Stiller Abgang: Günther Jauch verabschiedet sich von seinem Polit-Talk und er tut es in typischer Jauch-Manier: ohne Blaskapelle, grosse Gesten und Tamtam. Und leider auch ohne grosse Erinnerungsmomente. Nur Wolfgang Schäuble durfte als einziger Gast zum Abschied winken.

Mehr aktuelle News

Das war sie nun also, die letzte Folge "Günther Jauch". Dass Jauch in seiner Abschiedssendung Wolfgang Schäuble als einzigen Gast eingeladen hatte, kann man von aussen betrachtet durchaus als Statement werten. Jauch ist schliesslich nicht irgendwer und dass jemand wie Schäuble kommt, ist für eine Talkshow auch nicht selbstverständlich.

Zumal es - anders als vor kurzem bei Anne Will, als Merkel über die Flüchtlingskrise sprach – eigentlich keinen konkreten Anlass für einen Besuch des Bundesfinanzministers gab. Ein Ausrufezeichen zum Abschied war es aber nicht.

Wenn jemand geht, dann erinnert man sich zunächst einmal an den letzten Augenblick, an dem man ihn gesehen hat. Erst beim zweiten oder dritten Nachdenken fallen einem dann die vielen anderen Momente ein. Daher hätte die Wahl von Wolfgang Schäuble als letzten Talkgast in der Tat deutlich schlechter ausfallen können.

Zum Schluss also nochmal ein Paukenschlag, zumindest ein kleiner Trommelwirbel. Denn die vielen anderen Momente, die vom Jauch-Talk bleiben, sind gar nicht so viele und so anders als bei anderen Polit-Talks sind sie auch nicht.

Günther Jauch – alles, nur kein Revoluzzer

Als Jauch 2011 den sonntäglichen Abend-Talk übernahm, war dies das Ende einer schweren Geburt. Bereits vier Jahre zuvor hatten ARD und Jauch einen ersten Anlauf genommen bis Jauch entnervt von den öffentlich-rechtlichen Gremien zurückzog.

2011 konnte man sich dann doch einigen und es kam zum grossen Sendeplatzrücken bei den Polit-Talks. Anne Will, die bis dato die Sonntags-Runde moderierte, musste auf den Mittwoch umziehen, denn Jauch übernahm von nun an den Premium-Platz.

Eine Revolution des Polit-Talks konnte man von dem bedächtigen Jauch damals nicht erwarten. Dabei hätte die politische Talkshow dringend eine Revolution gebraucht. Denn wer sich als Zuschauer von einem Polit-Talk Erkenntnisse in einer bestimmten Frage erhofft, der findet dort nur allzu oft keine Antworten.

Das hat vor allem drei Gründe: Ein Polit-Talk im aktuellen Gewand setzt vor allem auf eine angeregte Diskussion zwischen den Gästen, auf Kontroverse, auf Reibung. Allzu oft artet diese gewollte Hitzigkeit in Gezeter und Gekläff aus und allzu oft lassen die Moderatoren die Gäste ohnmächtig gewähren.

Immer wieder Stoiber, von der Leyen, und Bosbach

Dass es zu solchen Szenen überhaupt erst kommen kann, mag mitunter auch der Auswahl der Gäste geschuldet sein. Es liegt nahe, zu einem Polit-Talk Politiker einzuladen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Politik auch zu erklären.

Bedenklich wird es aber dann, wenn es statt zu Erklärungen nur zum obligatorischen parteipolitischen Gezänk kommt.

Würden die Moderatoren für jedes "Aber ihre Partei hat doch damals", das in einer Sendung fällt, einen Euro bekommen, wäre das ein lukratives Geschäftsmodell.

Wie gut hätte es dementsprechend mancher Sendung getan, wenn man nicht die immer gleichen Politiker wie Stoiber, von der Leyen, Bosbach und Co. eingeladen hätte, sondern auch Menschen, die mit dem gleichen oder sogar einem grösseren Sachverstand einen echten Erkenntnisgewinn hätten beisteuern können - und zwar ohne die Zwänge der Tagespolitik.

Womit wir bei Grund Nummer drei angekommen wären: dem Thema. Man muss sich nur einmal die Themen der Polit-Talkshows des vergangenen Jahres ansehen, um zu erkennen, dass, wenn erst einmal ein Thema identifiziert wurde, dieses mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bis zum letzten Tropfen ausgepresst wurde. Und das nicht nur Talk-Show übergreifend, sondern auch innerhalb einer einzelnen Show.

Wer ein Thema zuerst in seiner Sendung behandelt, hängt, so der Eindruck, nicht unbedingt von der Rechercheleistung oder dem Innovationsgeist der Redaktionsteams ab, sondern vom Wochentag der Sendung. Trauriger Höhepunkt war die Griechenland-Krise, die in Endlosschleife besprochen wurde, ohne, dass man ab einem gewissen Zeitpunkt inhaltlich auch nur einen Schritt weiter gekommen wäre.

Schäuble als perfekter letzter Gast

Doch all das sind generelle Probleme und nicht die von Jauch alleine. Aber: Er hat sie auch nicht gelöst.

Wie bei anderen Talkern auch, sassen bei Jauch nur allzu oft die gleichen Gesichter, wurden Themen tot geritten, durften Gäste die Sendung für ihre parteipolitischen Interessen missbrauchen, sass Jauch nur daneben, statt einzugreifen und konsequent nachzufragen.

Als knallharter Journalist, bei dem den Gästen die Knie weich werden, wird Jauch nicht in Erinnerung bleiben. Als einer, der mit Menschen kann, schon eher.

Umso schlüssiger also, dass sich Jauch für seine letzte Sendung nicht etwa die gestrige Abstimmung zur Hamburger Olympia-Bewerbung als Thema ausgesucht hatte, was inhaltlich und terminlich nahe gelegen wäre.

Stattdessen suchte sich Jauch Wolfgang Schäuble als letzten Gast seines ARD-Gastspiels aus und streifte mit ihm durch ein Sammelsurium an Gesprächsstoffen: Hier ein bisschen Flüchtlingskrise, dort ein bisschen Merkel, Schäubles Erziehung und Einstellungen, sein Verhältnis zu Kohl, die Politik im Allgemeinen und die Verhandlungen mit der Türkei im Besonderen.

The Talk-Show Must Go On

Auch wenn Jauch hier und da versucht, etwas energischer nachzuhaken, bleibt es weitgehend ein Gespräch auf ungefährlichem Terrain. Das liegt natürlich auch an Wolfgang Schäuble, der als abgezockter Profi Jauch keine Gelegenheit gibt, seine Show mit einem Aufreger zu beenden.

Stattdessen ist es eine weitgehend persönliche Unterhaltung über die Mechanismen der Politik und wie ein Wolfgang Schäuble mit diesen Mechanismen umgeht: mit der Gelassenheit des erfahrenen Realpolitikers, mitunter aber auch polternd und fordernd.

Zum Abschied schenkt Jauch dem Zuschauer eine Sendung, in der er das tut, was er am besten kann: ein bisschen unterhalten, ein bisschen informieren, ein bisschen menscheln. Und als er sich von den Zuschauern verabschiedet, hat man nicht den Eindruck, dass ihm dieser ganze Polit-Talk-Zirkus fehlen wird: "Danke und auf Wiedersehen."

Mit diesen nüchternen Worten bricht Jauch ganz unprätentiös seinen Abschied auf das herunter, was er am Ende lediglich ist: eine ausgeschlagene Vertragsverlängerung. Für den Zuschauer ändert sich nichts, die Polit-Talk-Welt dreht sich weiter. Jetzt eben wieder mit Anne Will. Stoiber und Co. warten schon.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.