Deutschland und Europa müssen verteidigungsfähig werden. Bei "Markus Lanz" kritisierte Linken-Politiker Dietmar Bartsch jedoch das Vorhaben, mehr Geld für das Militär auszugeben. Eine Meinung, die CSU-Vize Manfred Weber absolut nicht teilen konnte.

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Das geplante Finanzpaket von Union und SPD spaltete auch bei "Markus Lanz" (ZDF) die Gemüter. Besonders Linken-Politiker Dietmar Bartsch echauffierte sich über die ständigen Debatten zum Thema Aufrüstung. CSU-Vize Manfred Weber hielt jedoch verbal dagegen.

Markus Lanz, Manfred Weber, Dietmar Bartsch, Ulrike Hermann, Sönke Neitzel
Markus Lanz (l.) diskutierte am Donnerstagabend mit (v.l.n.r.) Manfred Weber, Dietmar Bartsch, Ulrike Herrmann und Sönke Neitzel. © ZDF / Cornelia Lehmann

Das Thema der Runde

Union und SPD wollen ihr geplantes milliardenschweres Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur so schnell wie möglich durch den Bundestag bringen. CDU-Politiker Michael Kretschmer sprach sich deshalb jüngst für den Beschluss und die Änderung des Grundgesetzes aus, indem er klarstellte: "Die Situation der Sicherheitspolitik in Deutschland, Europa und der Welt verlangt von unserem Land, dass wir uns verteidigungsfähig aufstellen." Markus Lanz nahm dies zum Anlass, am Donnerstag über das Sondervermögen zu debattieren und die Rolle Europas im Ukrainekrieg zu analysieren.

Die Gäste

  • Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber blickt hoffnungsvoll auf die Verhandlungen in Saudi-Arabien: "Wenn es zum Waffenstillstand kommt, dann freuen sich alle darüber."
  • Linken-Politiker Dietmar Bartsch spricht sich deutlich gegen das Sondervermögen für Verteidigung aus: "Die Bundeswehr leidet nicht an Geldmangel, sondern an Steuergeld-Verbrennung."
  • Militärexperte Sönke Neitzel warnt vor einer möglichen Eskalation in Europa: "Wenn es eine Schlussfolgerung vom Februar 2022 gibt, dann ist es doch das Ende der Gewissheit."
  • Journalistin Ulrike Herrmann kritisiert die Pläne von US-Präsident Donald Trump und sagt: "Diese Wirtschaftspolitik wird nicht nur Amerika massiv schaden, sondern könnte am Ende sogar den Dollar als Leitwährung ruinieren."

Das Wortgefecht

In Bezug auf das geplante Sondervermögen von 800 Milliarden Euro für die Verteidigung der Europäischen Union zeigte sich Linken-Politiker Dietmar Bartsch äusserst skeptisch: "Wir reden zuerst über Summen und je grösser, desto besser. Und ich finde, das ist ein Riesenproblem!" Die Summe von über 800 Milliarden bezeichnete Bartsch in dem Zusammenhang als "grosses Störgefühl" und "Willkür". Ein Gefühl, das der EVP-Vorsitzende Manfred Weber nicht teilen konnte, denn: "Für uns geht es bei dieser Grundgesetz-Änderung jetzt um die Verteidigung. Das ist unser Prinzip!"

Weber stellte weiter klar, dass die 800 Milliarden auch "die deutschen Schulden für die Verteidigung" beinhalten würden. "Das ist die Gesamtsumme, die Europa jetzt investiert, um verteidigungsfähig zu werden", so der CSU-Vize. Als Bartsch kopfschüttelnd reagierte, fügte Weber mit genervtem Blick hinzu: "Das sind unsere Wahlversprechen gewesen und wir gehen mit denen jetzt auch in die Gespräche. Ist das eine Überraschung, dass man das, was man verspricht, auch versucht, anschliessend umzusetzen?"

Markus Lanz versteht Wahlversprechen nicht

ZDF-Moderator Markus Lanz konterte irritiert: "An dem Punkt sagen Sie, halten Sie sich an Versprechen. Wenn es um die Frage der Einhaltung der Schuldenbremse geht, dann nicht mehr. Verstehe ich jetzt nicht!" Manfred Weber versuchte, sich zu verteidigen und sagte: "Wir sind auch dafür, den Mindestlohn zu erhöhen, obwohl wir das nicht wollten im Wahlkampf. (...) Herr Lanz, das ist die Natur von Kompromissen, dass man dann versucht, einen gemeinsamen Weg zu finden." Ein Argument, das Lanz nicht akzeptieren wollte: "Das als normales politisches Geschäft mit 'Wir machen mal ein bisschen Kompromisse' abzutun, finde ich schwierig!"

Der CSU-Vize blieb jedoch dabei und erklärte streng: "Wir sind in einer historischen Wendesituation, wo jetzt auch investiert werden muss." Dietmar Bartsch hielt prompt dagegen: "Ich bin für ein Invest-Programm (...) - da bin ich auch sogar für die Aufhebung der Schuldenbremse! (...) Aber zuerst militärisch zu denken, jetzt sogar zu sagen: 'Das machen wir losgelöst'. Das finde ich einen Riesenfehler." Dem konnte Journalistin Ulrike Herrmann nicht zustimmen. Sie mahnte: "Wir müssen das Problem der Ukraine lösen und das kriegen wir nur hin, indem wir aufrüsten." - "Dem will ich deutlich widersprechen!", erwiderte Bartsch wütend. Der Linken-Politiker warnte weiter: "Wenn wir in dieser Logik bleiben, werden wir die Ukraine am Ende verlieren, weil Trump sie auf dem Präsentiertisch opfern wird."

Die Offenbarung des Abends

Die Zukunft der Ukraine war bei "Markus Lanz" stark im Fokus der Debatte. "Wie schauen Sie auf die Gespräche, die da zwischen den USA und der Ukraine - mal wieder ohne EU - stattgefunden haben?", wollte der ZDF-Moderator mit Blick auf die Gespräche in Saudi-Arabien wissen, in denen über 30 Tage Waffenruhe verhandelt wurde. Manfred Weber reagierte zunächst nüchtern: "Alles, was dazu führt, dass Waffen schweigen, ist gut." Er fügte mit ernster Miene hinzu: "Wenn es zum Waffenstillstand kommt, dann freuen sich alle darüber (...). Das ist unser gemeinsames Ziel und die ersten, die sich das wünschen, sind die Ukrainer. Jetzt warten wir auf die Antwort aus Moskau."

Manfred Weber: "Wir spielen als Europäer derzeit keine Rolle."

Lanz merkte daraufhin erneut an, dass die Aufnahmen aus Saudi-Arabien "von hohem Symbolwert" seien. "Keiner von der EU, wie kann das sein?", so der Moderator. Der CSU-Vize antwortete ehrlich: "Weil wir derzeit nicht die Tools, die Macht, die Verfahren dafür haben, um unser Gewicht in die Waagschale zu werfen. Wir spielen als Europäer derzeit keine Rolle." Manfred Weber stellte daher die klare Forderung: "Wir bräuchten die Kraft, gross zu denken, historisch zu denken. Dieser Kontinent wird nur dann in der Welt von morgen eine Rolle spielen, wenn wir gemeinsam mit einer Stimme sprechen."

Dem musste selbst Linken-Politiker Dietmar Bartsch zustimmen. Er merkte weiter an: "Europa hat keine Bedeutung." Eine Aussage, die Markus Lanz schockierte: "Das ist doch Quatsch!" Bartsch konterte prompt: "Europa muss wirtschaftlich und politisch stark werden und das ist ein langwieriger Prozess." Auch hier hielt Lanz vehement dagegen und merkte an: "Wir sind wirtschaftlich stark. Wir sind der grösste Binnenmarkt der Welt. Ich muss jetzt hier nicht Europa verteidigen, aber ich hänge an diesem Kontinent. Das können wir doch jetzt nicht so klein machen." Selbst Journalistin Ulrike Herrmann musste jedoch zugeben, dass Europa vor grossen Herausforderungen steht, denn: "Wir sind militärisch zerstritten (...) und wir haben über 150 verschiedene Waffensysteme und von keinem Waffensystem genug, um die Ukraine zu unterstützen. Also militärisch sind wir abhängig von den USA."

Der Erkenntnisgewinn

In der Sendung wurde deutlich, dass auch die Friedensverhandlungen die Unsicherheit in Europa nicht mildern können. Im Gegenteil: "Sie sagen, es könnte sein, dass das der letzte Sommer ist, den wir in Frieden erleben. Wie ist das gemeint?", fragte Lanz den Militärexperten Sönke Neitzel. Der antwortete vorsichtig: "Wir wissen nicht, wie die Zukunft ist. Das weiss ich nicht, das weiss der BND nicht."

Neitzel warnte in dem Zusammenhang vor einem Friedensabkommen ohne europäische Truppen in der Ukraine: "Wenn wir jetzt einen Frieden haben, der nicht mit abgesichert ist, weil Russland das nicht akzeptiert, (...) dann hat Russland natürlich auf einmal wieder eine freie Hand." Dietmar Bartsch verfolgte dagegen bis zum Ende der Sendung einen anderen Lösungsansatz und stellte energisch klar: "Wenn wir nur noch über das Thema Aufrüstung und Abschreckung (...) reden, dann machen wir den Leuten Angst und das ist ein grosser Fehler."
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