Der 28-jährige Afghane, der nach dem Messerangriff in Aschaffenburg festgenommen wurde, galt bereits vor der Tat als ausreisepflichtig. Bei "Markus Lanz" forderte Martin Huber deshalb mehr Konsequenz bei Abschiebungen. Damit eckte der CSU-Mann bei dem ZDF-Moderator an - und blieb Erklärungen schuldig.

Eine Kritik
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Zwei Tote, drei teils Schwerverletzte: So lautet die traurige Bilanz nach dem Messerangriff in Aschaffenburg. Bei "Markus Lanz" forderte CSU-Politiker Martin Huber nach der Tat am Mittwoch einen Wandel der Migrationspolitik sowie Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Als der ZDF-Moderator ihm jedoch konkrete Fragen zu den Forderungen stellte, geriet Huber in Erklärungsnot.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Bei der Messerattacke in Aschaffenburg kam neben einem zweijährigen Kind auch ein 41-jähriger Mann ums Leben. Drei weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Nur wenige Stunden nach dem Attentat steht für viele neben grossem Entsetzen auch die Frage im Raum, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Der festgenommene Tatverdächtige, ein 28-jähriger Afghane, war nämlich bereits in psychiatrischer Behandlung und ausreisepflichtig. Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Donnerstagabend über die politischen Konsequenzen zu debattieren.

Das sind die Gäste

  • Martin Huber, CSU-Politiker: "Das Thema Migration wächst uns über den Kopf."
  • Victoria Rietig, Migrationsforscherin: "Als Bürgerin dieses Landes kann ich da nicht mehr mitkommen."
  • Markus Feldenkirchen, Journalist: "Am Tag danach finde ich es schlimm, wenn sich Politiker schon mit Lösungen überbieten."
  • Daniel Gerlach, Nahost-Experte: "Für den Tod dieser Menschen ist derjenige verantwortlich, der sie umgebracht hat."
Martin Huber bei "Markus Lanz"
Im Gespräch mit Markus Lanz forderte Martin Huber einen "Wandel in der Migrationspolitik". © ZDF / Cornelia Lehmann

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Nach der Messerattacke in Aschaffenburg stellte CSU-Politiker Martin Huber klar: "Es ist wirklich eine Tat, die fassungslos macht." Markus Lanz nahm dies zum Anlass, nach den Konsequenzen in der deutschen Migrationspolitik zu fragen. Laut des ZDF-Moderators war das Asylverfahren des Attentäters von Aschaffenburg bereits am 11. Dezember eingestellt worden, woraufhin er seine freiwillige Ausreise nach Afghanistan ankündigte. "22. Januar - er ist immer noch hier und jetzt sind zwei Menschen tot. Wie nennen wir das? Behördenversagen?", hakte Lanz streng nach.

Victoria Rietig und Martin Huber bei "Markus Lanz"
Migrationsforscherin Victoria Rietig (r.) zeigte sich skeptisch, als es um die konkreten Pläne der CSU im Bereich der Migrationspolitik ging. © ZDF / Cornelia Lehmann

Martin Huber reagierte verhalten: "Es kann jetzt nicht sein, dass wir nur in Betroffenheit verharren, sondern es ist schon auch die Frage, was ist jetzt zu tun?" Lanz liess sich davon nicht beeindrucken und konterte: "Was haben wir nicht getan, ist ja die Frage!" Der CSU-Politiker schoss prompt zurück: "Das kann man Stand jetzt ja noch nicht genau beurteilen. Das wird sicher noch zu beantworten sein." Martin Huber stellte daraufhin die klare Forderung eines Ausreisearrests: "Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, muss in einen Abschiebehaftgewahrsam genommen werden und dann eben auch dort bleiben, bis er ausreist."

Markus Lanz liess dies nicht unkommentiert und lenkte den Blick erneut auf den Täter aus Aschaffenburg, der "nicht nur ausreisepflichtig", sondern auch "ausreisewillig" gewesen sei: "Wie kann so jemand dann vom Radar der Behörden auf diese Art und Weise verschwinden?" Huber antwortete schwammig: "Deswegen setzen wir uns ja auch dafür ein, dass nach Afghanistan abgeschoben wird. Das ist ja auch ein Problem, das man in dem Zusammenhang sehen muss: Kanzler Scholz hat eine grosse Abschiebeoffensive angekündigt ..."

Der ZDF-Moderator unterbrach den Politiker genervt: "Nicht Kanzler Scholz! Wir sind jetzt gerade in Bayern und in dem Fall auch bei der CSU!" Huber hielt dennoch dagegen: "Der Punkt ist ja schon, dass es hier auch Abschiebungen braucht nach Syrien und nach Afghanistan. Wir setzen uns seit langer Zeit dafür ein, dass auch nach Afghanistan abgeschoben wird. Die Ampel hat das immer blockiert." Lanz konterte wütend: "Herr Huber, nicht Wahlkampf! Das ist nicht das richtige Thema dafür. (...) Ich will ganz konkret über diesen Fall in Bayern sprechen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Journalist Markus Feldenkirchen warnte nach der Messerattacke davor, voreilige Schlüsse zu ziehen: "Ich blicke am Tag danach (...) mit grosser Vorsicht darauf und finde es schlimm, wenn sich Politiker da schon mit Lösungen überbieten." Nahost-Experte Daniel Gerlach fügte hinzu, dass er es unfair finde, den Behörden die volle Verantwortung dafür zu geben, "dass zwei Menschen gestorben sind".

"Bei allem Verständnis für die Kritik an dem Asylsystem. (...) Ich finde, auch da müssen wir gerade in dieser Zeit etwas (...) rhetorisch abrüsten. (...) Für den Tod dieser Menschen ist derjenige verantwortlich, der sie umgebracht hat", so Gerlach. Lanz konterte prompt: "Das habe ich nicht insinuiert, dass jemand in der Behörde sitzt und jetzt dafür verantwortlich ist." Der ZDF-Moderator echauffierte sich dennoch darüber, dass sich deutsche Behörden immer wieder "in unendlichen bürokratischen Verästelungen" verlieren würden, "weil wir irgendwie nie zu einer pragmatischen Lösung fähig sind und das ist wahnsinnig frustrierend".

Martin Huber nickte: "Deswegen fordern wir ja auch, dass Gefährder (...) auch mit der ersten Straftat ausgewiesen werden und es einen Abschiebegewahrsam geben muss." Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: "Betrifft das nur Straftäter oder jeden, der keinen Aufenthaltsstatus hat?" Huber erklärte, dass es lediglich "Straftäter und Gefährder" betreffe. Lanz fragte weiter, wie lange diese in Gewahrsam sitzen müssten. Huber antwortete trocken: "Bis sie freiwillig ausreisen oder die Abschiebung möglich ist."

Als Lanz wissen wollte, was passieren würde, "wenn das Land den Gefährder nicht zurückwill", sagte der CSU-Mann: "Ich glaube, wenn jemand eine Zeit lang in Abschiebegewahrsam ist, erhöht das die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise durchaus." Lanz konterte irritiert: "Das ist ein komisches Verständnis von Rechtsstaat." Er hakte nach: "Ab wann gilt jemand als Gefährder?" Huber reagierte schwammig: "Das sind (...) juristische Fragen." Eine Antwort, auf die Lanz konterte: "Sie wollen es ja von Herrn Habeck auch immer ganz genau wissen."

Auf mehrfaches Nachfragen des Moderators erklärte Huber, dass "jemand, der Gewalt anwendet, jemand, der Körperverletzung macht", als Gefährder gelte. "Jemand, der andere Menschen bedroht, der hat doch kein Anrecht mehr darauf, in diesem Land zu bleiben. Herr Lanz, ich bitte Sie", so der Politiker. Als die übrigen Gäste skeptisch reagierten, wetterte Huber wütend weiter: "Die Menschen in diesem Land haben das Vertrauen verloren in die Handlungsfähigkeit des Staates."

Der CSU-Mann forderte deshalb einen "Wandel im Bereich der Migrationspolitik" und plädierte für Folgendes: "Der Rechtsstaat muss handeln!" Ein Argument, das Lanz nicht überzeugte: "Herr Huber, ich habe ein paar konkrete Nachfragen einfach nur an Sie und Sie können sie allesamt nicht wirklich beantworten. Und spätestens dann wird diese Forderung zu einer Floskel." Ein Vorwurf, den Martin Huber beleidigt zurückwies: "Wird sie nicht!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz zeigte sich vor allem in der Debatte mit Martin Huber häufig genervt und ungeduldig, da der CSU-Mann ihm auf fast keine Frage eine konkrete Antwort liefern wollte. Abschliessend beschwerte sich der Moderator über die zu "theoretische Migrationsdebatte" und sagte: "Mir fehlt da immer der Pragmatismus."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" machte Migrationsforscherin Victoria Rietig mehrfach deutlich, dass sie die "Vision" der CSU in Migrationsfragen skeptisch sehe. Besonders in Bezug auf die Forderung nach mehr Zurückweisungen an den Grenzen sagte sie: "Das ist eine Ressourcenfrage." Laut Rietig sei es schlichtweg "nicht möglich, (...) eine lückenlose Grenzkontrolle zu machen".

Die Migrationsforscherin ergänzte mit Blick auf Martin Huber: "Es ist möglich, mehr zu machen. Es ist nur nicht möglich, das zu machen, von dem Sie sagen, dass sie es machen wollen." Eine Drittstaaten-Lösung nannte Rietig in dem Zusammenhang als "Schaumschlägerei". Eine Aussage, die Huber nicht unkommentiert liess: "Das Thema Migration wächst uns über den Kopf und deswegen brauchen wir wirkungsvolle Massnahmen, um illegale Migration zu stoppen und Migration insgesamt zu begrenzen und zu steuern."

Victoria Rietig stimmte zwar zu, sie erklärte jedoch, dass es dafür nicht noch mehr neue Gesetze im Migrationsbereich brauche, "sondern wir bräuchten eine Entschlackung der Migrationsgesetze" und "eine Veränderung der Zuständigkeiten".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF / Cornelia Lehmann