur Wahl.

Mit einem klaren "OXI" lehnten die Griechen am Sonntag die Spar- und Reformauflagen der Gläubiger ab. Spargegner Tsipras lässt sich dafür als Sieger feiern. Doch wie geht es jetzt mit Griechenland und Europa weiter?

Was bedeutet das "Nein" der Griechen?

Am heissesten Tag in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen verläuft auch die Debatte am Abend bei "Günther Jauch" hitzig. Der frühere Journalist und heutige Politikberater Michael Spreng glaubt, dass das Ergebnis Tsipras in den Verhandlungen nichts nützen wird. "An den Fakten hat sich nichts geändert", betont er.

Giorgos Chondros, Mitglied im griechischen Zentralkomitee der Regierungspartei Syriza, bejubelt das Votum dagegen als "Akt der Demokratie" und als eine "riesige Chance".

Die nächsten Tage werden die Zukunft Europas mitbestimmen – schon ob am Montag die Banken in Griechenland öffnen. "Nein", meint Ulrike Herrmann, Wirtschaftsjournalistin bei der linksgerichteten Zeitung "taz". Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Notkredite eingestellt, die den griechischen Banken bisher zur Zahlungsfähigkeit verholfen haben.

"Grexit wäre sehr teuer für die deutschen Steuerzahler"

"Wenn morgen die Banken öffnen, holen die Griechen auch noch den letzten Euro", befürchtet Ralph Brinkhaus (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzende der Union. Wenn die EZB hart bleibt, könnte der Austritt Griechenlands aus der Eurozone folgen, der sogenannte Grexit. Ob dieser langfristig gut oder schlecht wäre, darüber sind sich weder Politiker noch Ökonomen einig. "Der Grexit wäre sehr teuer für die deutschen Steuerzahler", warnt Herrmann.

Das Donnergrollen über dem Gasometer in Berlin, aus dem "Günther Jauch" übertragen wird, liefert die passende Begleitmusik für die angespannte Sendung. Mehrmals muss Moderator Jauch seine Gäste ermahnen, nicht durcheinander zu reden und keine alten Beschuldigungen vorzubringen. Dennoch wird von allen Seiten an Polemik nicht gespart.

"Ein Volk hat das Recht, in Würde unterzugehen"

Chondros beklagt eine "Hetzkampagne" gegen Griechenland, unterschlägt dabei aber die populistischen Töne seiner eigenen Partei in den vergangenen Tagen, in denen von "Terroristen" in Brüssel, die das griechische Volk "demütigen" wollen, die Rede war.

"Ein Volk hat das Recht, in Würde unterzugehen", ätzt aber auch Spreng, der früher Chefredakteur der "Bild am Sonntag" war. Nach seinem Satz geht ein Raunen durch das Publikum. Spreng wirft der griechischen Regierung "Verantwortungslosigkeit" und einen "unzivilisierten Umgang mit westlichen Politikern" vor. Die Auseinandersetzungen zeigen, wie vergiftet die Atmosphäre mittlerweile in Europa ist und wie schwer vereinbar die Positionen. CDU-Politiker Brinkhaus wischt das Leid der Griechen mit einem Satz beiseite: "Eine humanitäre Katastrophe haben wir im Sudan, nicht in Griechenland."

Doch die Verzweiflung im Land lässt sich an zwei weiteren Studiogästen erahnen, die an dem Referendum teilgenommen haben. "Wenn Sie sagen, es gibt keine humanitäre Katastrophe in Griechenland, dann waren Sie noch nie da!", ruft eine Griechin Brinkhaus zu. Sie hat mit Nein gestimmt, was sie aber "nicht gegen den Euro oder Europa" gerichtet wissen will, sondern gegen die Sparpolitik. Ihr Landsmann, der sich für "Ja" entschieden hat, hofft auf einen Ausweg aus der Krise "zusammen mit unseren Freunden in Europa".

Auch der Syriza-Politiker Chondros macht die Sparpolitik für das "Elend der vergangenen fünf Jahre" verantwortlich. Die "taz"-Korrespondentin Herrmann springt ihm zur Seite. "Noch mehr zu sparen ist für Griechenland nicht möglich", bekräftigt sie. Stattdessen schlägt sie ein Investitionsprogramm vor, von dem beide Seiten profitieren.

Europa droht die Spaltung

Brinkhaus nimmt die griechische Regierung in die Pflicht. Er fordert Chondros und dessen Partei auf, Reformen umzusetzen und so wieder Vertrauen aufzubauen. "Sie haben ganz viele Werkzeuge in der Hand", mahnt er und verweist auf andere Euroländer, deren Lebensniveau zum Teil niedriger sei als in Griechenland und die nun für die Schulden zahlen sollen. Doch dabei hat er vor allem die deutschen Wähler im Blick, die für grössere Zugeständnisse an Griechenland kaum bereit sein werden.

Der Spagat zwischen nationaler Souveränität und internationaler Solidarität ist ein grundlegendes Problem in Europa. Die Beschwerde von Chondros, "Brüssel sagt uns, was wir zu tun haben", lässt sich auch in vielen anderen EU-Ländern hören. Dabei steht Europa gerade vor weiteren grossen, gemeinschaftlichen Herausforderungen, wie die steigende Anzahl an Flüchtlingen oder die Bedrohung durch den Terrorismus. In den nächsten Tagen wird sich daher zeigen, ob die EU nur eine Schönwetter-Gemeinschaft ist - oder auch einem Sturm trotzen kann.

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