Der gebürtige Hamburger Ivar Buterfas-Frankenthal hat nur knapp den Nationalsozialismus überlebt. Bei "Markus Lanz" erzählte er seine dramatische Familiengeschichte. Gleichzeitig warnte er vor dem Wiederaufflammen des Antisemitismus in Deutschland.
Er nutzt auch mit fast 91 Jahren jede Möglichkeit, um an die Grauen der NS-Herrschaft zu erinnern. Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Die Reichpogromnacht am 9. November 1938 gilt als Startschuss für die Vernichtung von Juden in Nazi-Deutschland und Europa. Unter dem Gesichtspunkt liess Markus Lanz am Donnerstagabend einen Zeitzeugen zu Wort kommen, der über die Schrecken der Nazi-Zeit berichtete.
Der ZDF-Moderator zog daraufhin beunruhigende Parallelen zwischen dem Dritten Reich und dem heute stetig wachsenden Antisemitismus im Land. Des Weiteren blickte Lanz kritisch auf Social-Media-Plattformen wie TikTok, wo plötzlich antisemitische Verschwörungstheorien bei Millionen Jugendlichen Gehör finden.
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Das sind die Gäste
- Ivar Buterfas-Frankenthal: "Es ist sehr unruhig auf Deutschlands Strassen – unruhiger als 1934."
- Hanna Veiler, Studentin: "Auf TikTok werden gerade wieder uralte Verschwörungserzählungen recycelt."
- Mehmet Can, Lehrer: "Es gibt unter Jugendlichen das feste Bild, dass die Medien völlig einseitig über diesen Krieg berichten."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Über seine Erlebnisse während der Reichspogromnacht vor 85 Jahren sagte Ivar Buterfas-Frankenthal bei "Markus Lanz": "Es war furchtbar, auf Glasscherben zu treten. Die Geschäfte waren alle geplündert, (...) und es lagen auch Tote auf der Strasse." Buterfas-Frankenthal erzählte daraufhin seine höchst emotionale Familiengeschichte. Seine Mutter kämpfte mit insgesamt acht Kindern ums nackte Überleben und meisterte unter anderem eine beschwerliche Flucht nach Polen.
Sein Vater wurde derweil ins Konzentrationslager Esterwegen verbannt und kehrte als gebrochener Mann zurück. "Er hat Furchtbares durchgemacht, das muss man einfach so sehen", konstatierte Ivar Buterfas-Frankenthal. Bei "Markus Lanz" berichtete er zudem von einer Schreckenssituation, die ihn bis heute verfolge. Zu Beginn des Krieges wurde er von seinem Rektor mit den Worten von der Schule geworfen: "Hör' mal zu, du kleiner Juden-Lümmel! Du verlässt sofort unseren Schulhof. (...) Und du wirst mit deinem jüdischen Pest-Atem unsere arische Luft nicht weiter belasten."
Unglaubliche Worte, die Markus Lanz sprachlos machten. Ivar Buterfas-Frankenthal erinnerte sich weiter: "Im selben Moment brach ein Inferno los. Die Mädchen traten nach mir, einige spuckten nach mir, und ich lief so schnell wie ich konnte vom Schulhof. Ich habe geheult wie am Spiess. Ich konnte gar nicht begreifen – was ist denn überhaupt ein Jude? Ist das eine Krankheit?"
Auch nach Kriegsende soll sich die Stimmung an deutschen Schulen laut des Zeitzeugen nicht verändert haben, da viele Kinder laut Buterfas-Frankenthal weiterhin "ideologisiert" waren. Selbst einige Beamte, die zur Nazi-Zeit tätig waren und ihm einst seine deutsche Staatsbürgerschaft wegnahmen, seien laut Buterfas-Frankenthal nach Kriegsende ohne Konsequenzen wieder an ihre alten Posten zurückgekehrt. "Kommt man da jemals drüber hinweg?", wollte Lanz wissen. Der Holocaust-Überlebende antwortete: "Nein, nie!"
Er ergänzte emotional, dass er "durch die Hölle gegangen" sei: "Wenn meine Frau nicht gewesen wäre, könnte ich hier heute nicht sitzen. Ich hätte mich wahrscheinlich von dem, was ich erlebt habe, nicht erholt." Umso schockierter zeigte sich Ivar Buterfas-Frankenthal über den wieder steigenden Antisemitismus: "Man muss sich diese Zeit vorstellen – und wir haben sie wieder! Wir haben sie wieder! Und mit dem Verdrängen wiederholen wir. Das ist das Schlimmste, was es gibt!"
Das ist das Rede-Duell des Abends
In Bezug auf den steigenden Antisemitismus im Land sah Studentin Hanna Veiler eine grosse Gefahr hinter Social-Media-Plattformen wie TikTok. Dort finde sich momentan "ein regelrechter Boom" an Verschwörungstheorien wieder: "Für mich ist das wahnsinnig erschreckend zu beobachten." Ein Ereignis wie die Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober hätte laut der Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands "wenigstens in Deutschland mit Deutschlands Vergangenheit Menschen aufrütteln" müssen, aber "wir erleben das Gegenteil".
Die Studentin ergänzte wütend: "Dass das möglich ist, ist einfach wahnsinnig. Aber andererseits ist es eben auch für viele Jüdinnen und Juden leider keine Überraschung, dass das möglich ist." Markus Lanz verteidigte daraufhin viele Jugendliche, bei denen er eine grosse Solidarität mit der jüdischen Gemeinde spüre. Dem konnte Hanna Veiler nur teilweise zustimmen. Sie merkte an: "Was der jüdischen Community fehlt, was wir nicht wahrnehmen, ist ein Aufschrei, der Massen bewegen könnte. Denn das ist das, was wir gerade brauchen. Wir sind innerhalb weniger Wochen durch die Hölle gegangen."
Das brachte die Runde auf das Verständnis öffentlicher Meinungsfreiheit zu sprechen und die Kritik an der israelischen Regierung. Dabei wurde die 25-Jährige erneut deutlich und sagte: "In der Regel ist Israelkritik sehr häufig antisemitisch. Und dagegen müssen wir vorgehen." Markus Lanz wollte das nicht unkommentiert lassen und konterte: "Ich würde nicht per se jedem unterstellen, dass er antisemitisch ist, aber ich würde schon ernst nehmen, wenn jemand sagt, ich kritisiere Israel. Was er damit meint, ist ja nicht, das Existenzrecht Israels infrage zu stellen."
Hanna Veiler verteidigte sich prompt: "Das habe ich ja auch nicht getan!" Der ZDF-Moderator zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt und erklärte weiter: "Wenn jemand hadert mit der israelischen Politik, (...) dann finde ich, ist es nicht nur möglich, das zu sagen, das ist sogar notwendig, das zu sagen." Die Studentin stimmte dem zwar zu, warnte jedoch auch: "Das Problem kommt dann auf, wenn man eine unglaubliche Hyperfixierung auf Israel hat."
Abschliessend sagte sie mit ernstem Blick: "Natürlich müssen wir über die Grenzen der Meinungsfreiheit diskutieren. Seit dem 7. Oktober gibt es manche Sachen, die nicht mehr verhandelbar sind – zumindest für Jüdinnen und Juden in diesem Land."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz spannte einen exzellenten Bogen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, indem er nicht nur den Zeitzeugen Ivar Buterfas-Frankenthal zu Wort kommen liess, sondern auch Studentin Hanna Veiler mit spannenden Fragen ins Gespräch einbezog.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Ivar Buterfas-Frankenthal machte bei "Markus Lanz" deutlich: "Ohne Aufklärung haben wir keine Chance, dass wir auch nur das Geringste verändern". Da der Nationalsozialismus laut Buterfas-Frankenthal noch lange nicht aus den Köpfen heraus sei, wandte er sich mit einem Wunsch an den ZDF-Moderator: "Unsere kommende Generation hat ein Recht darauf, diese herrliche Bundesrepublik Deutschland zu geniessen. Denn es ist die beste, die wir jemals hatten."
Um am 8. Mai 2045 100 Jahre deutschen Frieden feiern zu können, sei es für den Zeitzeugen daher unabdingbar, "die AfD aber bei jeder Gelegenheit zu bekämpfen". © 1&1 Mail & Media/teleschau
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