Die Fragestellung verfehlt, die Diskussion verfranst - und trotzdem liefert "Maischberger" interessante Sichtweisen auf den langweiligen Wahlkampf, Parteienverdrossenheit und die Schuld der Grossen Koalition daran. Am Ende steht ein ungewöhnlicher Vorschlag.

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Es fehlte nur noch, dass Johannes B. Kerner sich im Gedenken an den Altkanzler Schmidt eine Menthol-Zigarette anzündet, so gemütlich sass die Mittwochsrunde bei "Maischberger" zusammen und plauderte über die guten alten Zeiten, als Politik noch "Kampfsport" war, wie es in einem Einspieler hiess.

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Da gifteten sich die Alphatiere Helmut Kohl und Helmut Schmidt an, der eine schwitzend, der andere qualmend, beide stets bereit zur Attacke.

Vor einer strahlenden Vergangenheit verblasst die Gegenwart

1980 "Stoppt Strauss", 1983 die Wahl nach dem Misstrauensvotum gegen Schmidt, 1990 die erste Wahl im wiedervereinigten Deutschland: Jeder der Gäste durfte eine Anekdote zu seiner ersten Wahl zum Besten geben.

Ein kluger Schachzug gleich zu Beginn der Sendung - hinter einer strahlenden Vergangenheit verblasst die Gegenwart umso mehr, ein Effekt, der die zentrale These der Gastgeberin stützte: Es ist alles nur noch Wischi-Waschi in der Politik, und die Wähler verlieren mittendrin die Orientierung.

Offiziell lautet das Thema "Der verwirrte Wähler - welche Partei steht noch wofür?", womit der Experte in der Runde, Wahlforscher Michael Kunert vom Umfrageinstitut "Infratest dimap", wenig anfangen konnte.

"Die Leute wissen sehr wohl, was in der Flüchtlingsfrage die Positionen von AfD und Grünen sind, oder wie sich FDP und Linkspartei in Sachen Steuern unterscheiden. Nur bei Union und SPD haben sie Probleme," wirft er ein.

Kerner vermisste beim TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Martin Schulz eher den "Wettstreit um die beste Idee", eine Vision, wie Deutschland in zehn Jahren aussehen soll.

Es war ein vertrauter Vorwurf, den die Runde diskutierte: Die Jahre der Grossen Koalition haben die Unterschiede zwischen den grossen Parteien völlig eingeebnet, den politischen Wettbewerb abgewürgt und die Wähler eingelullt.

Es musste also nur noch die Frage geklärt werden: Wer hat eigentlich Schuld?

"Eine tiefe Abkehr von unserer Demokratie"

Angela Merkel, wenn es nach Jan Fleischhauer geht. Der "Spiegel"-Journalist mit einer Allergie gegen alles links von Horst Seehofer warf der Kanzlerin vor, die CDU vergrünt und sozialdemokratisiert zu haben.

Keine besonders neue These, die der Konservative aber immer wieder mit Witz und Verve der Anklagebank gegenüber auftischte, auf der SPD-Vize Ralf Stegner und CDU-Oldie Ole von Beust Platz genommen hatten.

"Früher gab es eine Partei links und eine Partei rechts", sagte Fleischhauer, "dann hat eine davon rübergemacht, jetzt haben wir vier sozialdemokratische Parteien im Bundestag."

Ein Dilemma für einige Bürgerliche und Konservative: "Was machen Sie, wenn Sie sonst Union wählen, aber mit der Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sind?"

Ganz lautstarke Vertreter fahren zu den Auftritten Merkels und buhen die Kanzlerin aus, ein Einspieler zeigte die Szenen, die in den letzten Tagen überall zu sehen waren.

Trillerpfeifen, "Merkel muss weg!"-Rufe, zorngerötete Gesichter. Die "Panorama"-Moderatorin Anja Reschke hat sich so eine Demonstration angeschaut und mit Protestanten gesprochen.

"Was sich da zeigt, ist eine tiefe Abkehr von unserer Demokratie. Es gibt ja eine Politisierung, aber in den etablierten Parteien wollen die sich nicht einbringen."

Ist die AfD wie die Grünen?

Davon profitiert die AfD, die nach aktuellen Umfragen mit rund zehn Prozent rechnen kann - oder vielleicht auch mehr, wie Wahlforscher Michael Kunert zugibt: "Das ist schwierig vorherzusagen, die Wähler haben keine Bindung an Protestparteien."

Was der AfD die Stimmen zutreibt, erklärte Kunert, sei tatsächlich nicht nur die Flüchtlingsfrage, sondern eine Skepsis gegenüber den Eliten.

"Spiegel"-Kolumnist Fleischhauer fühlt sich gar an den Aufstieg der Grünen erinnert: "Da ist eine Angst: Wenn wir nicht auf die Strasse gehen, geht dieses Land vor die Hunde."

So wie die Grünen ihren Platz im Parlament gefunden haben, wird auch die AfD ihren Platz finden. "Unter demokratischen Gesichtspunkten ist das nicht schlecht", sagte Fleischhauer.

Eine Zusammenarbeit mit der CDU ist aus Sicht von Ole von Beust ausgeschlossen - er selbst hatte als Erster Bürgermeister von Hamburg mit den Rechtspopulisten von der Schill-Partei koaliert.

"Aber die hatten keine Nazis in ihren Reihen", rechtfertigte er sich. "Das ist der Unterschied zur AfD."

Auslosen statt Wählen

Vor Überlegungen zu möglichen oder unmöglichen Koalitionen steht aber erstmal die Wahl am 24. September - und zweieinhalb Wochen davor haben sich erst ein wenig mehr als die Hälfte der Wähler entschieden.

Auch daran kann eigentlich nur Angela Merkel schuld sein, das legte jedenfalls ein Einspieler nahe: Für jede Partei spürte die Redaktion einen Widerspruch zwischen Wahlprogramm und Aussagen von Spitzenvertretern auf.

Eine journalistische Fingerübung, die in der Aussage gipfelte, Merkel habe dafür den Weg geebnet - siehe Wehrpflicht, siehe Atomausstieg, siehe Ehe für Alle.

An diesem Punkt zerfällt die Diskussion in Einzeldebatten: Kerner möchte endlich über Inhalte reden, Fleischhauer lästert über "das Unglück des Martin Schulz, dass die Menschen Angela Merkel für die bessere sozialdemokratische Kanzlerin halten", Ralf Stegner arbeitet im Selbstgespräch die Unterschiede zwischen Union und SPD heraus und Ole von Beust erklärt Inhalte gleich für überwunden.

"Es geht im Wahlkampf doch nur darum, ob die Leute wollen dass es so weitergeht wie jetzt, oder eben nicht," erklärt er. Allerdings knüpft die Gastgeberin die losen Punkte zu einem Gedanken zusammen, den sie nun immer wieder einbringt.

Vielleicht sind die Parteien das Problem, und vielleicht braucht es sie auch gar nicht mehr - was Emmanuel Macron in Frankreich beweist, oder aktuell auch der österreichische Aussenminister Sebastian Kurz, der die konservative ÖVP in seine eigene Liste verwandelt hat.

Und so gibt es zum Schluss sogar noch eine grosse Idee, die Johannes B. Kerner beim TV-Duell vermisst hatte, formuliert von Anja Reschke: "Die Frage ist, ob die Entfremdung zwischen Berufspolitikern und Bürgern so weitergehen muss oder wir das System ändern."

Ihre Inspiration: Die ursprüngliche attische Demokratie, in der die Abgeordneten für den Rat der 500 nicht gewählt wurden - sondern ausgelost. Das wäre immerhin spannender als der Ausgang der Bundestagswahlen.

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