Die Reichen werden immer reicher - wie lange kann das noch so weitergehen, will Frank Plasberg wissen. Weil er dazu die Karikatur eines Superreichen eingeladen hat, muss Juso-Chef Kevin Kühnert sichtlich leiden.

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Kevin Kühnert muss sich mit Olaf Scholz eine Partei teilen, der Mann weiss eigentlich, wie man Menschen aushält, mit denen man so gar nichts anfangen kann. Der Montagabend bei Frank Plasbergs "Hart aber fair" stellte den Juso-Chef dennoch auf eine sehr harte Probe.

Nach den 75 Minuten zum Thema "Der Club der Reichen – wie viel Ungleichheit verträgt das Land?" hatten zumindest seine Augenringe die Juso-Grenze von 35 Jahren schon weit überschritten, teilweise blickte Kühnert so irritiert in die Weiten des Studios, als hätte er einen Geist gesehen.

Es war ein in allen Belangen sehr lebendiger Mann, der den SPD-Linken so derart schaffte, ein Mann, der schon die 45-minütige Dokumentation bestimmte, die der Diskussion voranging: Christoph Gröner, Bauunternehmer, (selbst) geschätztes Vermögen von 80 Millionen Euro, ein "Self-Made-Millionär", der mit seinem Geld auch Gutes tut und noch lieber darüber redet.

Kühnert arbeitete sich den ganzen Abend über an Gröner ab, aber der liess sich von ein paar klassenkämpferischen Aufmüpfigkeiten nicht beeindrucken.

Wer so wie er arbeitet, verdient es, reich zu sein, und verdient es auch, dass der Staat ihm zu Diensten ist. Diese Haltung trug Gröner in allen Variationen vor. Sein Duell mit Kühnert machte die Runde lebendig, wirklich erhellend waren aber eher die nackten Zahlen – und eine gruselige Erzählung aus einer geteilten Stadt mitten in Deutschland.

Kevin Kühnert nennt Christoph Gröner einen Oligarchen

Die Fakten lieferte vor allem Michael Hartmann, der renommierteste Elitenforscher Deutschlands: Das oberste Prozent hierzulande besitzt ein Drittel des Gesamtvermögens, bei der Ungleichheit ist Deutschland Spitze, gehört zu den Top Drei der OECD, weit vor ähnlich reichen Ländern wie Frankreich und Grossbritannien.

Die grossen Kapitalgesellschaften, so Hartmann, machen im Vergleich zum Anfang der Neunziger Jahre dreimal so hohe Gewinne, reinvestieren aber nur noch einen Bruchteil, der Löwenanteil geht an die Aktionäre.

Das gelte nicht für Familienunternehmen, insistierte Hermann Otto Solms, Finanzpolitiker der FDP, der seine Hauptaufgabe darin sah, das Bild von den tüchtigen, verantwortungsvollen deutschen Unternehmern zu pflegen, die ihr hart verdientes Geld ständig vor dem Zugriff des Staats schützen müssen, der es ja ohnehin nur - Solms würde es so nicht formulieren, Gröner tut das - denen "schenkt, die an der Wertschöpfung gar nicht teilnehmen".

Gröner gehört nicht zu den scheuen Superreichen der Republik, dafür ist er vielleicht auch nicht reich genug. Stattdessen spielt er laut und voller Wonne die ganze Klaviatur von der Unterschichtsbeschimpfung in der Tradition von Kurt Beck ("Sie müssen sich nur mal waschen und rasieren, dann kriegen Sie einen Job") bis zur Selbstbeweihräucherung von SAP-Gründer Hasso Plattner ("Es wird keiner reicher, wenn ich weniger habe.")

In der Dokumentation "Ungleichland" läuft die Kamera mit, als Gröner den Plan fasst, Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker Druck wegen einer Baugenehmigung zu machen - indem er mit dem Wegzug seiner Firma nach Düsseldorf droht.

Plasberg nennt das "Erpressung", Kühnert bezeichnet den Unternehmer als "Oligarchen", und landet damit bei der bestimmenden Frage des Abends: Kommt mit dem Geld auch Einfluss?

Irritierendes Demokratieverständnis

Um sie zu beantworten, ist Gröner allerdings wohl der falsche Gast. Ja, man kann sich die Euphorie bei den Filmemachern vorstellen, dass er allen Ernstes einwilligte, als Protagonist an "Ungleichland" mitzuwirken.

Ein Mensch, den man sich nicht besser ausdenken kann - so würde ein Immobilien-Hai in einem Film von Helmut Dietl aussehen, so würde er reden, so würde er lächeln.

Aber wie er sich bei jedem Wortbeitrag abrackert, seine maskenhafte Mimik, die nicht nur wegen der optischen Ähnlichkeit an den überhitzten Gerhard Schröder der Elefantenrunde 2005 erinnert, seine Idee, eine Partei zu gründen, all das wirkt doch arg übertrieben. Als arbeite da einer an seinem eigenen Mythos. To good to be true.

Zu gern hätte man noch ein paar mehr Stimmen aus dem Einkommensbereich von Gröner gehört, Plasberg hatte nicht mehr zu bieten als altbekannte Zitate von Hasso Plattner und Hannover-96-Zampano Martin Kind.

Letzterer zeigt sein Demokratie-Verständnis ja schon deutlich bei seinem Verein, die Betonung liegt auf "seinem", und er unterstützt eine Idee, die auch Gröner so ähnlich äussert – er würde ja höhere Steuern zahlen, aber nur, wenn diese auch in die Bildung fliessen.

An sich keine schlechte Sache, auf den zweiten Blick aber irritierend, wenn Wohlhabende das Recht einfordern, zu bestimmen, was mit ihren Steuern genau passiert. Wenn sie direkten Einfluss verlangen, statt den indirekten, den die Geldelite ohnehin schon viel stärker ausübt als der Rest.

Starke Lobby gegen Erbschaftssteuer

"Die Wahrscheinlichkeit für eine Politikveränderung ist wesentlich höher, wenn diese Politikveränderung von einer grossen Anzahl von Menschen mit höherem Einkommen unterstützt wird."

Dieser Satz stand in einer vorläufigen Fassung des Armutsberichts der Bundesregierung von 2016. In der überarbeiteten Version fehlt dieser Passus. Nicht das erste Mal, dass dieser Bericht entschärft wurde: 2013 entfielen kritische Anmerkungen zur Vermögensverteilung – auf Betreiben der FDP.

Zwei Drittel der reichsten Deutschen kommen übrigens durch Erbe oder Schenkung zu ihrem Vermögen, erklärte Michael Hartmann.

Dass dabei möglichst wenig Geld im Staatssäckel landet, dafür sorgen Lobbyorganisationen wie die "Deutsche Stiftung Eigentum", die vehement gegen eine Reform der Erbschaftssteuer arbeitet. Vorsitzender des Stiftungsrats: Hermann Otto Solms, eigentlich Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich, der sich von Frank Plasberg noch zu seinem Familienerbe befragen lassen musste, dem Licher Schloss. Er habe wie seine Geschwister darauf verzichtet, erklärt Solms, aber das Schloss befinde sich noch im Familienbesitz.

In der Diskussion um die Erbschaftssteuer, sagt Juso-Chef Kevin Kühnert, hätten es Organisation wie Solms Stiftung Eigentum geschafft, den Eindruck zu erwecken, als ginge es um Omas Häuschen. Dabei schwebe ihm ein Freibetrag zwischen einer und zwei Millionen Euro vor. "Da kann mir keiner erzählen, dass darauf nicht zehn Prozent Steuern erhoben werden können", sekundiert Hartmann.

Aber natürlich kann Solms ihm das erzählen, und auch die Journalistin Bettina Weiguny sieht die Kühnertsche Grenze schnell erreicht, wenn Omas Häuschen am Stadtrand von München oder Frankfurt steht.

"Wenn eine Postleitzahl über ein Schicksal entscheidet"

So wenig Weiguny die dezidiert linken Positionen von Kühnert und Hartmann teilt, eine beunruhigende Beobachtung hat sie in ihrer Arbeit doch gemacht: die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland geht auseinander.

Erlebt hat die Journalistin das in Essen. "Die gespaltene Stadt" hat Weiguny sie in einem Artikel für die FAZ getauft. Der Norden arm, der Süden reich, fein säuberlich getrennt, "soziale Entmischung" nennt sich das im Jargon der Soziologen.

Hier verrottende Kindergärten, geschlossene Bibliotheken, überfüllte Freibäder, dort Eliteschule, Geigenunterricht und klare Seen. Alles klar gruppiert, alles nebeneinander, ohne Berührungspunkte. Die Rückkehr von Ober- und Unterstadt. "Da wird es gefährlich", sagt Weiguny, "wenn eine Postleitzahl über ein Schicksal entscheidet."

Wenn es so weitergeht, sagt Michael Hartmann, entstehen daraus massive Konflikte, und die Wähler laufen zur AfD.

Ein Ball, den der Linke Kevin Kühnert aufnimmt: Den Rechtsruck erklärt er mit dem Rückzug des Staates aus wichtigen Bereichen wie Mobilität und sozialem Wohnbau.

Stattdessen hat die Bundesrepublik die schwarze Null geschafft – und die will auch Finanzminister Olaf Scholz, SPD, weiter halten. Kevin Kühnert mag es aus dem TV-Studio geschafft haben, aber in der Grossen Koalition wird er weiter leiden.

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