Im vergangenen Jahr kam mit ChatGPT eine Revolution im KI-Bereich auf den Markt. Schüler und Studenten erledigen damit ihre Hausaufgaben. Was bedeutet das für unser Bildungssystem? Ein Lehrer befürchtet bei "Markus Lanz" ein "Imitations- und Täuschungsspiel." Sascha Lobo lobt KI für "kreative Leistung".

Eine Kritik
von Florian Neumaier
Diese Kritik stellt die Sicht von Florian Neumaier dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Seit Ende letzten Jahres ist ChatGPT frei verfügbar. Die Begeisterung unter Technikfans ist gross. Die KI bestand unter anderem die Aufnahmeprüfung an der renommierten Harvard Law School. Längst hat das Programm auch deutsche Klassenzimmer und Hörsäle erobert. Bei "Markus Lanz" diskutieren vier Gäste über Chancen und Risiken der KI. Alena Buyx, die Vorsitzende des deutschen Ethikrats sieht ChatGPT kritisch. "Das ist ein Bereich, bei dem wir echt gucken müssen: Wo könnte das gefährlich sein?" Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière rät dagegen zu mehr Gelassenheit.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

"Bitte schreibe mir eine Gedichtanalyse zu Goethes 'Zauberlehrling'." Mehr muss ein deutscher Schüler nicht eingeben, um in Sekunden einen annähernd perfekten Aufsatz zu erhalten. Die Rede ist von ChatGPT, dem aktuell mächtigsten, öffentlich zugänglichen Tool aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wie kann Schule funktionieren, wenn ein Programm die Hausaufgaben erledigt? Wie sollen Lehrer damit umgehen? Und was bedeutet die KI für die Arbeitswelt? Darüber diskutierte Markus Lanz am Donnerstagabend mit seinen Gästen.

Das sind die Gäste

  • Thomas de Maizière, Bundesminister a.D., spricht im Zusammenhang des deutschen Schulsystems von einem Verwaltungschaos: "An der Schule fummeln zu viele Leute rum."
  • Digitalexperte Sascha Lobo lobt das kreative Potenzial künstlicher Intelligenz: "Das ist nicht der falsche Begriff, Intelligenz, sondern der ganz richtige Begriff."
  • Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates sieht den Einsatz Künstlicher Intelligenz kritisch: "Die Frage ist: Sollten wir das eigentlich wollen?"
  • Gymnasiallehrer Bob Blume schildert Erfahrungen mit ChatGPT aus der Praxis: "Hausaufgaben sind tot, wenn wir versuchen, das wegzuignorieren."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Gleich zu Beginn überrascht Markus Lanz seine Gäste mit einer ungewöhnlichen Anmoderation. Geschrieben wurden die Texte nicht von Lanz, sondern von ChatGPT. Das hört sich dann ungefähr so an: "Sascha Lobo ist der erfolgreichste Autor zu Internet, digitaler Kultur und künstlicher Intelligenz." Lanz ist das zu viel: "So schleimig waren wir, glaube ich, noch nie." Lobo fühlt sich geschmeichelt. "Ich fand es korrekt", scherzt der Blogger.

Lobo und die KI scheinen ohnehin gut miteinander auszukommen. Er sieht vor allem die Chancen im Bildungsbereich. Bob Blume stimmt zu, schränkt aber auch ein: "Medienkompetenz müsste aus meiner Sicht jetzt exponentiell mehr in Schulen thematisiert werden." Statt mit Verboten zu arbeiten, will Blume Schüler verantwortungsbewusst mit der neuen Technologie vertraut machen: "Hausaufgaben sind tot, wenn wir versuchen das wegzuignorieren."

Das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern dürfe nicht durch Verbote und Anschuldigungen zerstört werden: "Dann wird es zu einem Imitations- und Täuschungsspiel." Das deutsch Schulsystem habe ohnehin schon ein Digitalisierungsproblem, weiss Blume. "In Schulen haben wir immer noch Overhead-Projektoren, und ich bin froh, dass man sich nicht mehr hin- und herfaxen muss", moniert der Gymnasiallehrer.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Was überhaupt ist Künstliche Intelligenz? Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Alena Buyx hält nichts von dem Begriff. "Das ist ein stochastischer Papagei", kanzelt die Ethikratsvorsitzende den Chatbot ab. "Das heisst, Intelligenz ist ein zu grosses Wort dafür?", bohrt Lanz nach. "Fähigkeiten sind das", räumt Buyx ein. Digitalexperte Lobo will das so nicht stehen lassen: "Das ist nicht der falsche Begriff, Intelligenz, sondern der ganz richtige Begriff. Zumindest wenn man Intelligenz als Problemlösungsfähigkeit betrachtet."

Auf die Definition von Intelligenz kommt es Buyx aber auch nicht an. Sie sieht ein grösseres Problem. "Wir sprechen jetzt nur darüber: Wie gut ist das eigentlich. Wie nah ist das an echter Intelligenz? Die Frage, die sich dann anschliesst, ist: Sollten wir das eigentlich wollen?" Bob Blume widerspricht: "Ich finde die Frage schwierig, weil wir es mit Entwicklungen zu tun haben, die stattfinden." Er will lieber pragmatisch in die Zukunft schauen: "Für mich ist die Frage: Wie wollen wir lernen im 21. Jahrhundert?"

Diese Frage beschäftigt auch Thomas de Maizière. Er sieht das Problem beim Verwaltungschaos im Bildungssektor: "So wie das Bildungssystem jetzt strukturiert ist, kann es nicht richtig gut werden. An der Schule fummeln zu viele Leute rum." Von der KI erhofft er sich, Verwaltungsaufgaben zu automatisieren, um Ressourcen besser in der Pädagogik nutzen zu können. "Schulleiter haben mir gesagt, wir können überhaupt nur dann noch gute Schule machen, wenn wir uns nach den Kriterien der Brauchbarkeit illegal verhalten", kritisiert de Maizière. Eine Gefahr für das Bildungssystem durch ChatGPT sieht er nicht: "Ich rate alles in allem zu Gelassenheit."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Dem Moderator gelingt es diesmal nicht, der Sendung einen roten Faden zu geben. Immer wieder springen die Gäste wild durch die verschiedenen Themen. Mehrere Versuche von Lanz, auf das eigentliche Thema, ChatGPT an Schulen, zurückzukommen, misslingen. Die Show zerfasert zu einer oberflächlichen Plauderei über Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz und bleibt dabei enttäuschend vage und allgemein. Lanz' grosse Stärke, seinen Gästen neue, interessante oder wenigstens konkrete Aussagen zu entlocken, versagt. Das kann er besser.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Diskutieren wir zu wenig über die Risiken Künstlicher Intelligenz? Sascha Lobo sieht da keine Gefahr: "Was die Gefahren angeht, da mache ich mir bei Technologiediskussionen in Deutschland wahnsinnig wenig Sorgen, dass die zu kurz kommen." Ihn beeindruckt vor allem das schöpferische Potenzial der KI: "Die kreative Leistung kann man den Maschinen beim besten Willen nicht mehr absprechen, fürchte ich." Gesellschaftliche Herausforderungen vermutet Lobo in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt: "Plötzlich betrifft die Automatisierung auch die mit Abitur und Studium, die in den Büros sitzen und mit Schlips und Kragen arbeiten. Das ist eine ganz neue Dimension der Automatisierung. Und ich glaube, dass die in Deutschland grosse Auswirkungen haben wird."

Ist das so? Chat GPT, bitte schreibe ein Fazit zur heutigen Sendung von Markus Lanz. Chat GPT: "Es tut mir leid, aber ich kann kein Fazit zur heutigen Sendung von Markus Lanz schreiben, da ich kein Fernsehprogramm habe und keinen Zugang zu aktuellen Nachrichten oder TV-Sendungen habe." Fazit: Noch hat die Technologie ihre Grenzen. Noch.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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