"Brauchen wir schon jetzt andere Wälder, eine andere Landwirtschaft, damit Deutschland nicht zur Steppe wird?" Frank Plasberg fragt in seiner jüngsten Ausgabe von "Hart aber fair", als ob ein Umdenken angesichts der Klimakatastrophe noch nie gefordert worden sei. Trotzdem war es eine gute Diskussion mit Wachrüttel-Potenzial.

Christian Vock
Eine Kritik

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"Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut" - Mit dieser schlichten Formel bringt die Fridays-for-Future-Bewegung seit Monaten auf den Punkt, dass die Politik mit ihrem Nichtstun die Lebensgrundlagen der aktuellen und künftigen Generationen verspielt. Die schlechte Nachricht aus der Wissenschaft: Die Klimakrise vollzieht sich noch schneller als erwartet.

Als ob es angesichts dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse über die kommenden und bereits gegenwärtigen Folgen der Klimakrise noch Zweifel gäbe, fragte Frank Plasberg am Montagabend "Dürre Felder, brennende Wälder: Ist das noch Wetter oder schon unsere Zukunft?"

Mit diesen Gästen diskutierte Frank Plasberg:

Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft

• Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes

• Franz Prinz zu Salm-Salm, Waldbesitzer und Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt

Sven Plöger, Meteorologe und ARD-Wetterexperte

• Franz Alt, Journalist und ehemaliger Leiter der Zukunftsredaktion des SWR

Darüber diskutierte die Runde bei "Hart aber fair":

Die Bestandsaufnahme:

Frank Plasberg lässt von seinen Gästen erst einmal die Diskussionsbasis schaffen und die ist alles andere als ermutigend. Franz Prinz zu Salm-Salm berichtet zum Beispiel aus Nordthüringen, dass dort wegen der vergangenen Dürre-Perioden zwei Drittel der Wälder in Auflösung begriffen seien, insbesondere die Buchenbestände, aber auch die anderen Bäume: "Ich kriege überall schreckliche Meldungen."

Ähnlich schlimm verhalte es sich beim durch die Klimakrise verstärkten Schädlingsbefall, wie zu Salm-Salm am Beispiel der Wälder der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz erklärt: "Die Schädlinge im Wald erleben wir als existenziell. (…) Die Mitarbeiter können nur noch mit Vollkontaminationsschutz, also in Biochemie-Kampfanzügen, in die Kulturpflege rein."

Wer nun verzweifelt nach guten Nachrichten sucht, wird von Sven Plöger enttäuscht: "Das ist unsere Zukunft. Punkt", hält der Meteorologe fest und erklärt: "Es tritt ein, was Klimaforscher vor 20, 30 Jahren gesagt haben."

Die Bauern:

Franz Alt kritisiert hier vor allem die Monokulturen in der industriellen Landwirtschaft und fordert einen weitaus höheren Anteil an Öko-Landwirtschaft: "Um mehr Ökolandbau kommen wir nicht herum." Den verspricht Julia Klöckner: "Es ist realistisch, dass wir bis zum Jahr 2030 mindestens 20 Prozent umgestellt haben."

Joachim Rukwied ist der Meinung, die Bauern täten bereits sehr viel für den Umweltschutz. Gleichzeitig verweist er auf die Verantwortung der Verbraucher: "Die Landwirte sind bereit, noch mehr Öko zu machen, aber dann muss man auch die Öko-Produkte kaufen."

Waldbauern:

Seit 30 Jahren versuche man laut Franz Prinz zu Salm-Salm, die Monokulturen im Wald umzubauen, erhalte aber keine Unterstützung: "Der Punkt ist, dass uns die Gesellschaft dabei schmählich im Stich lässt."

Die Gesellschaft helfe den Waldbauern nicht, die Schäden zu beseitigen, die Politik ebenso wenig: "Die Bundesregierung hatte vom BGH seit 1987 die Aufgabe, einen Extremwetterfonds zu schaffen, um solche Schäden auszugleichen. Sie hat es nicht gemacht."

Viele Waldbauern seien inzwischen schlicht pleite, auch weil der Holzmarkt zusammengebrochen sei. Dementsprechend hätten Waldbauern noch nicht einmal das Geld, das tote Holz aus dem Wald zu schaffen, um mit der Wiederaufforstung beginnen zu können.

Immerhin scheint sich Julia Klöckner des Problems bewusst zu sein und verspricht Hilfe: "Wir brauchen ein Millionen-Wiederaufforstungsprogramm. Wir müssen ran an den Klimafonds der Bundesregierung und wir brauchen mindestens 600 Millionen Euro, um zu starten."

Die Schuldfrage:

"Der 1. und der 2. Weltkrieg haben zu riesigen Reparationshieben geführt. Diese hat man vorzugsweise vor 70 Jahren mit Nadelhölzern aufgeforstet", erklärt Franz zu Salm-Salm den Grund für die heutige Zusammensetzung der Wälder.

Sven Plöger ruft bei der Diskussion um landwirtschaftliche Produktionsweisen die immense Verschwendung von Lebensmitteln in Erinnerung und Frank Plasberg führt noch einmal vor Augen, dass es gerade beim Klimaschutz noch immer eine grosse Diskrepanz zwischen Einsicht und Handeln gebe.

Franz Alt fordert wesentlich mehr Verbote, alles andere helfe wenig: "Jetzt diskutieren wir über eine CO2-Steuer. Wieso müssen es immer Steuern sein? (…) Die Sklaverei ist doch nicht abgeschafft worden durch ein bisschen Steuer auf Sklavenhaltung. Die Kinderarbeit ist doch nicht durch eine Steuer auf Kinderarbeit abgeschafft worden."

Dass es solche Verbote nicht gibt, liegt laut Alt an der Mutlosigkeit der Politik, den Menschen die Wahrheit zu sagen: "Leider hat für solche klaren Entscheidungen die Politik nicht den Mut, der einfach notwendig ist in Zeiten der Klimaerhitzung."

Andere Länder wie England oder Schweden hätten hier mehr getan: "Dafür braucht man mutige Politiker und die fehlen leider."

Der Schlagabtausch des Abends bei "Hart aber fair":

Den gab es nicht, ihn brauchte es aber auch gar nicht. Denn selten zuvor gab es in einer Polit-Talkshow jemanden der so leidenschaftlich diskutierte wie Franz Prinz zu Salm-Salm.

Natürlich hatte er als Verbandsvertreter seine eigene Agenda, aber er schaffte es durch seine impulsive Art mehr als deutlich, auf den besorgniserregenden Zustand des Waldes hinzuweisen.

Das fiel sogar Frank Plasberg auf, weshalb er zu Salm-Salm fragte, ob er nicht in die Politik wechseln wolle. Dessen Antwort in Hinblick auf die kommunikativen Fähigkeiten eines Politikers: "Ich bin zu ehrlich dazu."

So schlug sich Frank Plasberg:

Es war sicher nicht Frank Plasbergs schlechtester Tag, aber auch nicht sein bester. In guten Momenten liess er die angeregte Diskussion souverän laufen, in schlechten Momenten gab er vor allem Julia Klöckner zu viel Raum, ihre Politik-Floskeln zu dreschen.

Die nutzte den Freiraum für Unverbindliches und Schönfärberei, was man nicht alles tun werde oder schon getan habe, für warme Worte für Bauern und Waldbauern obendrauf und für das obligatorische Totschlagargument "Arbeitsplätze", als es um den Kohleausstieg ging. Es war vor allem Franz Alt und nicht Plasberg, der Klöckner hier in die Mangel nahm.

Das Fazit der "Hart aber fair"-Ausgabe:

Dass Frank Plasberg Julia Klöckner nicht wirklich im Griff hatte, ändert nichts an der Tatsache, dass der Zuschauer einige Erkenntnisse mitnehmen konnte. Zum einen konnte die Diskussion wohl mit den letzten Zweifeln - sofern es solche noch geben sollte - wie es um den Planeten bestellt ist, aufräumen.

Zum anderen machte der Abend klar, dass es eine riesige Kraftanstrengung braucht, um das Schlimmste noch zu verhindern und dass dabei alle mithelfen müssen. Klimaschutz, so die Botschaft, geht nur mit den Bauern und nicht gegen sie.

Und die letzte Botschaft, die vor allem Franz Alt ein Anliegen war: Die Politik muss endlich handeln, die Bürger seien hier viel mutiger. Oder wie es Frank Plasberg formulierte: "Vielleicht sind es die Wähler, die mehr Tempo reinbringen."

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