Etwas unvermittelt lädt Sandra Maischberger am Mittwochabend die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer zum Einzelgespräch in ihre Talkshow. "Wer steckt hinter dem Kürzel AKK?", will die Gastgeberin dabei herausfinden. Der allgemeine Befund Maischbergers bleibt vage, nur in einem Punkt liefert Kramp-Karrenbauer selbst die Antwort.
Die Wellen sind inzwischen geglättet, aber noch vor ein paar Wochen hätte der Name
Umso interessanter, dass
Darüber hat Sandra Maischberger mit Kramp-Karrenbauer gesprochen:
Privates
Mit einer Schnellrunde will Maischberger das Eis brechen. Kramp-Karrenbauer soll Sätze vervollständigen - zum Brexit, zur Begrenzung der Kanzlerschaft, zu einer fiktiven Moschee in ihrer Strasse, zu Merkels grösstem politischen Fehler, zur Meisterschaft des FC Bayern und so weiter. Erst einmal alles recht unspektakulär.
Im Anschluss dringt Maischberger tiefer in Kramp-Karrenbauers Privatleben ein. Man erfährt etwas über ihre Musikvorlieben, über ihren ersten Vollrausch, über ihr Elternhaus, ihre fünf Geschwister, aber auch über einen der schlimmsten Momente in ihrem Leben.
AKK verrät, dass sie der Tod ihres Vaters, als sie Anfang 20 war, sehr geprägt hat: "Es war für mich ein echter Schock. Das hat mich ein Stück weit fast aus der Bahn geworfen."
Politik
Über die Frage, warum Kramp-Karrenbauer bei ihren beiden Papst-Besuchen nur bei Benedikt, nicht aber bei Franziskus einen Schleier auf dem Kopf getragen habe, spannt Maischberger dann die direkte Brücke zu Kramp-Karrenbauers politischen Ansichten.
Als die CDU-Chefin antwortet, dass das Protokoll bei Benedikt strenger gewesen sei und sie deshalb den Schleier aus Respekt getragen habe, fragt Maischberger nach: "Warum billigen Sie das nicht auch dem Kopftuch zu – ein Zeichen des Respekts oder einfach der Verbindung zum Göttlichen?"
Kramp-Karrenbauer verweist in dieser Frage darauf, dass ihr, wenn sie eine Muslima mit Kopftuch sehe, zuerst die Frage in den Kopf schiesse, ob die Frau das Kopftuch freiwillig trage. Das Kopftuch habe eine ambivalente Symbolik.
Dann geht es weiter über die gleichgeschlechtliche Ehe, über Feminismus, Berufspolitikertum, die Jamaika-Koalition im Saarland und deren Ende und auch über die Frage, ob Kramp-Karrenbauer die Bezeichnung "Müllers Mädchen" geärgert habe.
Kramp-Karrenbauers Antwort: "Ne, das hat mich nie geärgert. Ich bin ausgesprochen gut damit gefahren, dass man mich falsch eingeschätzt hat, dass man mich unterschätzt hat."
Wie schlug sich Sandra Maischberger?
Gut. Dass Maischberger gerade am Anfang von einer Banalität zur anderen sprang, war offenbar Kalkül. Als das erste Eis gebrochen war, leitete Maischberger geschickt vom Privaten zum Politischen über, konfrontierte Kramp-Karrenbauer immer wieder mit ihren Aussagen.
Doch trotz ihrer Hartnäckigkeit biss sich Maischberger bei mehr als einem Ausweichmanöver Kramp-Karrenbauers die Zähne an den Antworten aus – was aber am Ende dann auch eine Antwort war.
Was Maischberger hingegen anzukreiden ist, ist eine gewisse Kurzsichtigkeit in ihren Fragen. Natürlich sind Fragen zur gleichgeschlechtlichen Ehe oder einem Tempolimit interessant, was aber fehlte, war die Frage nach dem grossen Ganzen: Welche Visionen hat Kramp-Karrenbauer? In welche Richtung will sie das Land verändern? Wie soll Deutschland in 20, 30 oder 50 Jahren aussehen? Fragen, auf deren Antworten gerade die jüngere Generation ein Recht hat.
Dabei hatte Maischberger eigentlich schon alles für genau solche Fragen vorbereitet, als sie Kramp-Karrenbauer auf ihre Kanzlerinnen-Ambitionen ansprach, schliesslich müsse sie sich als CDU-Vorsitzende auch damit beschäftigen.
Wie schlug sich Kramp-Karrenbauer?
Kommt darauf an. Aus Sicht der CDU-Chefin dürfte das Gespräch mit Maischberger gut gelaufen sein, denn das Motto Kramp-Karrenbauers schien "Bloss keinen Schritt nachgeben" gewesen zu sein. Kramp-Karrenbauer wollte am Ende eines Satzes, wenn schon nicht Recht, dann zumindest nicht Unrecht haben.
Am heikelsten wurde es für die Saarländerin beim Thema gleichgeschlechtliche Ehe. Hier hielt ihr Maischberger ein Zitat vor, in dem Kramp-Karrenbauer über die Öffnung der Definition von Ehe sagt, dass dann andere Forderungen wie eine Heirat unter Verwandten oder von mehr als zwei Menschen nicht auszuschliessen seien.
Auf den Vorwurf, die gleichgeschlechtliche Ehe damit in einem Atemzug mit Straftatbeständen aufzuführen, was viele Menschen verletzt habe, wand sich Kramp-Karrenbauer immer wieder heraus, ohne direkt auf den Vorwurf zu antworten.
Das Fazit:
Nein, es war nicht der Abend der grossen Bekenntnisse. Aber das war bei Kramp-Karrenbauer auch nicht zu erwarten.
Stattdessen musste man bei der neuen CDU-Chefin wie so oft zwischen den Zeilen lesen, ihre Aussagen lediglich interpretieren. Hier sass keine Visionärin, niemand, der auch mal Klartext redet.
Die fehlenden Visionen offenbarten sich – auch hier bleibt nur die Interpretation – zum Beispiel bei Maischbergers Schnell-Antwort-Runde, als Kramp-Karrenbauer gefragt wurde: "Tesla oder Porsche?"
Maischberger hätte auch fragen können: Zukunftsvision oder Vergangenheit? Kramp-Karrenbauers Antwort: "Weder noch. Ein ganz normales Auto." Man hätte sich ein wenig mehr Enthusiasmus gewünscht.
Kramp-Karrenbauer, so wie sie sich an diesem Abend bei Maischberger präsentierte, ist eine Polit-Strategin. Eine, die aus der Unterschätzung heraus handelt, manchmal auch eiskalt, um ihre Ziele durchzusetzen.
"Wir sind sehr gespannt, ob nicht am Ende noch diese alten Seilschaften, die es ja auch noch gibt, Ihnen in die Quere kommen bei der Wahl des Kanzlerkandidaten. Kann das passieren?", fragt Maischberger am Ende der Sendung mit Blick auf Wolfgang Schäuble und Friedrich Merz.
Diese Gefahr kennt natürlich auch Kramp-Karrenbauer und verweist auf das Ergebnis der Wahl zur CDU-Vorsitzenden: "Ausschliessen kann man es nicht, aber ich glaube, dass die Bewerbung und die Wahl zur Parteivorsitzenden natürlich den einen oder anderen Hinweis gegeben hat, wie es in der CDU weitergeht."
Sollte es nach diesem Gespräch immer noch Menschen geben, die, ob innerhalb oder ausserhalb der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer unterschätzen, dann dürften das nur noch ganz wenige sein.
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