Aktuell sorgt das praktische Verbot der "One Love"-Kapitänsbinde bei der Fussball-WM in Katar durch die Fifa für Furore. Eigentlich wollten neben der deutschen Elf sieben weitere Teams die regenbogenfarbene Binde tragen und damit ein Zeichen für Vielfalt, Offenheit und Toleranz setzen. Nun berief sich die Fifa auf ihre Ausrüstungsregeln. Das war auch Thema bei Markus Lanz – mit einer klaren Botschaft durch den Vizekanzler.

Eine Kritik
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Die ersten Spieltage der Weltmeisterschaft in Katar sind gelaufen und schon wird deutlich: So politisch war ein Sportereignis schon lange nicht mehr. Für Diskussionen sorgt neben dem Trage-Verbot der "One Love"-Binde auch das Verhalten des iranischen WM-Teams.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Bei Markus Lanz ging es am Dienstagabend (22.) ebenfalls um die politische Dimension der WM. Dazu zählte die Debatte um die "One Love"-Binde, die Rolle von Fifa-Präsident Gianni Infantino sowie die Situation des iranischen WM-Teams, das bei der eigenen Hymne geschwiegen hatte. Themen waren ausserdem die deutsche Gasversorgungslage sowie die sozialen Folgen der Krise, die Industriepolitik der Amerikaner und die Konjunkturaussichten.

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck (Grüne): "Ich würde es darauf ankommen lassen", sagte der Grünen-Politiker über das Trage-Verbot der "One Love"-Binde und liess durchblicken, dass er Manuel Neuer empfehlen würde, sie einfach zu tragen. "Diese Fussball-WM ist anders als alle anderen Weltmeisterschaften politisch", meinte Habeck. Zur Gasversorgungslage sagte Habeck: "Wir stehen vor diesem Winter, der jetzt erst richtig anfängt, besser gerüstet da, als zu befürchten gewesen war am Anfang des Jahres". Das sei aber noch keine Entwarnung, der Winter könne lang und hart werden.
  • Thomas Kistner: Der Sportjournalist der "Süddeutschen Zeitung" meinte: "Es war klar – wenn man ein bisschen die Fifa kennt – dass die natürlich reagieren wird und aus dem Hinterhalt reagieren wird. Wie immer." Der Zeitpunkt sei so gewählt, um monatelange Debatten im Vorfeld zu vermeiden. Aus demselben Grund habe Katar den Alkoholausschank erst drei Tage vor WM-Beginn kassiert. "Schlimmer wäre es gewesen, wenn über viele Jahre hinweg die Fussballfans in aller Welt gesagt hätten: 'Ok, vielleicht gehen wir gar nicht zu dieser WM, weil es im Stadion kein Bier gibt'". Was im Westen abgehe, interessiere Fifa-Präsident Gianni Infantino nicht. "Er bekommt Schulterklopfen von allen Seiten", sagte Kistner.
  • Golineh Atai: Die Nahost-Expertin des "ZDF"-Studios aus Kairo sagte über die Debatte zur "One Love"-Binde in der arabischen Welt: "In den sozialen Medien dort wird Katar gerade gefeiert, für einen heldenhaften Sieg gegen westlichen Zwang". Sie gehe davon aus, dass die katarischen Behörden Druck ausgeübt hätten. Zum iranischen WM-Team, das bei der Hymne geschwiegen hatte, sagte sie: "Die Nationalmannschaft ist sehr, sehr heftig angegriffen worden von Iranerinnen und Iranern, dafür, dass sie beim Besuch bei Präsident Raisi nicht die Stimme des Volkes sein konnten und sich nicht getraut haben, sich zu solidarisieren mit den Protesten". Es habe schmerzhafte Kommentare gegeben wie: "Eigentlich habt ihr jetzt schon vor der WM vor eurem Volk verloren". Im Kontext der Debatte über die "One Love"-Binde seien die iranischen Fussballer aber nun diejenigen, die wirklich ein politisches Statement gemacht hätten. "Im Iran selbst ist das nicht als heldenhafte Geste angekommen".

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Lanz hatte gefragt: "Was wäre denn passiert, wenn Manuel Neuer jetzt einfach diese Binde getragen hätte?". Kistner antwortete: "Ich denke, es wäre gar nichts passiert. Es hätte ein bisschen Theater gegeben. Das Problem ist doch: Was will die Fifa machen?". Sie könne nicht ihren eigenen politischen Wettbewerb zerstören. "Das ist in dem Moment der Fall, in dem eine sportliche Sanktion gegen eine Mannschaft wie die Deutsche oder die Englische greift und das sportliche Resultat in irgendeiner Weise beeinträchtigt", meinte er. Wenn durch mehrere Gelbe Karten Spieler vom Platz gehen müssten, könne es dazu führen, dass man gegen eigentlich schwache Gegner verliere.

"Das wäre ein Eingriff in den sportlichen Wettbewerb", betonte Kistner. "Wenn die Fifa sage: Das ist noch verhältnismässig, dass wir hier so stark gegen eine harmlose, nicht-politische Äusserung vorgehen, dass wir hier den Wettbewerb verzerren, das würde insbesondere bei den Sponsoren, vermutlich auch bei den Fernsehgeldgebern und bei den Fans sowieso zum Aufschrei führen", schätzte der Fussballexperte. Dann hätte die Fifa ein ganz anderes Problem als die "One Love"-Binde, war er sich sicher.

"Was wäre passiert, wenn alle sieben europäischen Mannschaften gesagt hätten, wir ziehen das durch, wir machen das?", warf Journalistin Atai ein. Kistner antwortete: "Dann wäre es durchgezogen worden."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Ein Rede-Duell blieb am Dienstagabend aus. Einigkeit herrschte in Sachen Fifa: Sowohl Atai als auch Kistner attestierten dem Verband fehlendes Rückgrat. Die Signalwirkung der Geste des iranischen Teams, bei der Hymne zu schweigen, stufte Kistner zwar etwas stärker ein als Journalistenkollegin Atai, von Rede-Duell konnte man aber bei weitem nicht sprechen. Hier hätte Lanz vielleicht etwas polarisierender fragen müssen. Das Signal der Einigkeit in puncto "One Love"-Binde, das an diesem Abend vom Studio ausging, war aber auch sicherlich kein falsches.

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Der erste Teil der Sendung gelang Lanz besser. Mit Fragen wie: "Knickt da die Fifa vor Katar in Wahrheit ein oder was passiert da?" und "Was wäre denn jetzt wirklich die Konsequenz gewesen?" war er nah dran an der Lebenswirklichkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer. Das Thema "Industriepolitik der USA" und "Investitionen von BMW, Tesla und Cosco" schienen dann auf einmal weit weg und boten wenig Grundlage, vor dem Fernseher mitzudiskutieren. Lanz hätte lieber beim Thema Gasversorgung bleiben sollen und der Frage weiter nachgehen sollen: "Wie gehen wir um mit aufstrebenden Golfstaaten?". Das eingeblendete Bild von Habeck, der sich vor dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman verbeugt, war auffällig schnell vom Tisch.

Das ist das Ergebnis bei "Markus Lanz"

Als Habeck sagte, es liege nahe, was nun anstelle der deutschen Elf zu tun sei, sah Lanz schon eine Aufforderung für ein "anarchisches Momentum" gekommen. Das war vielleicht etwas übertrieben, traf im Kern aber ein zentrales Ergebnis: Noch ist die Debatte nicht gelaufen. Zwar formulierte Lanz selbst rückwärtsgewandt: "Was wäre passiert, wenn Manuel Neuer die Binde einfach getragen hätte?", spätestens Habecks Aussagen erinnerten dann aber wieder daran, dass die WM gerade erst begonnen hat.

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