Eine Horrormeldung jagt die nächste: Seit Monaten steigen die Preise bei Strom und Gas. Eine Folge der verfehlten Energiewende, wütet ein Journalist bei "Hart aber fair". Der Grüne Jürgen Trittin verspricht schnelle Hilfe der Bundesregierung, wird aber von Frank Plasberg auf dem falschen Fuss erwischt.
Gas: im Schnitt um rund ein Viertel teurer. Strom: im Schnitt zehn Prozent teurer. Das sind laut Vergleichsportal "Check24" die Aussichten für 2022. Millionen Haushalte müssen sich auf happige Mehrkosten einstellen, dabei bringt schon der aktuelle Preisanstieg besonders ärmere Familien in Existenznot.
"Zu Hause warm und hell: Wer kann sich diese Energiepreise noch leisten?", fragt
"Hart aber fair": Das sind die Gäste
Tilman Kuban (CDU): Energiesteuern runter, und das sofort, fordert der Junge-Union-Chef. "Es ist nicht in Ordnung, sich hinzustellen und zu sagen, wir müssen die Preissteigerungen hinnehmen"
Wolfram Weimer: Nicht nur die ärmeren Schichten, auch die Wirtschaft leide unter der Teuerung, sagt der Publizist. Schuld sei vor allem der Ausbau der Erneuerbaren und der Ausstieg aus Atomenergie und Kohle: "Eine grüne Inflation schleicht sich durch die Gesellschaft."
Jürgen Trittin (Die Grünen): "Die Regierung wird die Verbraucher nicht allein lassen", verspricht der Grüne. Vor allem zwei Sofortmassnahmen sollen helfen: Der Wegfall der EEG-Umlage und die Erhöhung der Heizkostenpauschale.
Kerstin Andreae: Hoffnung auf ein Ende des Preisanstiegs macht die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft: "Es gibt eine Entspannung an den Märkten."
Christina Wallraf: Hunderttausende Deutsche haben zuletzt Kündigungen von ihren Billig-Stromanbietern bekommen. "Rechtswidrig", meint die Energieexpertin der Verbraucherschutzzentrale NRW. "Die Kunden können Schadensersatzforderungen geltend machen."
Das ist der Moment des Abends
Wer gerade darüber brütet, wo sich die 438 Euro einsparen lassen, die eine Durchschnittsfamilie im Jahr 2022 zusätzlich für Gas berappen muss, hat wahrscheinlich wenig übrig für Grundsatzdiskussionen. Vor allem, wenn sie von Besserverdienern wie Harald Lesch geführt werden.
"Warum soll ausgerechnet die Energie immer billiger werden?", fragt der Astrophysiker, es klingt ein wenig empathielos angesichts der zahlreichen Einspieler, in denen Frank Plasberg Betroffene ihre Verzweiflung ob der explodierenden Preise schildern lässt.
So unglücklich das Timing und die Pose des wie stets sehr von sich überzeugten Lesch – hinter seinem Einwurf steht offensichtlich das Bemühen um langfristige Lösungen statt Blitzreaktionen auf kurzfristige Preisschocks. Den Energiesektor will Lesch wieder in den "Hoheitsbereich" des Staates zurückführen und de-liberalisieren. Und wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden sollen, meint Lesch, müsse der Energieverbrauch in Deutschland ohnehin halbiert werden.
Die sozialen Härten bezeichnet er als "Übergangsprobleme" auf dem Weg in eine nachhaltige Energiewirtschaft, die abgefedert werden müssten – mit finanziellen Mitteln, die derzeit in die Subventionierung von Klimasündern fliessen, Stichwort Dienstwagenprivileg. "Es gäbe schon Möglichkeiten, das zu balancieren", sagt Lesch, dem CDU-Mann Tilman Kuban lautstark vorwirft, nicht an die Notlage von Millionen Menschen zu denken, die sich das Heizen nicht mehr leisten können. "Dazu müsste man aber etwas machen, was man in deutschen Talkshows selten hört: umverteilen. Darauf wird es ankommen."
Das ist das Rede-Duell des Abend
Für die ganz grossen Keulen ist an diesem Abend Wolfram Weimer zuständig, der seine Tiraden gegen die "teure und gefährliche" Energiepolitik mit Zitaten aus dem "Wall Street Journal" schmückt: "Die Deutschen machen die dümmste Energiepolitik." In Weimers heiligem Furor schwingen aber natürlich auch bittere Wahrheiten mit: Deutschlands Energiepreise sind die höchsten im EU-Vergleich und für energieintensive Unternehmen ein Standortnachteil.
Für Weimer liegt die Wurzel des Übels in den staatlichen Steuern und Abgaben, was der Ex-Umweltminister Jürgen Trittin so nicht stehen lassen will: Gerade die energieintensiven Branchen profitierten von Ausnahmen, grosszügig gewährt von seinen Nachfolgern Sigmar Gabriel und Peter Altmaier. Dass die Ampel die EEG-Umlage komplett aus dem Budget bestreiten will, bezeichnet Trittin mit einem Augenzwinkern als "praktische Selbstkritik", was Weimer nicht freundlicher stimmt: "Die Umlage hat uns 200 Milliarden Euro gekostet, es war höchste Zeit, sie abzuschaffen." Das reiche aber nicht aus: "Die Unternehmen wandern ab, wie wollen sie Investoren anlocken?"
Ja wohl nicht mit steuerlichen Subventionen, entgegnet Trittin, aber genau das meint Weimer: "Natürlich!" Trittin, jetzt baff: "Ich nehme das zur Kenntnis."
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Nicht der einzige Moment, in dem Jürgen Trittin nichts mehr einfällt: Frank Plasberg erinnert den grünen Granden an den Wahlkampfschlager seiner Partei, von dem ziemlich genau seit dem 26. September nichts mehr zu hören ist – dem Klimageld.
"Hat Herr Habeck das vergessen?", fragt Plasberg mit nicht zu überhörender Freude am Piesacken. Trittin schwimmt, weicht aus, Plasberg hakt nach, bis der grüne Politveteran zum schlechtesten aller Mittel greift: Er beschwert sich über den Moderator. "Wenn Sie mich ständig unterbrechen, wird es schwierig."
Das ist das Ergebnis
Inhaltlich wälzt Trittin die Frage übrigens auf die EU ab, die erst einmal entscheiden müsse, wie es mit dem CO2-Preis weitergeht. Überhaupt sind immer andere verantwortlich für die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre, was im Hinblick auf die Ampel zu denken gibt – sitzt im Jahr 2037 Robert Habeck bei "Hart aber fair" und erläutert haarklein, was seine Amtsnachfolger alles verbockt haben?
Was sich Trittin dagegen stolz ans Revers heftet: Windräder in Texas, gebaut von RWE. Das sei nämlich nur möglich dank der Energiewende made in Germany. "Wir konnten die Preise für Erneuerbare um 90 Prozent senken. […] Das führt dazu, dass im internationalen Wettbewerb seit Jahren mehr Erneuerbare als Fossile ans Netz gehen."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.