Weniger Geld für gleiche Arbeit: Noch immer werden Frauen in der deutschen Arbeitswelt benachteiligt. In seiner ARD-Sendung am Sonntagabend sucht Günther Jauch mit seinen Gästen nach den Gründen für den Lohnunterschied. Dabei zeigt sich: Ein Gesetz allein löst das Problem nicht.
Was ist das Thema?
Zwei Tage nach dem "Equal Pay Day" widmet sich
Doch selbst im gleichen Job bleibt immer noch eine Lücke von sieben Prozent. Damit gehört Deutschland europaweit zu den ungerechtesten Ländern. Einen Extremfall zeigt Jauch gleich zu Beginn in seiner Sendung anhand eines Studiogasts: Satte 55.000 Euro verdiente eine Finanzmanagerin bei einem Verpackungshersteller pro Jahr weniger als ihre männlichen Kollegen in der gleichen Position.
Wer sind die Gäste?
Bundesfamilienministerin
Elisabeth Niejahr setzt sich als Journalistin bei der Wochenzeitung "Die Zeit" regelmässig mit dem Thema auseinander. Marcus Wöhrl, Geschäftsführer einer Hotelkette, und der Wirtschaftsjournalist Roland Tichy halten Schwesigs Gesetzesvorstoss dagegen für überflüssig.
Was ist das Rede-Duell des Abends?
Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Na und! "Es gibt auch Unterschiede innerhalb der Geschlechter", führt Unternehmer Wöhrl an. Beim FC Bayern München würden ja auch nicht alle Fussballer gleich viel Geld verdienen. Für den Vergleich kassiert er eine Rüge von Schwesig. "Das sind Luxusprobleme. Es geht hier nicht darum, ob jemand fünf Millionen Euro mehr verdient", widerspricht sie. Alleinerziehende Mütter hätten eben keine gute Verhandlungsposition und seien froh, überhaupt einen Job zu bekommen.
Nicht nur über das Problem, sondern auch über die Lösung sind sich der Hotel-Unternehmer und die Ministerin uneinig. Wöhrl setzt auf die Selbstregulierung der Wirtschaft. Wer nicht zufrieden sei, könne sich einen neuen Job suchen. "Wir leben in der neuen Welt, die Menschen sind vernetzt", glaubt er.
"Die deutsche Arbeitswelt ist nicht im 21. Jahrhundert, sondern im Mittelalter", findet dagegen Schwesig. Die Probleme seien seit Jahren bekannt. "Alles bleibt starr", schimpft die Familienministerin. "Länger zugucken bei so viel Ungerechtigkeit – das geht nicht."
Was war die These des Abends?
Ähnlich wie Wöhrl glaubt auch Journalist Tichy, dass sich das Problem mit der jungen Generation löst. "Bei 25-jährigen Frauen ist die Lücke fast nicht vorhanden", sagt der frühere Chefredakteur der "Wirtschaftswoche". "Je älter die Frauen sind, desto mehr klafft es auseinander."
Dabei übersieht Tichy allerdings, dass die meisten Menschen erst im etwas höheren Alter Karriere machen und Kinder bekommen. Eben genau dann wird auch der Lohnunterschied grösser.
Wie hat sich Jauch geschlagen?
Nach der Sendung in der vergangenen Woche gab es viel Aufregung um das Stinkefinger-Video von Griechenlands Finanzminister Gianis Varoufakis. Auch an Moderator Günther Jauch hagelte es dafür Kritik. Die "Neue Zürcher Zeitung" forderte am Sonntag sogar seine Entlassung, weil er "gegen fundamentale journalistische Standards" verstossen habe.
Jauch zeigt sich davon unbeeindruckt und erwähnte das Thema mit keinem Wort. Stattdessen arbeitet er fleissig seinen Fragenkatalog durch, lässt seine Gäste aber wie so oft von scharfem Nachhaken unbehelligt. Insgesamt ein durchschnittlicher Abend des Talkmasters.
Was ist das Ergebnis des Abends?
Wer nicht weiss, wie viel die Kollegen verdienen, weiss auch nicht, ob er ungerecht bezahlt wird. Deshalb will Familienministerin Schwesig die Lohnspanne innerhalb eines Unternehmens transparent machen. Journalist Tichy lehnt das Gesetz unter Berufung auf den Datenschutz ab und vergleicht es etwas polemisch mit einem "Nacktscanner".
Ein Blick nach Schweden zeigt: Obwohl dort die Einkommen für jeden einsehbar sind, gibt es einen ähnlich grossen Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. Das Problem ist also viel umfassender, als dass es ein Gesetz allein lösen könnte.
Für die Journalistin Niejahr ist das Steuer- und Abgabensystem schuld, da es ein überholtes Familienmodell mit einem Alleinverdiener und dazuverdienender Ehefrau begünstige. "Warum ist immer nur die Mutter zuständig für die Kinder?", fragt Schwesig. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowohl für Mütter als auch für Väter hinkt Deutschland immer noch hinterher.
Der ehemalige Telekom-Vorstand Sattelberger nimmt die Firmen in die Pflicht, die ihre Angestellten fair behandeln sollen. "Muss man wie ein Orang-Utan verhandeln, damit man was kriegt?", macht er sich über das Klischee des angeblich verhandlungsschwachen Geschlechts lustig. Gegen mehr Einfluss durch die Politik hat er nichts einzuwenden: "Mir wäre es viel lieber, die Personalverantwortlichen hätten vor sieben oder acht Jahren die Zeichen der Zeit erkannt. Jetzt sage ich: Wer nicht hören will, muss fühlen."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.