Während die Ukrainer weiter mit allen Mitteln ihr Land gegen die russische Invasion verteidigen, mangelt es in Deutschland scheinbar an Entschlossenheit: Beim Thema Waffenlieferungen ist der Bundestag bislang noch nicht auf einen Nenner gekommen. Bei "Hart aber fair" geraten Friedensforscher Jan van Aken und FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu diesem Thema immer wieder aneinander – bis es knallt.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

Mehr aktuelle News

Nach eigenen Angaben hat das ukrainische Militär mehrere russische Angriffe im Osten des Landes abgewehrt. Doch um die Verteidigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, fordern die Ukrainer weitere Unterstützung aus dem Westen. Die USA gewähren sie: Bei einem Treffen mit Wolodymyr Selenskyj sagte Washington weitere Hilfen in Höhe von 322 Millionen US-Dollar zu.

In Deutschland hat die Unionsfraktion derweil einen Vorschlag für einen Bundestagsbeschluss für Waffenlieferungen in die Ukraine vorgelegt. Er soll am Donnerstag im Parlament beraten werden.

Das ist das Thema bei "Hart aber fair"

Immer wieder forderte die Ukraine zuletzt schwere Waffen aus Deutschland, doch die Politik hierzulande diskutiert noch. Motto der Sendung bei Plasberg deshalb: "Die Ukraine kämpft, Deutschland zögert – lähmt uns die Angst vor Putin?" Dabei wollte Plasberg von seinen Gästen wissen, ob Deutschland entschlossen genug handelt, oder ob die Hilfe aus dem Westen am Ende zu spät kommen könnte. "Oder verwechseln wir gerade vielleicht kühlstrategischen Umgang mit Kaltherzigkeit?", beschrieb Plasberg das Sendungsthema.

Das sind die Gäste

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses forderte: "Der Krieg macht keine Pause, bis wir in Deutschland wissen, was wir wollen. Wir müssen jetzt schnell schwere Waffen an die Ukraine liefern". Um den Krieg zu beenden, werde es nur eine Lösung geben – ein militärischer Sieg über Russland. Die Naivität, man könne mit Putin über einen Frieden verhandeln, müsse aufhören.

Jan van Aken: "Alle schauen nur noch durch die militärische Brille, aber solange der Westen jeden Tag Hunderte Millionen Energie-Euro nach Russland überweist, finde ich Waffenlieferungen komplett falsch", sagte der Publizist und Friedensforscher. Man müsse Putin wirtschaftlich unter Druck setzen. "Wir waren mal ein Land, das in solchen Situationen auch ausserhalb des Militärischen denken konnte", befand van Aken. Seine Frage: "Wie können wir Putin dazu bewegen, endlich ernsthaft zu verhandeln?"

Egon Ramms: Der ehemalige Nato-General war der Meinung: "Wer so einen völkerrechtswidrigen Krieg wie Putin führt, dem muss man sagen: Bis hier hin und nicht weiter. Das ist schon lange überfällig." Dass der Krieg schnell zu Ende geht, glaubt Ramms nicht. "Ich erwarte, dass die Ukrainer ihr Land erfolgreich verteidigen werden", sagte er. Die Ukraine verteidige derzeit in der Ukraine die Freiheit des Westens. "Wenn sie das nicht erfolgreich tut, haben die Europäer ein langfristiges Problem mit Putin und Russland", mahnte er.

Michael Thumann: "Wir müssen jederzeit auch mit einem Angriff Putins an den Grenzen der Nato rechnen. Russland ist zurzeit das unberechenbarste Land der Welt", sagte der "Zeit"-Journalist. Der Krieg werde erst dann enden, wenn Putin merke, dass er nicht weiterkomme und zuhause ein verkäufliches Ergebnis vorzeigen könne. "Man braucht einen doppelten Ansatz: Sanktionen und Waffen", so Thumann.

Yevgenia Belorusets: Die ukrainische Fotografin und Künstlerin war sich sicher: "Nach Butscha, nach allem, was Putin uns angetan hat, sind Gebietsabtretungen für fast alle Ukrainer unvorstellbar." Putin sei gegen jede Form von Friedensabkommen, die Ukraine brauche Hilfe bei einem militärischen Stopp des Aggressors. "Es geht darum, dass wir mit diesen schweren Waffen nicht den Krieg führen, sondern einheitlich bleiben und Leben retten", betonte Belorusets.

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"

Das, was Journalist Michael Thumann recht zu Beginn der Sendung auf den Punkt brachte, markierte den Moment des Abends: "Die russische Wahrnehmung ist möglicherweise schlimmer, als wir sie uns vorstellen", leitete der Journalist ein. Die Russen würden in der Ukraine von einer "Operation" sprechen, redeten aber dennoch die ganze Zeit von Krieg. "Diejenigen, mit denen sie sich aus ihrer Sicht im Krieg befinden, das sind wir. Das sind die Deutschen, das ist die Nato, das sind die Vereinigten Staaten", so Thumann.

"Wir sind der eigentliche Kriegsgegner in der grossen Auseinandersetzung, in dem grossen Ringen", betonte er. In Moskau werde die "Operation" in der Ukraine nur als eine Etappe dargestellt, es gehe eigentlich um viel mehr. "Es geht darum die Amerikaner aus Europa herauszudrängen. Es geht am Ende um die Vorherrschaft in Europa und Putin stellt sich vor, dass er die Amerikaner 1:1 ersetzt", analysierte Thumann.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Der Friedensforscher und ehemalige Bundestagsabgeordnete für die Linken, van Aken, und Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann bekamen sich mehrmals in die Haare. Einmal besonders eindrücklich: "Wir reden die ganze Zeit über Waffen. Warum reden wir nicht mehr über Sanktionen?", machte van Aken den Auftakt.

"Putin hält den Krieg niemals durch, wenn er nicht mehr jeden einzelnen Tag mehrere Hundert Millionen Euro an Öl- und Gasgeld bekommt", ergänzte er. Niemand in Deutschland sei aber bereit, sich einzuschränken und über ein Ölembargo zu diskutieren. "Sie sind gegen ein Tempolimit", warf er Strack-Zimmermann entgegen.

Die konterte: "Mit Verlaub: In diesem Kontext das Tempolimit einzuwerfen, finde ich geradezu makaber, gemessen an dem, was in der Ukraine passiert." Sie sei "absolut für Diplomatie", aber man habe die Bilder noch in Erinnerung, wie Europa bei Putin am langen Tisch sass und versucht habe einen Krieg zu verhindern. "Er versteht nur die klare Sprache der Waffen. Das ist nicht schön, das ist aber so", so die FDP-Politikerin.

So hat sich Frank Plasberg geschlagen

Plasberg hatte die Runde an diesem Abend gut im Griff und wusste die Debatte an den richtigen Stellen zu bremsen. Eine ausschweifende Diskussion über das Tempolimit liess er ebenso wenig zu, wie ein Aufwärmen der Frage, was der abgesagte Besuch von Frank-Walter Steinmeier bedeutet.

Stattdessen hielt Plasberg an den wichtigeren Fragen fest: "Wie kann der Krieg in der Ukraine zu Ende gehen?" oder "Wie sehr interessiert es Putin, was Deutschland tut?". Ein Thema hätte Plasberg allerdings gerne noch etwas grösser aufziehen können: Der mögliche Nato-Beitritt von Schweden und Finnland. Zum Ende der Sendung hat dieses Thema nicht mehr die nötige Fahrt aufgenommen.

Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"

Über lange Strecken der Sendung erschienen Waffenlieferungen und Sanktionspolitik als Gegensätze, bis Journalist Thumann festhielt: "Wir brauchen einen doppelten Ansatz". Deutlich wurde am Montagabend vor allem, wie sehr die deutsche Debatte der Realität in der Ukraine hinterherhinkt: Ukrainer könnten längst an deutschem Gerät ausgebildet werden, da wird hierzulande noch immer über Putins Kalkül und seine möglichen Reaktionen diskutiert.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Verwendete Quellen:

  • ARD: "Hart aber Fair" vom 25.04.2022




JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.