Annalena Baerbock muss sich bei "Maischberger" unangenehmen Fragen stellen. "Höhle der Löwen"-Star Frank Thelen bietet ihr einen vergifteten Deal zur Bereinigung der Nebeneinkünfte-Affäre an. Karl Lauterbach kritisiert ungewohnt deutlich die Ständige Impfkommission.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Schulzzug 2.0? Oder nur die ganz normalen Rückschläge auf dem beschwerlichen Aufstieg in die "Todeszone der Politik", wie Joschka Fischer das Kanzleramt einmal nannte? Annalena Baerbock kämpft nach der Anfangseuphorie rund um die Kandidatinnenkür mit immer stärkerem Gegenwind – bei Sandra Maischberger muss sie sich am Mittwochabend einigen unangenehmen Fragen stellen.

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"Maischberger. die Woche": Das sind die Gäste

"Ich hab mich natürlich selbst tierisch geärgert", sagt Annalena Baerbock über ihre Nebeneinkünfte-Affäre. Die Kanzlerkandidatin der Grünen beharrt aber darauf: Es gehe – anders als bei den Maskendeals der Union – nicht um Gelder von Dritten.

Eine Kanzlerin Baerbock wäre für den "Höhle der Löwen"-Investor Frank Thelen "eine Katastrophe", vor allem wegen des "inkompetenten Programms" in Sachen Energie. Die Gefahr eines grünen Wahlsieges sieht Thelen allerdings schon gebannt: "Ab jetzt geht es steil bergab."

Ganz so sicher ist sich Cerstin Gammelin von der "Süddeutschen Zeitung" nicht: "Ich sehe bei den Grünen eine Delle, aber es kann auch wieder nach oben gehen."

Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter ist gerade vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Beschwerde gegen die Corona-Massnahmen im Kulturbereich gescheitert. Dabei sei das Ansteckungsrisiko in Konzertsälen viel geringer als etwa in Grossraumbüros: "Umso bitterer, dass die Kunst seit 14 Monaten totgeschwiegen wird von der Politik."

Der ewige Mahner Karl Lauterbach bittet um Geduld: "Ich warne davor, den Eindruck zu erwecken, wir hätten vorher schon öffnen können."

Das "Geständnis“ des belarussischen Journalisten Roman Protassewitsch erinnert Ex-Russland-Korrespondent Udo Lielischkies an "Schauprozesse unter Stalin". Brüssels Antwort an Lukaschenko hält er für richtig: "Für ihre Verhältnisse hat die EU atemberaubend schnell und teils überzeugend reagiert."

Das ist der Moment des Abends

Hat eine Parteivorsitzende wirklich 1.500 Euro Corona-Bonus nötig? Annalena Baerbock hat die Frage mit "Ja" beantwortet und sich – wie allen anderen Mitarbeitern der Partei auch – das Geld genehmigt. "Nicht okay", wettert Start-Up-Investor Frank Thelen: "Da ging es um Leute wie Krankenschwestern, Intensivpflege, im Lebensmitteleinzelhandel, die haben hart gearbeitet."

Spricht's, und legt mit einem vergifteten Vorschlag nach: Um die Sache "zu bereinigen", fordert Thelen Baerbock auf, die 1.500 Euro an "Ein Herz für Kinder" zu spenden, er würde die Summe verdoppeln.

Baerbock kann sich jetzt entscheiden: Thelens Spielchen mitmachen und schwach wirken – oder konsequent bei ihrer Linie bleiben und mit den erwartbaren Negativ-Schlagzeilen leben. Die Kanzlerkandidatin wählt Variante Zwei: Sie spende ohnehin regelmässig am Ende des Jahres und wolle sich nicht mit einem Deal reinwaschen - "ich stehe zu meinem Fehler und spende weiter wie immer".

Ein gefundenes Fressen für die "Bild", die den Online-Artikel noch in der Nacht um 01:21 Uhr scharf schaltet: "Baerbock gönnte sich Corona-Bonus selbst ... und will ihn nicht an 'Ein Herz für Kinder' spenden."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Formulieren wir es vorsichtig: Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass Frank Thelen unter einer Kanzlerin Baerbock parteiloser Digitalisierungsminister wird. Der Investor ortet im Wahlprogramm komplette Ahnungslosigkeit über Energiespeicher, Baerbock fühlt sich absichtlich missverstanden: "Ich habe in den letzten vier Wochen Heftigstes erlebt. Wir haben eigene Fehler gemacht, aber was ich krass finde, ist eine Art von Shitstorm, wo über Fake News Dinge behauptet werden (…). Das kenne ich seit drei Jahren – von der AfD."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Die Gastgeberin gibt den Kontrahenten Raum, den Streit im Detail auszutragen, und siehe da: So weit entfernt liegen Baerbock und Thelen gar nicht, was die Energiespeicher angeht. Manchmal hilft Dialog eben doch.

Ansonsten beisst sich Maischberger die Zähne aus beim x-ten Versuch, die Details der grünen Kandidatenkür zu ergründen. Kostprobe gefällig?
"Was war die Argumentation, die gegen ihn und für Sie sprach?" - "Unterschiedliche Faktoren." Ah ja. Immerhin wissen wir jetzt fast, wann Baerbock ihren ersten Joint geraucht hat: "Irgendwann als Jugendliche."

Das ist das Ergebnis

Nach Friedenspfeife riecht es nicht gerade im Verhältnis zwischen EU und Russland, Baerbock plädiert für einen harten Kurs gegenüber Wladimir Putin – und einen Stopp von Nord Stream 2: "Man braucht immer Dialog, aber auch Härte. Die Pipeline konterkariert alle Sanktionen."

Allein: Was würde das Aus für Nord Stream 2 bringen? Udo Lielischkies ist skeptisch, auch wenn Putin an der Pipeline hänge, weil er die Ukraine isolieren will – und seine "Buddies" am Projekt verdienen. Russlands Präsident, so der ehemalige ARD-Korrespondent, brauche aber vor allem den Westen und die USA als Feindbild: "Mit welcher Begründung soll er sonst die schlechte Lage im Land erklären?"

Karl Lauterbach erklärt derweil mal wieder, warum er die eher vorsichtige Öffnungspolitik der Bundesregierung für richtig erachtet – auch wenn Sandra Maischberger dem SPD-Mann immer wieder das Beispiel Österreich vorhält. "Hätten wir nicht auch früher mehr erlauben können?", fragt Maischberger, die allerdings mit falschen Zahlen hantiert – das Nachbarland hat nicht "bei einer Inzidenz von 200 geöffnet", sondern am 19. Mai bei einer Inzidenz von 54,15 die Regeln für Gastronomie und Kultur gelockert. Bis Anfang Mai hatte im Osten des Landes inklusive Wien sogar noch ein harter Lockdown gegolten.

In Deutschland stehe nun die Impfung im Vordergrund, meint Lauterbach. 80 Prozent der Bevölkerung ab zwölf Jahren müssten für eine Herdenimmunität erreicht werden. Wenig hilfreich sei dabei die aktuelle Haltung der Stiko, die keine Impfempfehlung für Kinder abgeben will. "Mir fehlt die Fantasie, auf welcher Grundlage die Stiko sagt, die Daten reichen nicht", kritisiert Lauterbach – die Daten seien ausreichend, die Ergebnisse hervorragend. Die Entscheidung irritiere die Eltern und die Ärzte, die nun lieber nicht impfen.

Weniger entschlossen fällt die Selbstkritik in Sachen Nebeneinkünfte aus: Einfach vergessen, so lautet Lauterbachs lapidare Erklärung für die verspätete Meldung. Die Gastgeberin urteilt salomonisch: "Wir müssen uns alle sammeln nach Corona."

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