"Kennen Sie den Knopf, den man drücken kann?": Einmal mehr hat die Diskussionsrunde "Hart aber fair" bei Frank Plasberg am Montagabend gezeigt, wie ratlos das Land vor der aktuellen Flüchtlingssituation steht.
22.000 Flüchtlinge an einem Wochenende, müde Helfer, überforderte Beamte – und eine Kanzlerin, die sich plötzlich für Transitzonen an den deutschen Grenzen ausspricht: In seinem ARD-Talk "Hart aber fair" fragt
"Alle sind am Ende, das Ende der Fahnenstange ist erreicht", schimpft Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistages. Der CSU-Politiker bringt die Idee des Landkreistags mit in die Sendung, das Grundgesetz so zu ändern, dass Asylsuchenden aus sogenannten sicheren Staaten keine individuellen Verfahren mehr zustehen. Abgesehen davon hat er keine konkreten Lösungsvorschläge – die müsse seiner Meinung nach die "grosse Politik" liefern. Bernreiter droht mehrfach: Sonst werde die Gesellschaft die Grenzen aufzeigen.
Die Frage nach der "Obergrenze" bezeichnet Frank Plasberg als "die blödeste, die man stellen kann" – und macht es trotzdem.
Es gibt keinen Knopf, der die Probleme löst. Das betont auch der Journalist und Politikberater Michael Spreng. Einst für die Bild-Zeitung und als Wahlkampfberater Edmund Stoibers im Dienst, setzt er sich in der Sendung sehr bedacht für einen menschlichen Umgang mit der Flüchtlingssituation ein. Zweckoptimismus sei aus Regierungssicht in dieser Situation die einzig verantwortliche Haltung. Bernreiter sieht das ganz anders: "Wir bestellen Container, wir bestellen Zelte, wir bestellen Schnellbauhallen. Die Landräte arbeiten alle am Anschlag. Es ist aber bei der Bevölkerung auch nicht mehr vermittelbar." Spreng fragt ihn: "Kennen Sie den Knopf, den man drücken kann?" Kennt er nicht.
Eher selten äussert sich die einzige Frau in der Runde. Wenn doch, redet sie sich aber in Rage: Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linken. Ihre Argumente sind die ewigen der Linken: Auch bei der Bankenrettung habe die Regierung sofort Geld in die Hand genommen. Sie schlägt vor, die Flüchtlingssituation auch mit Geld der Reichen in den Griff zu bekommen – und die Fluchtursachen zu bekämpfen, beispielsweise durch den Stopp von Rüstungsexporten.
Eine eher unglückliche Figur macht Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Schon vor Wochen erntete er mit der Forderung nach einem Zaun herbe Kritik – plötzlich fühlt er sich unverstanden und rudert zurück: Stattdessen seien für ihn auch Polizeistreifen an den Grenzen denkbar. Plasberg betont: "Man kann einen Zaun fordern, aber man muss es dann auch zu Ende denken." Wendt glaubt, man könne humanitäre Fragen lösen – auch "mit einem geordneten Verfahren an den Grenzen". Für seine Äusserungen erntet er Kritik von Michael Spreng: "Ich fände es besser, wenn Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, nicht noch Öl ins Feuer giessen."
Über eine Stunde Diskussion ohne neue Ansätze und mit einem blassen Moderator zeigt einmal mehr, wie schwer es ist, mit der aktuellen Flüchtlingssituation umzugehen. Überzogenen Forderungen nach Abschottung haben zumindest Altmaier, Dagdelen und Spreng eine klare Absage erteilt. Was Plasbergs Sendung abgesehen von etwas mehr Kreativität und neuen Ideen noch gut getan hätte: Flüchtlinge oder Menschen, die sich ehrenamtlich für die Asylsuchenden engagieren. Wenn sie schon nicht in der Diskussionsrunde zu Wort kommen, dann doch bitte zumindest in einem der Einspieler.
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