Weil noch nicht genug über die AfD gesprochen wurde in den letzten Wochen, nehmen die Rechten auch beim Einheits-Talk von "Maischberger" viel Raum ein. Und das nicht nur im übertragenen Sinne.

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Der Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl war eine Zäsur, die sich nicht nur in Stimmen und Mandaten für die Rechten manifestiert.

Wer die Polit-Talks seit dem 24. September verfolgt, der bekommt den Eindruck, dass die AfD viel mehr geschafft hat als den Einzug ins Parlament - keine einzige Talkshow vergeht, ohne dass die Runde sich ausführlich der Rechtspartei widmet. Einer Partei, die auf den ersten Blick nur 12,6 Prozent der Stimmen geholt hat.

"Sie regieren ja gar nicht mit", sagte am späten Mittwochabend in der ARD Sandra Maischberger zu ihrem Gast Frank Hansen, AfD-Kreisvorsitzender in Flensburg-Schleswig. Hansen genoss seinen Konter sichtlich: "Aber wie ich sehe, bestimmen wir die Diskussionen mit."

AfD hat sich schon jetzt breitgemacht

Die AfD hat sich schon jetzt breitgemacht in der politischen Kultur der Bundesrepublik, perfekt verkörpert von Marine-Soldat Hansen, der mit seiner Frau Kerstin, SPD-Mitglied, gekommen war und sich breitbeinig und selbstbewusst auf die "Maischberger"-Couch fläzte.

"Manspreading" nennt es sich übrigens, wenn Männer in Bus und Bahn mit derart auseinandergespreizten Schenkeln zu viel Platz beanspruchen.

In einigen Städten wie New York ist das mittlerweile verpönt, das könnte ruhig auch für Talkshows gelten. Aber Hansen konnte es sich auch bequem machen, inhaltlich stellen musste er sich kaum.

Bettina Gaus, eine der profiliertesten Politikjournalistinnen des Landes, merkte mitten in der Diskussion an, dass ihr alles "zu harmonisch" ablaufe – das sagt viel über eine Sendung mit dem Titel "Tage der Uneinheit", in der die "kleinen und grossen Risse" nachgezeichnet werden sollten, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede zur deutschen Einheit ausgemacht hatte.

Osten soll "Ärmel hochkrempeln"

Der grösste Graben scheint immer noch dort zu verlaufen, wo früher die Mauer stand: Im Osten der Republik holte die AfD über 20 Prozent der Stimmen, auch die Linke ist mit 17,3 Prozent signifikant stärker als im Gesamtdurchschnitt.

Dabei, zeigt die Redaktion in einem Einspieler, hat sich die Arbeitslosigkeit halbiert im Vergleich zu 2005. Gleichzeitig aber tragen Ostdeutsche das höhere Armutsrisiko, verdienen weniger Lohn für gleiche Arbeit und streichen geringere Renten ein.

Eine offenkundige Schieflage, die den ehemaligen "Capital"-Chefredakteur Ralf-Dieter Brunowksy nicht beeindruckt. Sein Credo: Die Leute im Osten müssten einfach mal "die Ärmel hochkrempeln" und sich engagieren.

Dumm nur, dass er seine Allerweltsmeinungen immer wieder mit verblüffender Unkenntnis garnierte – so meinte er allen Ernstes, es habe in Köln mal ein Rockkonzert gegen Rechts gegeben, das sei doch ein Vorbild für Ostdeutschland.

Vielleicht sollte er mit dem Ehepaar Lohmeyer aus Jamel in Mecklenburg-Vorpommern telefonieren, das seit Jahren gegen Neonazis in ihrem Dorf kämpft und das berühmte "Jamel rockt den Förster"-Festival organisiert, auf dem schon Die Toten Hosen und Die Ärzte gespielt haben. Und das ist nur ein Beispiel unter zahlreichen anderen.

Wie umgehen mit der Wut?

Gegen die oberflächlichen Beobachtungen von Brunowksy stieg immer wieder Martin Patzelt in den Ring, CDU-Abgeordneter aus Frankfurt/Oder, und in dieser Runde eine Art ständiger Vertreter der ehemaligen DDR.

Er gestand ein, dass es unter Ostdeutschen einige gibt, die sich als Wendeverlierer fühlen, aber kaum einer wolle deswegen leben wie in der Ex-DDR. Patzelt hat seinen Wahlkreis gegen Alexander Gauland von der AfD gewonnen, dabei aber eine beunruhigende Beobachtung gemacht: ein weit verbreitetes Gefühl von Wut.

Auch dort, wo der Wohlstand "von den Höfen strahlte", wie Patzelt erzählte. "Da steht der SUV vor der Garage, aber sie schlagen mir die Tür vor der Nase zu." Woher das rührt, wolle er nun in vielen Gesprächen ergründen.

Dabei könnte er es nachlesen: Im Interview der "Süddeutschen Zeitung" mit Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer etwa, der seit Jahren aus der Übermacht eines "autoritären Kapitalismus" eine Ohnmacht entstehen sieht, die eine Partei wie die AfD kanalisieren kann. Oder in der Prekarisierungsstudie von Martina Zandonella, die feststellte, dass prekäre Arbeit die Legitimität der Demokratie bedroht.

Von solchen Ansätzen war kaum eine Rede, nur die enttäuschte SPDlerin Kerstin Hansen brachte immer wieder das Grundeinkommen als mögliches Modell gegen die "Existenzangst" ins Spiel. Stattdessen ging es mal wieder hauptsächlich um das Leib- und Magenthema der AfD, die Flüchtlinge.

Emotionen schlagen Fakten

Boris Palmer, der Tübinger Oberbürgermeister, durfte seine Arbeit als beste Medizin gegen die AfD verkaufen. Dabei wurde er hauptsächlich nicht für Lösungen bekannt, sondern weil er ein Gefühl in einfache Worte kleidete: Wir schaffen das nicht.

Nun gilt gerade im Wahlkampf die Grundregel: Emotionen schlagen Fakten. Leider lässt sich über Emotionen schwer diskutieren, weil sie immer wahr sind, das bewies die "Maischberger"-Runde mal wieder. Wenn sich AfD-Mann Frank Hansen von den Medien bevormundet fühlt, lässt sich dagegen schwer argumentieren.

Überhaupt, Gefühle: Hansen und seine Frau sollten für die ganz besondere Note in der Sendung sorgen. Als das "wohl ungewöhnlichste Politikerpaar der Republik" wurden sie vorgestellt, er AfD-Kreisvorsitzender, sie SPD-Ortschefin. Kerstin verriet Sandra Maischberger auch das Rezept, wie eine Ehe diesen Gegensatz aushalten kann: "Wir lassen unterschiedliche Positionen zu, und manche Dinge bleiben einfach stehen."

Ob das auch ein Rezept für das so uneinige Land sein kann? Für diese Diskussion blieb nach so viel Verständnis, Harmonie und Gefühl kaum noch Zeit. Wohl aber für eine Schlussfrage von Maischberger an Martin Patzelt, in der sie es trotz all seiner Bitten um Differenzierung während der Sendung schaffte, die Ostdeutschen als seine "Landsleute" zu bezeichnen. Auf dass die vielzitierte Mauer im Kopf Deutschlands weiter erhalten bleibt.

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