Wirtschaftsminister Robert Habeck hat bei Sandra Maischberger über den neuen US-Präsidenten und seine eigenen umstrittenen Vorschläge zu Kapitalerträgen gesprochen. Der Grünen-Politiker liess kein gutes Haar an Trump – ausser bei einem Thema.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump als neuer US-Präsident kam Sandra Maischberger in ihrer Talkshow am Dienstagabend nicht an dem Thema vorbei. Unter der Schlagzeile "Trump zurück im Weissen Haus - was kommt auf Deutschland zu?" diskutierte sie mit ihren Gästen über die Folgen der US-Wahl auf die Bundesrepublik und Europa.

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Das war das Thema bei Sandra Maischberger

Im grössten Interview der Sendung nahm Maischberger Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) in die Zange. "Bundestagswahl 2025 - für welche Politik stehen die Grünen?": Auf diese Frage bekam sie jedoch nicht immer zufriedenstellende Antworten.

Das waren die Gäste

  • Robert Habeck: Der Bundeswirtschaftsminister will, dass Europa Trump in geeinter Stärke entgegentritt und nicht unterwürfig, wie einige der Tech-Milliardäre in den USA. Er kritisierte das "Ranwanzen" der Mächtigen wie Jeff Bezos (Amazon) oder Mark Zuckerberg (Meta) an Trump: "Das sollte nicht der europäische Weg sein." Die Entschlossenheit hänge in grossem Masse von der kommenden Bundesregierung ab und davon, die europäischen Rechtspopulisten in Italien oder Ungarn ins Boot zu holen. "Die haben auch etwas zu verlieren", sagte Habeck und meinte einen möglichen Zollkrieg mit den USA. Trumps Ansprache zur Amtseinführung nannte er eine "rüpelhafte Rede". Habeck liess durchblicken, dass er mit dem Amerikaner nicht viel anfangen kann, der nun mehr denn je Öl und Gas bohren lassen will. "Was nur bedeutet, dass der Planet in Flammen gesetzt wird von Donald Trump und den USA." Trumps Forderung an die Nato-Staaten, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu investieren, kann Habeck dagegen nachvollziehen. Er selbst hatte in Deutschland dreieinhalb Prozent vorgeschlagen – und war dafür teils hart angegangen worden.
  • Karl-Theodor zu Guttenberg: Der frühere Bundesverteidigungsminister (CSU) ist froh, dass er nicht mehr in den USA unter einem Präsidenten Trump lebt. Den Deutschen rät er, nicht über jedes Stöckchen zu springen, das der US-Präsident hinwirft. Zum Beispiel die Empörung über die dutzenden Dekrete, die er an Tag eins im Amt unterschrieb – was für jeden neuen Präsidenten Usus ist. "Was nützt es uns, vor lauter Schnappatmung uns im Sauerstoffzelt zu versammeln?" Auch bei grenzwertigen Aussagen zur Eroberung des Panama-Kanals oder Grönlands hält es zu Guttenberg mit Aussenministerin Annalena Baerbock. Man müsse immer überlegen, was hinter den Aussagen stecke.
  • Cherno Jobatey: Der Moderator musste bei der Amtseinführung Trumps an den französischen Komiker Louis de Funès denken. Zum offiziellen Foto Trumps, das Ähnlichkeiten zu seiner Aufnahme im Polizeigewahrsam hatte, fiel Jobatey der Kommentar ein: "Finger weg, sonst Beule." Er hofft nicht, dass die AfD gross von Trump profitieren wird, weil in Europa insgesamt nur 20 Prozent der Menschen eine positive Meinung von Trump haben. Sorgen macht er sich eher deswegen, weil viele junge Leute inzwischen auch AfD wählen.
  • Helene Bubrowski: Die Journalistin von Table Media sah bei der Amtseinführung des US-Präsidenten eher Ludwig den XIV., den absolutistisch regierenden, französischen Sonnenkönig aus dem 17. Jahrhundert, der sich aufs Gottesgnadentum berief. Trump hatte sich nach dem gescheiterten Attentat auch als Auserwählter Gottes bezeichnet, der die USA retten solle, und dieses Motiv auch in seiner Rede erwähnt. Bubrowski fremdelte mit diesen Gottesbezügen. Für die Journalistin ist nicht ausgemacht, welche Parteien bei der Bundestagswahl im Februar vom neuen US-Staatsoberhaupt profitieren. "Bei einer Spaltung (der Gesellschaft – d. Red.) könnten beide Seiten profitieren." Auch jene Parteien, die Trump ablehnen, so ihre These.
  • Jan Fleischhauer: Der Focus-Journalist macht sich Sorgen, dass Trump durch Strafzölle Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland vernichten könnte. Fleischhauer kritisierte den Skandal um den grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar, dem eine Grünen-Lokalpolitikerin mit erfundenen Vorwürfen der sexuellen Belästigung zum Rückzug von seiner Bundestagskandidatur bewogen hatte. Die zuständige Ombudsstelle der Grünen habe im Statut stehen, dass sie "konsequent die Betroffenenperspektive" einnimmt, bemängelte Fleischhauer. "Deswegen hatte Gelbhaar von Anfang an gar keine Chance mehr."

Das war der Moment des Abends

"Ja, es ist Wahlkampf!": So kommentierte Robert Habeck den Vorwurf des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, er habe im Wahlkampf sein neues Buch "Den Bach rauf" geschrieben und seine eigentliche Arbeit vernachlässigt. Damit wollte er sagen, dass solche Sticheleien schon mal dazu gehören. Auch vom Noch-Koalitionspartner.

Der Vorwurf war laut Habeck ohnehin falsch: Das Buch entstand in den Sommerferien und wurde in den Herbstferien vollendet – alles in seiner Freizeit, wie Habeck betonte. Wichtiger seien fürs Land Themen wie die Schuldenbremse, die nächste Stufe der europäischen Einigung oder der Umgang mit Donald Trump. "Nicht mit Lappalien beschäftigen": Das war sein Rat an Klingbeil. Und dafür applaudierte das Publikum lautstark.

Das war das Rededuell des Abends

Robert Habeck sollte seinen medial breit diskutierten Vorschlag erklären, zur besseren finanziellen Ausstattung der Krankenkassen Sozialabgaben auf Kapitalerträge erheben zu wollen. Die Gesundheitskosten würden in Deutschland sehr einseitig auf die Löhne der Arbeitgeber umgelegt. "Ist das fair?", fragte der Grüne. "Ich finde das nicht sehr gerecht."

Nun kam Maischberger ins Spiel, die es genau wissen wollte. "Wer soll denn was genau, wann, wie darauf zahlen? Und da sind Sie die Antwort noch schuldig geblieben." Habeck blieb jedoch im Ungefähren. Er kritisierte die anderen Parteien, die sich um die Antworten, wie sie ihre teuren Vorschläge gegenfinanzieren wollen, herumdrücken.

Maischberger, sichtlich ungeduldig, fragte noch einmal nach. Und Habeck? Referierte über die ungleiche Verteilung von Eigentum in Deutschland. Er will, dass die in die gesetzliche Krankenversicherung Einzahlenden entlastet werden und diejenigen mit hohen Kapitalerträgen mit einzahlen sollen. Habeck ging es um die grössere politische Laufrichtung, die er zumindest vorgebe.

Maischberger wollte ein konkretes Beispiel. "Ab welchem Ersparten trifft das zu?", fragte die Gastgeberin, inzwischen noch entnervter – was auch Habeck auffiel. "Sie sind der Wirtschaftsminister, der Zahlen auch kann, deswegen gucke ich so erstaunt!" Habeck konnte oder wollte nichts Konkretes sagen, wohl auch, um weitere Negativschlagzeilen im Wahlkampf zu vermeiden. Ein Gespräch der Sorte: unterhaltsam, aber wenig erkenntnisreich.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Im Dialog mit Habeck bewies sie Hartnäckigkeit, bekam ihre gewünschte Antwort trotz zahlreicher Einwürfe aber nicht aus dem Grünen-Minister heraus. Zu Beginn des Gesprächs hatte sie Habeck charmant abgewürgt, als er noch was zu Friedrich Merz sagen wollte, Maischberger aber lieber zum nächsten Punkt springen wollte.

Das ist das Fazit

Robert Habeck, der Kanzlerkandidat der Grünen, hinterliess bei Maischberger einen aufgeräumten Eindruck. Zwar blieb er beim Streitthema Sozialbeiträge auf Kapitalerträge im Ungefähren, aber über den künftigen Umgang mit US-Präsident Donald Trump sagte er vieles, was wohl die meisten Menschen in Deutschland unterschreiben würden. Das hatte durchaus Kanzlerformat.

Als er gefragt wurde, ob er selbst daran glaube, dass seine Partei noch Siegchancen habe, musste Habeck schmunzeln. Er sehe sich in einer Position des Underdogs, will weiter alles für ein gutes Wahlergebnis geben und schauen, was dann herauskomme.

Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung Juniorpartner der Union unter Kanzler Friedrich Merz werden. Dem Bündnis konnte auch Jan Fleischhauer etwas abgewinnen. Er sah bei den wichtigsten Politikfeldern einige Übereinstimmungen zwischen Union und Grünen. Beispielsweise bei den Fragen von Migration und Umbau des Sozialstaats.

Habeck forderte, um Deutschland und Europa von den USA und China technisch unabhängiger zu machen, mehr Innovationskraft. "Das nächste X, das nächste Google muss aus Deutschland oder Europa kommen", sagte er. Eine Forderung, der sich ganz sicher auch Friedrich Merz anschliessen könnte. Muss nur noch CSU-Chef Markus Söder seine Grünen-Abneigung in den Griff bekommen.

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