Aufreger-Thema bei Sandra Maischberger war das neue Bürgergeld der Bundesregierung. Fussball-Moderator Marcel Reif übte wie Journalistin Hatice Akyün scharfe Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz. Auch die Protest-Aktion der DFB-Elf beim Mannschaftsfoto vor dem Japan-Spiel kam nicht überall gut an.

Eine Kritik
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Sandra Maischberger sprach mit ihren Gästen in der Mittwochsausgabe ihrer Talkshow über die verstärkten Luftangriffe Russlands auf die Ukraine, über die Fussball-WM in Katar, das neue Bürgergeld in Deutschland und über die anhaltenden Proteste im Iran.

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Die Gäste bei "Maischberger"

  • Boris Bondarew: Der ehemalige russische UN-Diplomat hat wegen des Ukraine-Kriegs seines Landes den Dienst quittiert. "Für mich war das der reine Wahnsinn, das ist es immer noch." An eine baldige Beilegung des Konflikts glaubt Bondarew nicht. "Putin ist der Führer eine Wolfsrudels. Wenn er eine Schwäche zeigt, wird er getötet." Er könne es sich also nicht leisten, "als Looser betrachtet zu werden". Aus Sicht der Ukraine und des Westens könne es aber nur eine Lösung geben: "Dass Putin diesen Krieg nicht gewinnt."
  • Carlo Masala: Der Militärexperte rechnet mit einer russischen Offensive im Frühjahr, um Cherson zurückzuerobern. Er hält die Idee für illusorisch, dass Ukraine ihr gesamtes Gebiet zurückerobern könnte. Russland wolle die Ukraine mit den derzeitigen Angriffen auf die zivile Infrastruktur "an den Verhandlungstisch bomben", so Masala, und eine neue Welle von Kriegsflüchtlingen schaffen, damit die EU Druck auf die Ukraine macht, den Krieg zu beenden. Masala sieht den Konflikt in einer Sackgasse: Putin kann den Krieg militärisch nicht gewinnen, aber er kann auch keine Friedensverhandlungen führen, weil Selenskyj den russischen Bedingungen, Gebiete abzutreten, nicht zustimmen wird. "Dann kann er am nächsten Tag als Präsident zurücktreten."
  • Gilda Sahebi: Die Journalistin und Deutsch-Iranerin sprach mit Maischberger über die Proteste im Iran und das Statement der iranischen Fussballmannschaft bei der WM, wo sie das Singen der Hymne verweigert hatte. Weil sich das Team vor der WM mit Präsidenten Raisi getroffen hatte, sei die Geste nicht gut angekommen, sagte Sahebi. "Man hat eigentlich erwartet, dass sie mehr machen. Das, was die Menschen im Iran machen, das ist Mut." Der Grossteil der Menschen wolle dieses Regime nicht mehr haben, bilanzierte die Expertin.
  • Marcel Reif: In den Augen des Fussballkommentators hat die Diskussion über die "One Love"-Binde im Vorfeld des deutschen WM-Auftakts gegen Japan (1:2) "sicher nicht" geholfen. "Wirklich mafiös" nannte er das Verhalten die FIFA, kurz vor dem Spiel und mit Andeutungen auf eine Strafe, auf den DFB zuzukommen. Andererseits hätte der DFB nun mal die Fifa-Regeln unterschrieben, wonach der Verband die Kapitänsbinden zur Verfügung stellt.
  • Hatice Akyün: Die "Tagesspiegel"-Kolumnistin vermisste trotz des Mundzuhaltens der DFB-Elf beim Mannschaftsfoto vor dem Japan-Siel eine klare Haltung. Sie hätten die von der Fifa angedeuteten Konsequenzen für die "One Love"-Kapitänsbinde tragen müssen: "Sonst ist es keine Haltung." Sie hat das an die drei Affen (nichts sagen, nichts sehen, nichts hören) erinnert. Zur WM allgemein zog die Journalistin ein enttäuschendes Fazit: Vielen Leuten sei die Lust am Fussball vergangen.
  • Florian Harms: Auch für den Chefredakteur von t-online ist die WM "total verkorkst". Es gehe bei dem Turnier nicht mehr um Werte. "Das Geld ist die Droge, die diesen Sport kaputt machen kann." Für Katar sei die Ausrichtung der WM eine politische Angelegenhei, so Harms. Um Sichtbarkeit zu schaffen und als Schutz vor möglichen Aggressionen benachbarter Staaten.

Das war noch Thema bei "Maischberger"

Die drei Experten durften ihre Meinung auch zum bald kommenden Bürgergeld zum Besten geben. Für Florian Harms war die Debatte im Bundestag eine "Scheindebatte". Man müsse nicht stärker diskutieren, wie man Erwerbslose noch stärker sanktionieren, sondern wie man Leute in Jobs kriegen solle. Er kritisierte vor allem den Fokus von CDU-Chef Friedrich Merz auf Menschen, die sanktioniert werden müssen, weil sie nicht mit den Jobcentern kooperieren. Dabei sind das nur 70.000 Leute oder drei Prozent der Hartz-IV-Bezieher.

Hatice Akyün nannte die Aussagen von Merz gar eine "Unverschämtheit" und den Kompromiss der Ampel mit der Union "ein Desaster". Die Menschen in diesem Land hätten ein gutes Bürgergeld verdient gehabt. Marcel Reif wies auf einen alten Fehler des Systems in Deutschland hin: "Es kann nicht sein, dass ich, wenn ich nicht arbeite, mehr verdiene, als wenn ich arbeite." Das Herumreiten von Merz auf den drei Prozent nannte er "zynisch und menschenverachtend".

Das war der Moment des Abends

Es waren bedrückenden Schilderungen, die Gilda Sahebi bei Sandra Maischberger teilte. Sie bekommt aus dem Iran aus erster Hand Nachrichten über die aktuelle Situation im Land und Videos mit dramatischen Szenen. "Jede Person, die ein Video macht, riskiert ihr Leben", betonte die Journalistin. Da erschien die ganze Diskussion um die Binde der DFB-Elf plötzlich ganz klein, weil es im Iran um Menschenleben und die Zukunft eines ganzen Landes geht.

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

In einer Sendung ohne grosse Aufreger und Streitduelle konnte man der Moderatorin oder ihrer Redaktion höchstens ankreiden, dass ihre drei Experten alle auf etwa gleicher Linie unterwegs waren. Inhaltlich bot Maischberger kaum Angriffsfläche. Höchstens eine versäumte Frage an ihre Iran-Expertin fiel negativ auf. Eine Prognose, wann und ob das Regime tatsächlich gestürzt werden könnte, wäre ein klares Muss gewesen.

Das ist das Fazit

Der grosse thematische Rundumschlag bei Maischberger kränkelt manchmal an inhaltlicher Tiefe und den ganz grossen Erkenntnisgewinnen. Der Krieg in der Ukraine, so haben wir erfahren, dürfte sich noch eine ganze Weile ziehen. Zumindest, wenn die westlichen Verbündeten die Ukraine weiter mit Waffen versorgen. Aber da werde inzwischen in den USA diskutiert, wie lange das in diesen Umfang noch weiter gehen kann, berichtete Carlo Masala.
Was den deutschen Umgang mit dem Iran betrifft, würde sich Expertin Sahebi "klare Sanktionen von Deutschland" wünschen. Etwa gegen die Revolutionsgarden. Ob das Regime durch solche und ähnliche Massnahmen in die Knie gezwungen werden kann, ist aufgrund der Fülle der in den vergangenen Jahren schon ausgesprochenen Sanktionen aber fraglich.

Blieb das Aufreger-Thema Fussball-WM. Hier scherte Marcel Reif klar aus der WM-Unlust seiner Mitdiskutanten aus. "Ich werde kein schlechter Mensch, wenn ich mir die Spiele anschaue", fasste der 72-Jährige pragmatisch zusammen. Er äusserte die leise Hoffnung, dass sich in Katar schrittweise ein bisschen was zum Positiven ändert. Die Beispiele von Olympia 2008 in China oder der Fussball-WM 2018 in Russland zeigen: Die Hoffnungen auf Wandel durch den Sport sollten in autokratisch reagierten Ländern nicht allzu gross sein.

Lob und Kritik: So sind die Reaktionen auf den DFB-Protest

Das DFB-Team protestiert still, die Reaktionen im Netz sind laut: Die Protestgeste der deutschen Fussballnationalmannschaft vor dem WM-Auftaktspiel gegen Japan sorgte in den sozialen Netzwerken für Lob, aber auch für jede Menge Kritik. Die Spieler hatten sich beim Mannschaftsfoto eine Hand vor den Mund gehalten.


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