Wie weit darf man gehen, um dem Terror Einhalt zu gebieten? Das wird bei Frank Plasberg scharf debattiert. Ein IS-Kenner wirft den Moscheengemeinden Versagen vor, der BKA-Chef spricht von ausgereizten Kapazitäten – und eine Islamismus-Expertin schildert vom Kampf gegen die Radikalisierung Jugendlicher.

Mehr aktuelle News

Was ist das Thema?

Schwer bewaffnete Polizisten an öffentlichen Plätzen, verschärfte Grenzkontrollen, kurzfristige Gesetzesänderungen – wird die Freiheit das erste Opfer der Terrorangst, will Moderator Frank Plasberg bei "Hart aber fair" wissen. Und, wie weit man dabei gehen darf.

Wer sind die Gäste?

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA). Er versucht zu erklären, wie seine Behörde mutmasslichen Terroristen das Handwerk legen will. "Wir bekommen eine Vielzahl von Hinweisen, bewerten die Informationen und wenn wir das Gefühl haben, dass ein Hinweis ernst zu nehmen ist, gehen wir ran", schildert er. Münch lässt die Zuschauer mit Bedenken zurück, als es um die Kapazitäten des BKA geht. Plasberg rechnet vor: Für geschätzt 427 "Gefährder" seien etwa 12.800 Beamte zur Observierung notwendig.

"Wir können nicht jeden rund um die Uhr observieren", erklärt Münch. "Da müssen sie schon jemanden haben, der zu einer Tat ansetzt." Der BKA-Mann erzählt von 600 Verfahren gegen 900 mutmassliche Täter, zum Beispiel wegen des Verdachts der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung." Und er spricht sich für die sogenannte Vorratsdatenspeicherung aus. Kritiker sehen darin einen Eingriff in die Grundrechte, Münch hält sie als Option moderner Polizeiarbeit für unabdingbar.

Bruno Schirra, Journalist und IS-Experte. Schirra hat eine Quelle unmittelbar beim Islamischen Staat in Al-Rakka, Syrien, sitzen. Wie dieser IS-Kämpfer auf die Attentate von Paris reagiert habe, wird er gefragt. Seine Schilderung ist schockierend: "Voller Euphorie. Sie haben gesagt: Wir haben Euch im Herzen Europas mörderisch getroffen", erzählt er.

Der IS feiere sich dafür, eine weitere Stadt, Brüssel, in Geiselhaft genommen zu haben, schildert er. "Ich nehme sie ernst." "Weiche Ziele" seien auch in Deutschland bedroht, meint er und nennt Beispiele: Hotels, Veranstaltungen und Weihnachtsmärkte. Weniger Freiheit für mehr Sicherheit lehnt er ab. Seine Begründung: In Frankreich habe dies nichts gebracht.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, ehemalige Bundesjustizministerin. Die 64-Jährige mahnt ordentlich: Davor, alle Muslime abgedroschen mit Radikalen gleichzusetzen; davor, beim Streben nach Sicherheit zu sehr in die Grundrechte einzugreifen und konkret vor der Vorratsdatenspeicherung. Sie kommt vergleichsweise wenig zu Wort. Was sie sagt, bewegt sich jedoch am nächsten am Thema.

Jörg Radek, Polizeihauptkommissar, GdP-Chef der Bundespolizei. "Wir haben konkret acht Anschläge in den vergangenen Jahren vereitelt", sagt er und fordert die Bürger zu Achtsamkeit auf. Er kritisiert, dass in den letzten Jahren bei der Polizei insgesamt 16.000 Stellen abgebaut wurden und wirbt für die Vorratsdatenspeicherung. "Wir brauchen sie, um auch künftig Anschläge zu vermeiden", sagt er und begründet: "Sie haben mit dieser sehr schnell ein Bild davon, wo sie ansetzen müssen."

Zekeriya Altug, Vorstandsmitglied DITIB, Nordrhein-Westfalen. Ihn stört, dass islamistisch und Terror gleich gesetzt werden. Sympathisanten des IS würden wegen Perspektivlosigkeit abrutschen und nicht, weil sie religiös frommer seien. Auch die Moscheenvereine, die er vertritt, stünden in der Verantwortung, an Jugendliche ranzukommen, "die nicht in unseren Moscheen sind, diese in die Gesellschaft zurückholen". Seine Meinung zur eingangs gestellten Frage: "Wir dürfen dem Thema Sicherheit nicht alles unterordnen und uns in Geiselhaft nehmen lassen."

Stephan Mayer, CDU, Innenpolitischer Sprecher der Union-Fraktion. "Sicherheit und Freiheit schliessen sich nicht aus", sagt er. Der CDU-Politiker ist im Vergleich zu anderen Polit-Talks, bei denen er zu Gast ist, wenig an der Diskussion beteiligt. Er bemüht bekannte Phrasen.

Beispiel Nummer eins: "Wir sind weit davon entfernt, ein Überwachsungsstaat zu sein."

Beispiel Nummer zwei: "Es ist nicht auszumalen, was in Deutschland los wäre bei einem Anschlag wie in Paris." Und er attackiert die Bundesländer, die zu wenig in die Polizei und die Präventionsarbeit in Gefängnissen investieren würden, wie er meint. Ein Mehr an Sicherheit hat für ihn offenbar Priorität.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Schirra belehrt Altug. Die Moscheengemeinden könnten die Radikalisierung Jugendlicher nicht verhindern, meint er. "Sie lassen ihnen zu lange freie Hand und wundern sich, dass sie sie nicht zurückholen können." Altug gesteht ein, keinen Einfluss mehr auf die Jugendlichen zu haben, verliessen diese erst einmal die Moscheen. Schirra will das nicht gelten lassen: "Gehen sie zu den ganz jungen hin, von denen können sie viele davon abhalten, in den Dschihad reinzurutschen."

Was war der Moment des Abends?


Als Claudia Dantschke, Islamismus-Expertin der Beratungsstelle HAYAT Deutschland, von der Arbeit mit Angehörigen von Menschen erzählt, die sich dem radikalen Islamismus verschrieben haben. Davon, dass Eltern, die erkennen, dass ihre Kinder mit dem IS sympathisieren, noch strenger würden; davon, dass die Ideologie ihren privaten Frust kläre; davon, dass die Jugendlichen aus allen möglichen Familien kämen. Mehrere Jugendliche hätten sie aus Syrien zurückgeholt, schildert sie. Ihr Kampf gegen den Terror wird fassbar.

Wie hat sich Plasberg geschlagen?


Durchschnittlich. Manchmal verzettelt er sich in seinen Formulierungen. Durch sein Nachfragen ermöglich er dem Zuschauer zwar einen Mehrwert: Die Info etwa, wie viele Personen das BKA beobachtet. Aber zu oft bewegt er sich weit abseits der Fragestellung.

Was ist das Ergebnis?


Dass, wie in allen anderen Sendungen über diese Thematik auch, alle darum bemüht sind, die Radikalisierung zu erklären. Und sich in ihrer Argumentation im Kreis drehen. Dass das Mehr an Sicherheit auch auf Kosten von Freiheitsrechten gehen könnte, traut sich niemand vehement anzusprechen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.